Der FCN-Kader im Check: Offensiv variabel, defensiv anfällig

31.8.2020, 16:48 Uhr
Der Kader für die kommende Spielzeit ist nahezu komplett. Sportvorstand Dieter Hecking ist mit dem Ist-Zustand zufrieden.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Der Kader für die kommende Spielzeit ist nahezu komplett. Sportvorstand Dieter Hecking ist mit dem Ist-Zustand zufrieden.

Der Bedarf ist nach Ansicht des Sportvorstands Dieter Hecking nicht zwingend vorhanden, zeigte sich der 55-Jährige zuletzt beim kicker doch zufrieden mit dem gegenwärtigen Zustand: "In Anbetracht der Kürze der Zeit haben wir die Kaderbesetzung ganz ordentlich hinbekommen." Fünf Neuzugänge, darunter drei Leihspieler, lotste der einstige Erfolgstrainer bereits an den Valznerweiher. Hinzu kam Leihrückkehrer Simon Rhein, der gemeinsam mit RB-Juwel Tom Krauß zwar nicht typ-, aber positionsgetreu den Abgang von Patrick Erras an die Weser kompensieren soll.

Das Eigengewächs aus Amberg zählte zu den zehn Akteuren, die dem 1. FC Nürnberg in diesem Sommer den Rücken kehrten, die hinterlassenen Lücken wurden aber weitestgehend geschlossen. Besonders im Fall Erras aber nur weitestgehend, denn besonders die Kopfballstärke, die robuste Zweikampfführung und das klare Spiel des Hünen dürfte dem Club mit seinem Abschied im defensiven Mittelfeld ein Stück weit abhanden kommen.


Heimkehr und Abschied beim Club: Einer wird kommen, einer will gehen


29 Spieler zählt die Kaderliste aktuell, darunter vier Torhüter, der sich im Aufbautraining nach Kreuzbandriss befindliche Paul-Philipp Besong sowie Kevin Goden, der sich derzeit einen neuen Arbeitgeber sucht. Entsprechend wären 23 Feldspieler aktuell einsatzbereit. Eine relativ beachtliche Summe, die den ein oder anderen weiteren Abgang nahelegt - nach der Verpflichtung des Heimkehrers Pascal Köpke möglicherweise den Wechsel des umworbenen Robin Hack.

Andererseits: Die kommende Saison wird anders, ihr Spielplan enger getaktet, die Regenerationszeit kürzer, die Rotation bedeutsamer. Drei englische Wochen sind für die neue Zweitliga-Runde eingeplant, eine ausgiebige Winterpause wird es indes nicht geben. Sollte es zu einem Corona-Fall kommen, wird sich die Mannschaft zudem einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen und die verschobenen Spiele nachholen. Diese Regelung könnte den 1. FC Nürnberg folglich vor ähnliche Herausforderungen wie in der vergangenen Spielzeit Dynamo Dresden stellen, die sieben Spiele in 21 Tagen bestreiten mussten. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc prognostizierte angesichts der Terminierung zuletzt, die Rotation würde "eine Renaissance erleben".


Länderspiele: Club-Duo kämpft um EM-Quali, Zrelak um seine Chance


Der Club scheint für jene Wiedergeburt gewappnet zu sein, ist er doch auf jeder Position, besonders aber in der Offensive, mindestens doppelt und oftmals qualitativ gleichwertig besetzt. Verschiedene Spielertypen für ein und dieselbe Position, beispielsweise im Sturm mit dem wuchtigen Schäffler, dem schnellen Lohkemper oder dem Hybrid-Angreifer Köpke, sowie polyvalente Akteure wie Tom Krauß, Fabian Nürnberger oder eben erneut Köpke ermöglichen zudem taktische Flexibilität. In Bezug auf die Stärken, Schwächen und Spielweise des Gegners ebenso wie in Bezug auf die eigene Herangehensweise und Formation.

Apropos Formation: Der FCN agierte bisher in diversen Grundordnungen, angefangen beim RB-typischen 4-2-2-2 über das klassische 4-2-3-1 bis hin zum 3-5-2. Ein präferiertes Spielsystem kristallisierte sich bisher noch nicht heraus – möglicherweise bewusst: So erlaubte doch die andauernde Anpassung der Formation Klauß' sächsischem Ex-Arbeitgeber, sich stets optimal zu adaptieren: an die Umstände, den Kontrahenten und den Spielstand. Und damit nur schwer berechenbar zu sein - besonders in der Offensive.

Defensiv indes ist der Club zwar nicht unterbesetzt, ein weiterer Abgang – oder eine langwierige Verletzung – könnte allerdings Personalsorgen zur Folge haben: Die beiden Außenverteidigerpositionen sind mit Oliver Sorg und Enrico Valentini beziehungsweise mit Tim Handwerker und Youngster Ekin Celebi, der mit guten Leistungen in den Testspielen andeutete, die Back-Up-Rolle übernehmen zu können, doppelt besetzt. Für das Abwehrzentrum stehen hingegen mit Georg Margreitter, Lukas Mühl und Asger Sörensen aktuell nur drei angestammte Innenverteidiger im Aufgebot. Tom Krauß, der auch auf der Sechs agieren kann, wäre eine weitere Option – ebenso wie Nachwuchskraft Noel Knothe. Maximal also ein Quintett.

Rein quantitativ sollte dies für die kommende Spielzeit im Normalfall ausreichen, in Anbetracht der Verletzungsanfälligkeit insbesondere des Österreichers Margreitter (verpasste in der Vor-Saison zehn Partien), möglicher Sperren und der möglichen Anpassungszeit der beiden Youngsters an die für sie noch unbekannte Spielklasse, würde eine weitere Kraft fürs Abwehrzentrum dem Club gut zu Gesicht stehen. Andererseits dürfte in der Innenverteidigung nicht allzu viel Rotation wie in der Offensive zu erwarten sein, setzt man doch auf jener bedeutsamen Position gerne auf ein eingespieltes Duo – oder Trio.


Mehr als Romantik? Warum Köpke für den Club wichtig werden könnte


Wer das sein könnte? Die Antwort lässt sich möglicherweise aus der Aufstellung im Testspiel gegen Union Berlin, der Generalprobe vor dem Duell mit RB Leipzig in der ersten Runde des DFB-Pokals, ableiten. Anders als in den vorangegangen freundschaftlichen Vergleichen, in denen die Akteure weitestgehend gleich viele Spielminuten erhielten, um Trainer Klauß von sich zu überzeugen, dürfte es im Stadion an der Alten Försterei darum gehen, in der favorisierten Aufstellung daran zu arbeiten, dass die Automatismen greifen, wenn es darauf ankommt. Kurzum: Es geht einmal mehr um den Feinschliff.

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