"Auf eurer Seite": 800 Fußballer unterstützen homosexuelle Profis

17.2.2021, 15:43 Uhr
Über 800 Fußballer sicherten homosexuellen Spielern ihre Unterstützung zu.

© Daniel Karmann, dpa Über 800 Fußballer sicherten homosexuellen Spielern ihre Unterstützung zu.

Mit einem aufsehenerregenden Appell haben mehr als 800 deutsche Fußballer und Fußballerinnen homosexuellen Spielern ihre Unterstützung zugesichert. Während der ehemalige DFB-Kapitän Philipp Lahm vor einem Coming-out in der aktiven Karriere warnt, wird in der emotional verfassten Erklärung dazu ermuntert. "Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite", heißt es in dem Solidaritätsschreiben, welches das Magazin 11 Freunde in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht.


"In Deutschland fällt eine andere Mauer"


"Auch im Jahr 2021 gibt es keinen einzigen offen homosexuellen Fußballer in den deutschen Profiligen der Männer", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "Die Angst, nach einem Coming-out angefeindet und ausgegrenzt zu werden und die Karriere als Profifußballer zu gefährden, ist offenbar immer noch so groß, dass schwule Fußballer glauben, ihre Sexualität verstecken zu müssen."

Zu den Unterzeichnern des Appells "Ihr könnt auf uns zählen!" gehören unter anderen bekannte Profis wie Max Kruse (1. FC Union Berlin), Niklas Stark (Hertha BSC), Jonas Hector (1. FC Köln), Bakery Jatta (Hamburger SV), die Nationalspielerinnen Almuth Schult und Alexandra Popp (VfL Wolfsburg) sowie ganze Mannschaften von Proficlubs. So unterzeichnen beispielsweise Lars Stindl, Matthias Ginter, Breel Embolo, Yann Sommer, Tony Jantschke und Trainer Marco Rose für Borussia Mönchengladbach sowie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke für Borussia Dortmund und alle 850 Mitarbeiter.


Seit 25 Jahren: Homosexualität nicht mehr strafbar


Niemand solle zu einem Coming-out gedrängt werden, betonen die Unterzeichner. "Das ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen. Aber wir wollen, dass sich jeder, der sich dafür entscheidet, unserer vollen Unterstützung und Solidarität sicher sein kann." Als erster prominenter deutscher Fußballer hatte Lahms Auswahlkollege Thomas Hitzlsperger 2014 öffentlich gemacht, dass er homosexuell ist - allerdings erst nach Abschluss seiner sportlichen Karriere.

Lahm, der am Mittwoch in München sein Buch "Das Spiel - Die Welt des Fußballs" vorstellte, fände das Outing eine Fußball-Profis wünschenswert. Er ist aber skeptisch, ob die Zeit dafür reif ist. "Da muss man enorm stark sein, um das alles zu verkraften", sagte Lahm. Er wolle "auf Gefahren hinweisen, man muss sich das genau überlegen."


Kampf gegen Homophobie: Liebe, die nicht anders ist


Es möge Städte und Vereine geben, wo solch ein Coming-out eher möglich sei als anderswo, schreibt der Ex-Weltmeister in seinem Buch "Das Spiel: Die Welt des Fußballs", aus dem die Bild-Zeitung (Mittwoch) vorab zitiert. Lahm nannte Berlin, Freiburg und den FC St. Pauli. "Aber gegenwärtig schienen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen", schreibt der frühere Profi des FC Bayern.

Lahm empfiehlt homosexuellen Fußballern, sich vor einem geplanten Coming-out mit engsten Vertrauten zu beraten. Er rät jedoch davon ab, sich über das Thema mit Mitspielern zu unterhalten. Grund für Lahms Ratschlag ist die nach seiner Meinung fehlende Akzeptanz sowohl im Fußball als auch im Umfeld.

Starke Worte fand Unions Publikumsliebling Kruse. "Wenn sich einer meiner Kollegen outen würde, würde ich ihn vor den Idioten draußen schützen", sagte der 32 Jahre alte Angreifer. FC-Kapitän Hector verwies auf die Charta des Kölner Bundesligisten, in der es heißt: "Herzlich willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands - egal, woher du kommst, was du glaubst, was du hast oder bist, wie du lebst und wen du liebst."

Und Enrico Valentini wird als Stellvertreter des 1. FC Nürnberg von 11 Freunde wie folgt zitiert: "Dass Homosexualität im Fußball oder allgemein im Sport überhaupt thematisiert werden muss, zeigt aber, dass vieles nur leere Worthülsen sind. Liebe unter Menschen, egal welchen Geschlechts, darf nicht diskriminiert werden." Lahm wertet den Appell der meinungsstarken Profis positiv. Je mehr das Thema in der Öffentlichkeit sei, umso hilfreicher sei das, sagte er.


Umfrage: DFB tut zu wenig gegen Homophobie


Im Kampf gegen Homophobie in den Stadien haben sich in den vergangenen Jahren die Ultra-Gruppierungen der Fanszene sehr engagiert. Auch Verbände wie der DFB sprechen sich - wie bei der Aktion "Viele Farben - ein Spiel!" - immer wieder gegen Diskriminierung von Homosexuellen aus.

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