Bernd Eigner: Über Nacht ins Traumleben

8.3.2019, 18:09 Uhr
Bernd Eigner: Über Nacht ins Traumleben

© F.: Rödel

Der 16. August 1996. Der Tag, an dem mein größter Traum wahr werden sollte. Der Tag, an dem über 45 000 meinen Namen riefen.

Ich bin klatschnass. Vor mir der Rasen des Volksparkstadions. Dort, wo tausende Fans auf mich warten. Neben mir, weiße Stutzen, rotblaue Trikots. Die Spieler des FC Bayern München reihen sich nach und nach im Spielertunnel ein. Unter ihnen Lothar Matthäus oder Oliver Kahn. Früher Idole, heute Gegenspieler. Keine Ahnung, was der Trainer in der Mannschaftsbesprechung gesagt hat. Seit ich vor ein paar Stunden meinen Namen auf dem Taktik-Brett gelesen habe, kann ich an nichts anderes mehr denken. Mein erster Startelfeinsatz, am ersten Bundesligaspieltag meiner ersten Profi-Saison beim FC St. Pauli. Und dann auch noch gegen den FC Bayern. Es ist alles wie im Traum. Während ich darauf warte, dass mich jemand zwickt, gibt der Schiedsrichter das Zeichen zum Einlaufen. Und das alles, wo ich vor eineinhalb Monaten noch in der Bayernliga gespielt habe.

Traum: Bundesliga

Wie fast jeder kleine Junge, hatte ich schon immer den Traum von der Bundesliga. Mit neun Jahren fing ich beim SC Stettfeld mit Fußball an. Seither habe ich immer und überall gekickt, wo ich konnte. Ob in der Schule, im Garten oder zu Hause in der Küche — es verging keine freie Minute, in der ich nicht spielte. Zu diesem Zeitpunkt war die Bundesliga ein Wunsch, aber noch so weit weg.

Beim SC 08 Bamberg habe ich dann in der dritten Liga gespielt. Das hat mich stolz gemacht. Nebenbei habe ich Bankkaufmann gelernt. 1995 bin ich über Umwege in Frohnlach gelandet. Da ich mich zuvor in der Regionalliga beim TSV Vestenbergsgreuth nicht durchsetzen konnte, wechselte ich in die Bayernliga, die damalige vierthöchste Spielklasse. Und genau das sollte der entscheidende Schritt zur Profi-Karriere sein.

Saison meines Lebens

Beim VfL Frohnlach habe ich die Saison meines Lebens gespielt und als Innenverteidiger 14 Tore geschossen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es wohl diese 14 Tore waren, die mich ins Profigeschäft brachten. Damals hatten allerlei Medien von mir und meinem Mitspieler in der Abwehrzentrale berichtet. Wir haben zusammen 26 Tore gemacht und hinten auch noch den Laden dichtgehalten.

Ein ehemaliger Trainer hat nach der Saison ein Probetraining beim FC St. Pauli ausgemacht. Ich konnte es erst gar nicht glauben, aber ich beschloss alles auf eine Karte zu setzen, die Erfahrung mitzunehmen. Daran, dass die mich tatsächlich verpflichten würden, dachte ich nicht.

Der Ball flog mir um die Ohren

Das Training war kein Vergleich zu dem bei Frohnlach. Das Spiel war rasend. Der Ball flog mir regelrecht um die Ohren. Jeder kleinste Fehler wurde sofort bestraft. Überraschenderweise habe ich trotzdem von Anfang an mithalten können und mich gut in die Mannschaft eingefunden. Wie bei allen vorherigen Klubs, bin ich nie herausgestochen, aber habe konstant meine Leistungen gebracht.

Dann: der 16. August 1996. Eröffnungsspiel gegen Bayern München. Ich hatte alles dafür getan im Kader zu stehen. Einfach nur dabei sein, so nah an meinem Traum.

Stattdessen war ich mittendrin. Auf dem Rasen des Volksparkstadions. FC St. Pauli gegen den FC Bayern München. Der Moment, von dem ich seit meinem ersten Mal auf dem Sportplatz des SC Stettfeld immer geträumt habe. Der Moment, der größte meines Lebens.

Mit dem Pfiff des Schiedsrichters verflog meine Nervosität sofort und ich war nur auf mein Spiel konzentriert. Erst nach Abpfiff, wir hatten 1:2 verloren, hatte ich Zeit nachzudenken, was gerade passiert war.

Mama war im Stadion

Meine Mutter war im Stadion gewesen, um mich anzufeuern. Ihren Sohn, der sie in der Küche mit dem Fußball genervt hatte, der so oft mit aufgeschürften Knien nach Hause kam, auf den sie so stolz war. Mein Vater musste zuhause auf den Schreibwarenladen meiner Eltern aufpassen. Sie waren beide unendlich stolz.

Im zweiten Spiel gegen Arminia Bielefeld habe ich mein erstes Tor erzielt, den 2:1-Siegtreffer. Das war unbeschreiblich. Ich weiß noch, wie ich nach meinem Jubellauf komplett kaputt war, weil so viele Emotionen raus mussten. Ich wusste, dass mir das keiner mehr nehmen kann. Danach habe ich noch 23 Mal für St. Pauli Bundesliga gespielt. Alle Spiele von Anfang an. Ich habe meinen Traum gelebt.

Audi 80 statt Sportwagen

Als Profi habe ich im Vergleich zu meinem Job in der Bank nicht viel mehr verdient. Ich war immer bodenständig und habe mir nicht, wie die anderen Spieler, die teuersten Sportwagen gekauft. Ich erinnere mich noch an meine spätere Station in Bielefeld, wo ich mit meinem alten Audi 80 Diesel vorgefahren bin. Mein Mitspieler, Michael Sternkopf, bat mich, mir ein neueres Auto zu kaufen, damit er sich mit so einem Auto auf dem Parkplatz nicht schämen müsste. Ich konnte nur lachen.

Wie viele Fußballer hatte ich auch meine Rituale vor den Spielen. Ich bin sogar in die Kirche, um Kerzen anzuzünden. Trotzdem habe ich mich verletzt und daher kein weiteres Spiel für St. Pauli gemacht.

Nach dem Abstieg 1996/97, wechselte ich zu Arminia Bielefeld, um erstklassig zu bleiben. Leider habe ich mich vor der Saison ein weiteres Mal verletzt. Damit war mein Traum von der Bundesliga schon wieder zu Ende.

Mit 34 nach Erlangen

Ich hatte noch einige weitere Stationen in den unteren Profiligen, meine Verletzungen warfen mich jedoch immer wieder zurück. Mit 34 wechselte ich zurück in die Bayernliga zum FSV Erlangen-Bruck. Vier Jahre später beendete ich meine Karriere, weil die Schmerzen im Knie zu groß geworden waren.

Heute bleiben mir die Erinnerungen, die ich gesammelt habe, Erfahrungen, die ich gemacht habe. Und der Stolz. Auf das was ich erreicht habe und auch auf die Panini-Bildchen, die es von mir gab.

Jetzt bin ich Trainer beim SC Eltersdorf in der Bayernliga. Ich denke nicht daran, als Trainer noch einmal ins Profi-Geschäft einsteigen zu wollen. Das habe ich damals aber auch nicht.

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