Eishockey-WM: Ehliz und Reimer planen den Coup

5.5.2017, 08:09 Uhr
Beim Testspiel in Nürnberg war Yasin Ehliz mit seinen drei Treffern der Matchwinner - das darf sich zum Auftakt der Heim-WM am Freitag gerne wiederholen.

© Sportfoto Zink / MaWi Beim Testspiel in Nürnberg war Yasin Ehliz mit seinen drei Treffern der Matchwinner - das darf sich zum Auftakt der Heim-WM am Freitag gerne wiederholen.

Julie Robenhymer war beeindruckt von dem Lärm in der Eishalle, sie schwärmte von den Fans, die sich nicht hinsetzen wollten und die nicht aufhörten, ihre chancenlose Mannschaft anzufeuern. Vor zwölf Jahren war sie zur Miss New Jersey gewählt worden und mit ihrem gewinnenden Lächeln stellte die Journalistin dem US-Nationalspieler Nick Bjugstad im leeren Palasesto San Giovanni die Frage, ob diese Erfahrung vor 3000 dröhnenden Tifosi Eishockey zu spielen, eine gute Vorbereitung gewesen sei für den Auftakt zur Weltmeisterschaft am Freitag. Bjugstad antwortete, dass es ein guter Test gewesen sei, sicher wollte er nett sein.

Das einzige Testspiel der USA fand am Dienstag in Mailand statt, in einer allenfalls charmanten Eishalle, die noch nicht einmal annähernd ausverkauft war. Und wahrscheinlich war auch Julie Robenhymer nicht wirklich davon ausgegangen, dass die US-Delegation genau diesen Abend dazu ausersehen hatte, um ihre Spieler auf das vorzubereiten, was sie am Freitag um 20.15 Uhr in der ausverkauften Lanxess Arena in Köln erwartet.

Coach Jeff Blashill hat Profis ausgewählt, die alle zwei Tage vor 18.500 Zuschauern auftreten. Selbst Jordan Greenway und Daniel Brickley, die beiden Studenten, die es wahrscheinlich vor allem deshalb ins Aufgebot geschafft haben, damit deutsche Journalisten von "College-Boys" schreiben können, sind es gewohnt, in großen, vollen Hallen Eishockey zu spielen. Worum es eigentlich ging, verriet Nick Bjugstad, der große Stürmer von den Florida Panthers: "Wir haben uns immerhin die Füße nass gemacht."

"Positiver Druck"

Der Erkenntnisgewinn für Marco Sturm, der diese College-Boys mit seiner Mannschaft am Freitag empfängt, ist überschaubar. Dass die USA mit Jack Eichel, Johnny Gaudreau und Dylan Larkin Weltklasse-Stürmer entsandt hat, wusste der Bundestrainer schon vor dem 5:2 gegen Italien, das am 13. Mai die kleinste Herausforderung im Spielplan des deutschen Teams darstellen sollte. Aber deutlicher kann man den Unterschied in der Erwartungshaltung zwischen diesen beiden Mannschaften vor dem Auftakt kaum illustrieren. Dort millionenschwere NHL-Profis, die die Marketingbemühungen einer einzelnen Journalistin routiniert unterstützen. Da ein ehemaliger NHL-Profi, der mit seinen Spielern die ewig gleichen Fragen beantworten muss.

"Druck?", fragte Felix Schütz zurück, der vor sieben Jahren mit seinem 2:1 in der Verlängerung des Eröffnungsspiels gegen die USA 80.000 Menschen auf Schalke glücklich gemacht hatte, "den spüre ich nicht. Keiner in Deutschland erwartet von uns, dass wir Weltmeister werden." Gewohnt pragmatisch, so wie man ihn in Nürnberg als Kapitän der Thomas Sabo Ice Tigers kennt, antwortete Patrick Reimer: "Man muss das als positiven Druck ansehen. Es wird Zeit, dass es losgeht."

"Kader ist wahnsinnig stark"

Dabei war Reimer die vollständige Vorbereitung erspart worden. Vier Wochen lang hatte Sturm Spieler und Formationen in acht Spielen getestet, deren Erkenntnisgewinn ebenfalls zu vernachlässigen ist: Deutschland hatte in Norwegen zweimal gegen Norwegen verloren, in Weißrussland eine von zwei Partien gegen Weißrussland gewonnen, in Nürnberg dank eines wie entfesselt aufspielenden Yasin Ehliz ein tschechisches Team 7:4 besiegt, das mit dem tschechischen WM-Team nur wenig gemein hatte, am Tag darauf in Mannheim trotzdem verloren und sich am Ende noch die Erfolgserlebnisse gegen Lettland geteilt.

"Die Mannschaft hat sich Woche für Woche gesteigert, und wir sind noch nicht am Ende", stellte Sturm am Mittwoch in Köln fest. Ob das reicht gegen die junge USA, gegen eine beinahe komplette schwedische Mannschaft (Samstag, 20.15 Uhr), Rekordweltmeister Russland um Superstar Nikita Kucherov (Montag, 16.15 Uhr/alle Spiele live auf Sport1)? Sturm glaubt schon, seitdem der freundliche Niederbayer das Amt übernommen hat, ist Träumen wieder erlaubt. "Meine Mannschaft hat mich verwöhnt mit der tollen WM in Russland und der Olympia-Quali. Das Ziel muss sein, daran anzuknüpfen und einen Schritt nach vorn zu gehen."

Nach dem Viertelfinale 2016 wäre das nicht weniger als das Erreichen des Halbfinales. Ernsthaft? "Der Kader", sagt Verteidiger Konrad Abeltshauser, "ist wahnsinnig stark." Julie Robenhymer wäre beeindruckt.

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