Anadoluspor: Nach der Moschee zum Kicken

19.5.2019, 21:00 Uhr
Anadoluspor: Nach der Moschee zum Kicken

© Foto: Anadoluspor/privat

Dort, wo heute die Türkische Gemeinschaft Fürth residiert, befand sich 1988 bereits eine Moschee. Unter den Betenden: Mustafa Akgül, der merkte: hier geht etwas, hier wächst eine Gemeinschaft zusammen. Also scharte der 54-Jährige weitere Fußballbegeisterte um sich und gründete einen Verein: Anadoluspor Fürth.

Am Anfang war das ein hartes Brot, wie Akgül erzählt: "Wir waren noch nicht reif für das politische Parkett, hätten Funktionäre gebraucht, die bereits Erfahrung hatten." Auch mit den Genehmigungen lief es für den jungen Verein holprig. Zunächst hätte das Sportamt den Antrag abgelehnt, dann wurde Akgül persönlich vorstellig. "Ich habe gefragt: Wollen Sie, dass die Jugendlichen weiter auf der Straße sitzen und auf dumme Gedanken kommen, oder dass sie in einem Fußballverein eine Gemeinschaft vorfinden?"

Rund 60 Spieler waren heiß darauf, bei Anadoluspor kicken. "Für uns war es besonders in 80er Jahren schwierig", erzählt Akgül, der das Gefühl hatte, dass viele Vereine durchaus offen für "ein oder zwei Ausländer" waren, aber nicht für eine halbe Mannschaft. Ein eigener Verein musste her.

Der sportliche Erfolg blieb in der damaligen C-Klasse zunächst aus, doch die Kicker von Anadoluspor machten quasi ihre eigene Meisterschaft mit dem im gleichen Jahr gegründeten Türk Gücü Fürth auf. Beide Vereine zierten zunächst das Tabellenende, doch Mustafa Akgül erzählt mit einem Lächeln von den Derbys, bei denen es hoch herging, später auch mit anderen deutsch-türkischen Vereinen. "Gemeinsam mit Türk Gücü waren wir ganz unten, haben dann aber das Derby gewonnen und sind am Ende Vorletzter geworden. Wir haben uns gefreut, als ob wir Champions geworden wären."

Verrückt nach Fußball

1990 betrat Halil Erbay dann die Bühne. Der damalige Obsthändler war verrückt nach Fußball – und wollte bei Anadoluspor etwas aufbauen. "Ich hatte Visionen, wollte etwas kreieren und mich beweisen", erzählt er. Als Vorstand und Sponsor wollte er nach oben. Nicht immer war es einfach, doch gekommen sind sie schließlich bis zur Kreisklasse.

Erste Meinungsverschiedenheiten gab es schnell mit der Moschee, die "ihre Jungs im Verein sehen wollte", wie Erbay erzählt. Wichtig sollte vor allem der Zusammenhalt sein, die Ergebnisse standen im Hintergrund. Das freilich stand im Konflikt mit den neuen Ambitionen.

Bis aus der Landesliga kamen die Neuzugänge. Aus der A-Mannschaft wurde die B-Mannschaft. Doch auch Erbay musste erkennen, dass den Verein ein strukturelles Problem plagte. Sowohl Training, als auch Spiele fanden auf dem Schießanger statt – professionell sieht anders aus.

"Hier trainiere ich nicht"

Mustafa Akgül erinnert sich an die Kämpfe mit der Stadt Fürth. Gerne wäre Anadoluspor auf einen der städtischen Plätze am Lohnert oder auf die Charly-Mai-Sportanlage gezogen. Doch eine dauerhafte Lösung ließ sich nicht finden.

Vor allem hierin sieht Mustafa Akgül den Grund für den Niedergang. "Es scheiterte an zwei Punkten: Man holt neue Leute, die super Plätze gewohnt sind, wir konnten nur den Schießanger bieten, ohne Netz, ohne Linie, dafür mit Scherben und Hundekot. Da haben manche gesagt: Hier trainiere ich nicht. Zum anderen waren wir nicht reif für die Vorstandschaft. Es zählte nur Ehrgeiz und Champions zu werden, alles andere haben wir vergessen."

2011 stieg die Mannschaft nochmal in die Kreisklasse auf. Es folgten weitere Meinungsverschiedenheiten wegen Erbays Tätigkeiten als Disco- und Cafébetreiber. Mit dem Abgang stand dann auch die Auflösung fest.

"Das Ende wäre nicht nötig gewesen", ist Akgül überzeugt. "Ich hatte das Gefühl, dass von Seiten der Moschee kein Interesse mehr am Fußball bestand." Laut Akgül fehlte es an Zeit und an Führungskräften, die Platzsituation und die Kosten spielten auch eine Rolle. Im Dezember 2011 zog Anadoluspor seine Mannschaft zurück.

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