Die Pferdelunge trifft und lässt sich auswechseln

27.9.2014, 22:35 Uhr
Die Pferdelunge trifft und lässt sich auswechseln

© Foto: Weigert

ein bisschen Déjà-vu darf dennoch sein – Javier Pinola einen Elfmeter, ansonsten war der Argentinier Turm in der Schlacht. Vielsagender Kommentar von Offensivkraft Christian Eigler zur Nürnberger Viererkette an diesem 19. Spieltag: „Sorgen mache ich mir um die da hinten nicht, Pinola und Dominic Maroh leiten die ja an.“ Und Marek Mintal philosophierte nach jenen 90 Minuten, die er mit seinem Treffer zum Endstand in der 77. Minute selbst aktiv mitgestaltete: „Heute ist wie Weihnachten.“

Noch besser lief die Partie für Mike Frantz, der sich besonders auffällig präsentierte. Wegen einer schmerzhaften Prellung war für die Pferdelunge zwar schon nach 49. Minuten Schluss, mit seinem Assist für Eiglers Führung (4.) und seinem eigenen Treffer zum 2:0 (23.) verdiente sich der heutige Freiburger den Titel des „Spieler des Spiels“. Seinen besonders ekstatischen Jubel nach seinem Torerfolg – leicht provokant nahe des Lauterer Gästeblocks – begründete der damals 22-Jährige mit dem Umstand, dass man als Saarländer gegen den FCK nun mal besonders motiviert sei.

Tritt auf die Euphoriebremse

Und Trainer Michael Oenning? Der kritisierte nach dem Spiel: „Wir hätten mehr Tore machen müssen.“ Die schlampige Chancenverwertung wertete er jedoch als nötigen Tritt auf die Euphoriebremse: „Wer weiß, was sonst auf uns zugekommen wäre?“ Valérien Ismaël könnte mit der Angst vor zu viel Fan-Euphorie in diesen Tagen gewiss ganz gut leben.

Mit derlei Schlussfolgerungen begab sich Oenning unbeabsichtigt in illustre Gesellschaft mit Max Merkel. Der grantelte nach einem 4:1-Erfolg am 28. Oktober 1967: „Dieses Spiel war höher zu gewinnen“, und schob nach, dass es viel zu viel Leerlauf nach dem dritten Club-Treffer gegeben hätte. Und auch seine Abwehr war vor Merkels nicht ganz zum Ergebnis passenden Gemütslage nicht sicher: „Ein Wunder, dass nicht noch mehr Gegentore gefallen sind.“ Im Anschluss an diesen Erfolg hatte der FCN fünf Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten Bayern München und am Ende der Spielzeit war er zum neunten Mal Deutscher Meister. Selbst langjährige Clubfans kennen solche sportlichen, im Grunde wolkenlosen, Großwetterlagen nur noch aus Erzählungen.

Dass es im Leben auch deutlich wichtigere Dinge als Fußball gibt, zeigte die fränkisch-pfälzische Kraftprobe am 15. September 2001. Die verheerenden Terroranschläge in den USA waren just ein paar Tage alt, die Welt stand unter Schock. Zu allem Überfluss ging Stunden vor dem Anpfiff eine Bombendrohung ein, Sprengstoffhunde durchsuchten das Frankenstadion, fanden aber nichts Verdächtiges.

Veritabler Blamagen-Stoff

Das Spiel an sich bot für den FCN wenig Grund, um zumindest ein paar ablenkende positive Gedanken zu fassen, mit dem 0:2 blieb die Elf von Klaus Augenthaler im Tabellenkeller stecken. Der siegreiche FCK-Coach Andreas Brehme ordnete hinterher die Wichtigkeit des Sieges folgendermaßen ein: „Ich konnte mich nicht freuen.“ Nürnbergs US-Boy Anthony Sanneh gab indes deutlich zu verstehen, was an diesem Tag wichtig war: „Wir spüren, wie die Welt mit uns fühlt, und es ist schön zu wissen, dass alle aufrichtigen Menschen uns beistehen.“

Die Erinnerungen an 9/11 sind bis heute nicht verblasst, der Fußball ist jedoch schon lange wieder im Alltag angekommen. Im Februar 2009 fuhr der von Euphorie getragene Club eine Woche nach dem Sieg gegen den FCK an den Aachener Tivoli und bescherte den zahlreich mitgereisten Fans einen Tag, wie man ihn heute nicht besser in den düstersten Farben malen könnte.

Mit 2:6 ging der FCN bei der Alemannia baden. Was damals lediglich einen Ausrutscher auf dem Weg zum Wiederaufstieg darstellte, wäre heute ein veritabler Blamagen-Stoff mit Wiedererkennungspotenzial. „Heute ist wie Weihnachten“, wird am kommenden Montag wohl niemand sagen.

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