Auf sie mit viel Gebrüll und gepolsterten Pompfen

25.9.2017, 15:30 Uhr
Auf sie mit viel Gebrüll und gepolsterten Pompfen

© Eduard Weigert

"Drei, zwei, eins, Jugger!" – kaum ist der Ruf verklungen, stürmen die beiden Teams aufeinander zu, schwingen ihre selbstgebastelten Waffen und kämpfen lautstark um ein zerknautschtes Stück Schaumstoff. Was auf den ersten Blick wie eine verrückte Freizeitbeschäftigung für Mittelalter-Freaks aussieht, ist in Wahrheit ein Sport – und ein anspruchsvoller noch dazu.

Das Vorbild für Jugger stammt aus einem australischen Film von 1989. In "Die Jugger – Kampf der Besten" zieht eine Bande von Jugger-Spielern durch eine endzeitliche Welt und bestreitet ihren Lebensunterhalt mit einem Spiel, das eine Mischung zwischen Rugby und Zweikampf ist. Obwohl "Spiel" wohl kaum das richtige Wort für das ist, was die Hauptfiguren im Film tun: Einer verliert beim Jugger sein Ohr, ein anderer ein Auge und alle ziemlich viel Blut.

Ohr abbeißen

Dem Gegner ein Ohr abzubeißen ist beim modernen Mannschaftssport Jugger nicht erlaubt. Es gibt ein Spielfeld (40m x 20m) und feste Regeln. Zwei Teams à fünf Spieler treten gegeneinander an und versuchen, den sogenannten "Jugg" zu ergattern und in das Mal zu befördern, das am Spielfeldende auf Seiten der gegnerischen Mannschaft liegt. Das Besondere: Nur ein einziger Spieler, der Läufer, darf den Jugg aufnehmen. Die anderen Spieler tragen "Pompfen", selbstgebastelte Waffen, die dick mit Schaumstoff gepolstert sind. Berühren sie einen Spieler, muss der für eine bestimmte Zeit aussetzen.

Ein chaotischer Sport, bei dem es vor allem darum geht, mit Schaumstoff-Waffen herumzufuchteln? "Nein", sagt Jonathan Boelcke, einer der Organisatoren des Erlanger Teams "Orange Juggernauts": "Wenn man die Pompfen-Grundlagen erst einmal beherrscht, geht es vor allem um Überblick und Taktik." Und tatsächlich wird im Spielverlauf deutlich, dass die Strategie entscheidend ist. Wer welchen Spieler wohin lockt, welche Wege der Läufer nimmt, um unbeschadet zum gegnerischen Mal zu kommen, all das entscheidet über Sieg oder Niederlage.

Natürlich nimmt auch der richtige Umgang mit den Pompfen einen wichtigen Platz im Training ein, denn einen gegnerischen Spieler zeitweise auszuschalten, kommt dem Läufer zugute. Es gibt verschiedene Pompfen-Arten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Zum "Waffenarsenal" zählen der Stab, der Q-Tip, die Langpompfe, die Kurzpompfe mit Schild (oder zwei Kurzpompfen) und die Kette. Und bei allen gibt es etwas zu beachten: Die Langpompfe zum Beispiel – sie ähnelt ganz entfernt einem Langschwert – darf nur beidhändig geführt werden, den Q-Tip, das "Ohrenstäbchen", darf der Spieler einhändig benutzen. Die Kette (mit einem Ball am Ende) kann nur dann einen Treffer erzielen, wenn der Spieler sie gerade aktiv schwingt.

Auf sie mit viel Gebrüll und gepolsterten Pompfen

"Kleine, schnelle Bewegungen", gibt Boelcke als Hilfestellung für den Umgang mit den Pompfen und zeigt, wie man den Q-Tip einsetzt, um den Gegner an Schulter oder Beinen zu berühren. Kopf, Hals und Hände zählen nicht als Trefferflächen – es geht um Schnelligkeit, nicht um Brutalität.

Die Faszination des Jugger liegt in der Verbindung von Teamsport und Duell. Besonders zur Geltung kommt der Kampfgeist auf Turnieren, die "am meisten Spaß machen", wie Rosa Blam von den "Orange Juggernauts" findet. Bei den Turnieren sei der Teamgeist am stärksten ausgeprägt, und die Wochenenden mit Jugger und anschließendem gemeinsamen Feiern seien immer ein tolles Erlebnis.

Turniere werden selbst organisiert

Die Turniere werden von den Teams selbst organisiert, Deutschland ist in verschiedene Regionen eingeteilt. Erlangen befindet sich in der Region Süd, einem größeren Bereich, in dem auch Würzburg und Bamberg liegen. Die Teams aus der Region Süd müssen sich untereinander behaupten, um einen von sieben Startplätzen zu ergattern – anschließend können sie sich mit der bundesweiten Jugger-Elite messen.

Wenn also beim nächsten Spaziergang eine bewaffnete Horde Jugger-Spieler den Weg kreuzt, keine Angst – Es geht nur um Spaß, Geschick und gelebten Teamgeist.

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