Eckstein: Ich bin immer noch fußballgeil!

31.12.2012, 13:59 Uhr
Der Blick zurück ist nicht sein Ding: Der frühere Club-Profi Dieter Eckstein lebt im Hier und Heute. Nur so gelang es ihm immer wieder, Schicksalsschläge wegzustecken.

© Sportfoto Zink Der Blick zurück ist nicht sein Ding: Der frühere Club-Profi Dieter Eckstein lebt im Hier und Heute. Nur so gelang es ihm immer wieder, Schicksalsschläge wegzustecken.

Dieter Ecksteins Leben ist geprägt von Schicksalsschlägen. Der frühere Profi des 1.FC Nürnberg verlor früh seine Eltern, 1988 starb sein sieben Wochen alter Sohn Dennis am plötzlichen Kindstod. 1992 brannte sein Haus ab, 2001 wurde Hodenkrebs diagnostiziert. Schließlich erlitt der heute 48-Jährige am 1.Juli 2011 bei einem Benefizspiel in Regensburg einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. Unterkriegen lässt sich „Eckes“ von alledem nicht.

NZ: Herr Eckstein, Sie haben ein relativ ruhiges Jahr hinter sich. Wie selbstverständlich war es schon wieder, heuer das Weihnachtsfest zu feiern?

Dieter Eckstein: Das Jahr war tatsächlich überraschend ruhig. Und ich habe Weihnachten eigentlich gefeiert wie immer. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich versucht habe, die ganze Sache mit dem Herzinfarkt in letzter Zeit ein bisschen zu verdrängen. Sonst wird man ja blöd. Natürlich war es eine schwierige Zeit, aber ich bin eben ein Typ, der Negatives in den Hintergrund stellt. Das ist mir dieses Jahr ganz gut gelungen.

NZ: Lebt man bewusster, wenn man – salopp gesagt – schon mal 13 Minuten tot war?

Eckstein: Die ersten Wochen und Monate war es schon ein bisschen komisch, weil man ja auch ständig darauf angesprochen wurde, im Krankenhaus, bei der Reha... Ich bin mir schon ganz bescheuert vorgekommen, weil jeder gefragt hat: Und Eckes, wie geht’s? Irgendwann geht einem das einfach auf den Senkel. Nach einem halben, dreiviertel Jahr ist es dann ein bisschen ruhiger geworden. Am Anfang wusste ich auch nicht so recht, wie es jetzt mit mir weitergeht. Aber die Ärzte haben mir gesagt, an welche Regeln ich mich halten muss. Das versuche ich, dann wird’s schon klappen.

NZ: Sie haben aber in einem Interview gesagt, Sie wollen sich jetzt trotzdem Schweinebraten, Bierchen und Zigaretten nicht verbieten lassen.

Eckstein: Ich habe in der Reha viele Leute kennengelernt, die ihr Leben komplett umgekrempelt haben, jetzt total gesund leben und ständig beim Ernährungsberater sind. Aber da bin ich nicht der Typ dafür. Ganz ehrlich: Was hab’ ich denn dann noch von meinem Leben? Ich war schon immer ein bisschen ein Lump, und das werde ich auch bleiben. Mein Weißbier und meine Zigarette lass’ ich mir nicht nehmen. Sonst kann ich ja gleich in die Kiste springen. Man sieht doch, wie schnell es vorbei sein kann.

NZ: Das beste Beispiel ist Ihr einstiger Trainer Willi Entenmann. Ein gesundheitsbewusster Asket, der im Januar 2012 beim Langlaufen einen Herzinfarkt erlitt und verstarb.

Eckstein: Willi war ein super Trainer, aber wenn ich daran denke, wie er uns früher bei jeder Gelegenheit nervige Moralpredigten gehalten hat: nicht rauchen, keine Cola, nix Fettiges, nur Salat – ein absoluter Gesundheitsfanatiker, topfit. Der ist jeden Tag mit dem Fahrrad 40 Kilometer ins Training gefahren. Und beim Waldlauf ist er immer vorne mitmarschiert und hat dabei auch noch permanent geredet. Ich hatte schon nach zwei Sätzen Seitenstechen. Und ausgerechnet er fällt dann mit 63 Jahren tot um. Da haut’s dir doch den Vogel raus!

NZ: Der Herzinfarkt war ja nicht Ihr erster Schicksalsschlag. Woher nimmt man die Kraft, sich trotzdem immer wieder aufzurappeln?

Eckstein: Ungefähr alle zehn Jahre habe ich in meinem Leben irgendwie so einen Tacker drin. Der Tod meines Sohnes, dann der Hausbrand, die Krebserkrankung, der Herzinfarkt... Wichtig ist, dass man einen festen Halt in der Familie hat. Als ich plötzlich mit Mitte 30 Hodenkrebs bekommen habe, dachte ich mir zuerst nur: Das kann’s jetzt aber nicht sein. Die Ärzte hatten mir zwar eine gute Überlebenschance prognostiziert, aber Leber und Nieren waren befallen, ich musste viermal operiert werden. Das war schon eine harte Zeit. Aber sich deshalb ins Bett zu verkriechen und zu denken: Warum immer ich? – das ist Blödsinn. Ich glaube, es gibt auf der Welt noch viel Schlimmeres. Und außerdem hatte ich ja Glück und lebe noch – im Gegensatz zu manch anderem.

NZ: Können Sie sich inzwischen eigentlich an die Geschehnisse von Regensburg erinnern?

Eckstein: Nein, mir fehlen ein paar Tage. Mitspieler haben mir erzählt, was passiert ist. Ich bin in der Halbzeit mit Thomas Ziemer vom Platz gelaufen und wollte einem Mädchen ein Autogramm geben. Ab da weiß ich nichts mehr. Fünf Tage später haben mich die Ärzte dann auf der Intensivstation aus dem Koma zurückgeholt. Ich habe erst nur Schläuche gesehen und das Piepsen der medizinischen Apparate gehört. Meine Frau Ute hat mir dann gesagt, dass ich einen Herzinfarkt hatte. Um das wirklich zu realisieren, hat es aber noch ein paar Tage gedauert.


NZ: Wie fühlt man sich eigentlich, wenn schon Nachrufe auf einen geschrieben wurden?

Eckstein: Da bin ich ehrlich gesagt heute noch sauer. Im Stuttgarter Raum gab es ja wirklich eine Zeitung, die im Internet schon einen Nachruf veröffentlicht hatte. Verwandte und Freunde waren natürlich geschockt. Bis heute hat sich bei mir niemand entschuldigt. Es hieß nur, man wäre eben einer Falschinformation aus Regensburg aufgesessen. Ich finde, da könnte man sich schon vorher schlaumachen. Aber im Internet geht es eben nur noch darum, wer am schnellsten etwas vermeldet.

NZ: Stehen Sie noch in Kontakt zu den zwei Feuerwehrmännern, die zufällig im Publikum waren und Sie reanimiert haben? Hat sich vielleicht sogar eine Freundschaft entwickelt?

Eckstein: Bayern 3 hat ja das Angebot gemacht, die ausgefallene zweite Halbzeit nachzuholen, dazu waren die beiden auch eingeladen. Für mich war das eine richtig komische Situation. Wie sollst du denn jemandem richtig danken, der dir das Leben gerettet hat? Man umarmt sich, sagt danke – und dann? Auch für die Jungs wurde es irgendwann zuviel, da war jeden Tag die Presse im Haus. Sie haben immer wieder betont, dass sie ja nur ihren Job gemacht hätten. Hätten sie einen Müller oder Meier gerettet, hätte es keinen interessiert. Natürlich haben wir noch ein paarmal telefoniert und werden uns bestimmt auch wieder mal treffen, aber irgendwie bleibt es einfach ein seltsames Gefühl.

NZ: Wechseln wir das Thema. Sie sind beim Club als Fanbetreuer tätig. Nur Job oder auch Berufung?

Eckstein: Schon beides. Ich habe meinen Vertrag jetzt auch bis 2014 verlängert. Mir macht es einfach Spaß, rauszufahren und mit Fans zu diskutieren – auch wenn viele von den Jüngeren mich ja gar nicht mehr so richtig kennen und es lieber sähen, wenn mal ein aktueller Profi kommen würde, ein Chandler oder ein Pinola. Aber meistens ist es eine Riesengaudi.

NZ: Sie haben ja auch einige interessante Storys zu erzählen. So soll Ihnen zum Beispiel Willi Entenmann erst nach dem Training mitgeteilt haben, dass gerade Ihr Haus abgebrannt ist.

Eckstein (lacht): Das war ein echtes Highlight in meinem Leben. Wir sind gerade zum Trainingsplatz gelaufen, als ständig Feuerwehrautos vorbeigefahren sind. Dann habe ich gesehen, wie unser damaliger Zeugwart Willi Spieß zu Entenmann gekommen ist und ihm etwas ins Ohr geflüstert hat. Eineinhalb Stunden später beim Auslaufen hat mich der Trainer dann zu sich gerufen und gesagt: ,Eckes, fahr mal schnell heim, dein Haus brennt. Brauchst aber keine Angst haben, es ist niemand verletzt worden.‘ Ich habe ihn nur fragend angeschaut. Als ich um halb sieben daheim in Weißenbrunn angekommen bin, war mein Haus weg. Und überall standen Kamerateams vom Fernsehen. Ein Feuerwehrmann hat mir gesagt, der Brand wäre bereits um 15Uhr ausgebrochen. Ich war stinksauer und habe den Trainer am nächsten Tag zur Rede gestellt. Er meinte nur, wir hätten am Samstag eben ein wichtiges Spiel gegen Frankfurt, und er wollte keine Hektik reinbringen. Gott sei Dank ist der Brand glimpflich abgegangen, nur meine Schwiegermutter hatte eine leichte Rauchvergiftung erlitten. Bitter war allerdings, dass alle Trikots und die Erinnerungsstücke an meine Länderspiele vernichtet wurden.

NZ: Ein gutes Stichwort. Sie haben nur sieben Länderspiele bestritten. Trauern Sie der verpassten internationalen Karriere ein bisschen nach?

Eckstein: Immerhin war ich ja bei der EM 1988 dabei, das war natürlich ein Höhepunkt, auch wenn ich gerne etwas länger gespielt hätte. Aber wenn du als 24-Jähriger Weltklasse-Stürmer wie Jürgen Klinsmann, Rudi Völler und Klaus Allofs vor dir hast, ist es eben schwer. Was mich aber stolz gemacht hat, war, dass ich beim 1.FC Nürnberg Nationalspieler geworden bin. Das haben seit Max Morlock ja nicht viele geschafft. Klar hätte ich gerne das eine oder andere Länderspiel mehr gemacht, aber sich gegen die Bayern-Connection durchzusetzen, war brutal schwer. Franz Beckenbauer hat immer die Gleichen gefragt, wer spielen soll: Brehme, Matthäus, Berthold, Thon. Oft stand es auf der Kippe, etwa beim EM-Spiel gegen die Niederlande. Da bekam dann eben Frank Mill den Vorzug, weil der auch gut mit den Bayern konnte. Der NZ hatte ich damals gesagt, wenn ich beim FC Bayern spielen würde, würde ich mehr Länderspiele machen. Das war sicher ein Fehler von mir, ich war halt noch jung. Beckenbauer hat es mir nicht übelgenommen, trotzdem habe ich danach kein Länderspiel mehr gemacht.

Eckstein: Ich bin immer noch fußballgeil!

© NZ-Archiv



NZ: Würden Sie mit der heutigen Profigeneration gerne tauschen?

Eckstein: Vom Medienaufkommen her sicher nicht. Heutzutage wird man ja auf Schritt und Tritt überwacht. Vom Spielsystem her – weiß ich nicht. Früher gab es Manndecker wie Kohler oder Buchwald, die dir 90 Minuten auf die Füße getreten sind. Heute spielt man mit Viererkette, da muss man erst einmal die Lücke finden, um loszurennen. Ich würde wohl dauernd ins Abseits laufen.

NZ: Sie sind derzeit als Spielertrainer beim DJK-SV Mitteleschenbach aktiv, wo auch Ihre drei Söhne Steve, André und Mark kicken. Wie geht es denn in der A-Klasse Frankenhöhe zu? Bringt man Ihnen den nötigen Respekt entgegen, oder kommt schon mal ein dummer Spruch?

Eckstein: Klar gibt es den einen oder anderen, der mal versucht, mich zu beleidigen, auch unter den Zuschauern. Aber da stehe ich drüber. Meine Jungs reagieren da schon etwas giftiger, aber ich sage immer: Bleibt ruhig, die haben zu Hause nichts zu melden und müssen sich eben am Sportplatz abreagieren.

NZ: Mal ehrlich – muss sich eine Club-Legende das eigentlich noch antun?

Eckstein: Ich bin immer noch fußballgeil, ich brauch das, und wenn es in der A-Klasse ist. Ich steh’ da mit meinen 48 Jahren als Libero hinten drin und schlage meine Pässe über 40, 50 Meter. Mich hat das von Anfang an gejuckt. Mitteleschenbach hat früher Bezirksliga gespielt, als ich die Mannschaft übernommen habe, lag der Verein am Boden. Mit ein paar AltherrenFußballern haben wir mit Ach und Krach den Klassenerhalt geschafft. Dann habe ich ein paar Neuzugänge geholt, darunter meine drei Söhne. Jetzt stehen wir oben drin und wollen auch aufsteigen. Das sind zwar nicht die ganz großen Fußballer, aber alles super Jungs, mit denen es einfach riesigen Spaß macht.

NZ: Sie kicken mit einem Herzschrittmacher. Haben Sie denn gar keine gesundheitlichen Bedenken?

Eckstein: Ganz ehrlich: Wenn ich draußen sitze, bin ich nervöser als auf dem Platz. Und mein Arzt hat nichts dagegen. Ich muss nur aufpassen, dass ich keinen Ball aus kurzer Distanz auf die Brust bekomme, weil sonst ein Kabel reißen könnte. Dann müsste ich halt wieder operiert werden. Bis jetzt ist alles gutgegangen. Die Rückrunde will ich auf jeden Fall noch spielen, dann schauen wir weiter.

NZ: Ehe wir’s vergessen: Mike Büskens, Ihr ehemaliger Kollege auf Schalke und heutiger Fürther Trainer, lässt schön grüßen. Und sagt, Sie sollen endlich mit dem Rauchen aufhören.

Eckstein: Er soll mir lieber mal eine Packung Zigaretten schicken (lacht). Der Bujo ist ein super Typ, aber er hat früher schon als mein Zimmergenosse im Trainingslager geflucht, wenn ich eine geraucht habe. Ich musste dann immer im Wohnzimmer schlafen...
 

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