"Einfach krass" - Der ganze Club ist verrückt nach Drmic

28.3.2014, 06:00 Uhr
Josip Drmic bejubelt sein Tor zum 2:0 gegen den VfB Stuttgart.

© Sportfoto Zink / WoZi Josip Drmic bejubelt sein Tor zum 2:0 gegen den VfB Stuttgart.

Die obligatorische Umarmung nach Dienstschluss musste Gertjan Verbeek diesmal vorziehen. Auch Josip Drmic hatte am Mittwochabend einige Schläge und Tritte abbekommen und konnte irgendwann nicht mehr. Seine Auswechslung in der 87. Minute geriet zum persönlichen Triumphzug; selbst die überwiegend strengen Zuschauer auf der Haupttribüne erhoben sich von ihren Plätzen, um den Mann des Abends mit Beifall zu überschütten.

Beim verdienten 2:0 (1:0) gegen den VfB Stuttgart erzielte der Schweizer beide Tore, das eine kurz vor, das andere kurz nach der Pause. Damit hat er in der Rückrunde bereits neunmal getroffen, in zehn Partien, seine aktuelle Saisonmarke steht bei 15, der Rest der Mannschaft bei 17. Statistiken können aber höchstens andeuten, wie sehr der ganze 1. FC Nürnberg mittlerweile abhängig ist von seinem Mittelstürmer.

Eindrucksvoll ist besonders Drmics Effizienz; er braucht nicht viele Chancen, „eiskalt“ müsse man sein beim Abschluss, so wie er. Drmic scheinen die Diskussionen der vergangenen Wochen überhaupt nicht beschäftigt zu haben. Als es darum ging, wie vom Bundesliga-Abstieg bedrohten Fußballern die Angst genommen werden könne, etwas falsch zu machen. Auch am Mittwochabend merkte man dem Club die allgemeine Verunsicherung zunächst an; selbst Pässe über 15, 20 Meter oder die saubere Ballannahme fiel einigen schwer, weil sie im Kopf nicht frei waren. Und wie es auch hätte laufen können, wenn der Stuttgarter Konstantin Rausch in der 16. Minute nicht an die Latte geschossen hätte, sondern ins Nürnberger Tor, kann man sich vorstellen.

Stevens: "Nürnberg hat uns gezeigt, was Abstiegskampf ist"

Der Trainer sprach hinterher von „guten Momenten“ seiner Not-Elf, die ohne sieben Leistungsträger auskommen musste, er meinte auch die 16. Minute, vor allem aber die Entstehung der Tore. Als sich Willensstärke (Niklas Starks Balleroberung vor dem 1:0) und Genialität (Markus Feulners Hereingabe vor dem 2:0) wunderbar ergänzten zu einer auch mittelfristig noch einige Punkte versprechenden Strategie. „Ich denke“, knurrte Stuttgarts Trainer Huup Stevens auf der Pressekonferenz, „dass uns Nürnberg gezeigt hat, was Abstiegskampf ist.“

Ein schöneres Kompliment hätte man wahrscheinlich bloß noch erfinden können nach 90 überwiegend zähen und an Höhepunkten armen Minuten, deren Qualität aber hinterher niemanden mehr interessierte. Dafür kann sich der junge Schweizer aus dem Angriffszentrum kaum noch retten vor Interviewanfragen; die Leute sind verrückt nach ihm, nach seiner Geschichte: Unbekanntes Talent vom FC Zürich mischt die Bundesliga auf. Sein Name wird in der Auflistung der besten Torjäger zurzeit auf Rang drei geführt, knapp hinter Mario Mandzukic (17) und Robert Lewandowski (16) und weit vor Franck Ribery (9) oder Marco Reus (8). „Einfach krass“, findet Drmic seine Entwicklung, „das ist fast so wie früher auf der Playstation“. Lauter Stars. Und er.

Acht mit rechts, sechs mit links

Das Geheimnis seines Erfolgs lässt sich relativ einfach erklären: Drmic kann fast alles. Für seine Körperlänge (1,82 Meter) ist er flott unterwegs und sehr wendig, auch technisch hat er einiges drauf. Acht Treffer erzielte er mit dem rechten Fuß, sechs mit dem linken, einen mit dem Kopf, wegen seiner Vielseitigkeit ist er für die Verteidiger nur schwer auszurechnen. Und seine mentale Stärke hilft ihm dabei, auch in Stresssituationen locker zu bleiben. „Ich will mich nicht von dieser Angst bezwingen lassen“, sagt Drmic, die er eigentlich nicht haben muss, er wird ja in jedem Fall erstklassig bleiben. Schon seit längerem erkundigen sich Manager von Top-Vereinen aus dem In- und Ausland nach dem 21-Jährigen; die Frage nach einer Ausstiegsklausel in seinem bis 2017 gültigen Vertrag mit dem Club lächelte er Donnerstagnachmittag einfach weg.

Auch sein Trainer ist selbstverständlich großer Drmic-Fan, will aber die anderen nicht vergessen in seiner Beurteilung, er weiß: „Wir spielen mit elf Mann.“ Auch am Samstag ab 18.30 Uhr in Freiburg, wenn sich Drmic mit der nächsten Abwehrreihe anlegen wird. „Wir werden top bereit sein“, sagt Drmic, so wie am Mittwoch, beim 2:0 gegen Stuttgart, „wir hatten richtig Bock, Fußball zu spielen“ — besonders der junge Mann, der die Herzen der Fans buchstäblich im Sturm erobert. 

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