Es ist kompliziert: Daniel Tratz in neuer Rolle beim Höchstadter EC

23.8.2020, 06:00 Uhr
2018 verabschiedet, 2020 zurück: Daniel Tratz ist — mit Unterbrechungen — seit zehn Jahren bei den Höchstadt Alligators. Im Verein sieht er großes Potenzial. Das liegt auch an den treuen Anhängern.

2018 verabschiedet, 2020 zurück: Daniel Tratz ist — mit Unterbrechungen — seit zehn Jahren bei den Höchstadt Alligators. Im Verein sieht er großes Potenzial. Das liegt auch an den treuen Anhängern.

Eine Eishockey-Mannschaft zusammenzustellen ist genauso leicht wie Haushaltsgeräte zu verkaufen. Oder so ähnlich. Daniel Tratz, der Teammanager des Oberligisten Höchstadter EC, jedenfalls wagt sich an beides heran. Ein Gespräch über neue Rollen, Stress in der Transferphase und die Ungewissheit durch Corona.

Herr Tratz, Sie haben sich selbst als Teammanger angeboten?

Ja. In den vergangenen Jahren hat nicht alles gut funktioniert. Das Potential aber ist da, wenn man kleine Stellschrauben verändert, zum Beispiel beim Scouting, bei den Nachwuchsspielern oder der Kaderzusammenstellung. So habe ich gemerkt, dass ich Lust habe auf das Thema Teammanager.

"Man braucht einen Torjäger, dazu einen Spielmacher, und einen für die Drecksarbeit"

Ihr Einstieg war nicht leicht.

Ich kam genau zur Niederlagenserie im Winter. Unzufrieden war zu dieser Zeit jeder. Mitten in der Saison kann man dann allerdings kaum etwas machen. Welcher Spieler geht schon gerne zu einem Verein, der gegen den Abstieg kämpft? Für mich ging es mehr darum, was man für die Saison 2020/21 verbessern kann.

Fiel Ihnen die Umstellung vom Spieler zum Teammanager so leicht?

Vieles kann ich aus dem normalen Berufsleben übernehmen, in meinem Job geht es auch um Personalführung. Jeder Mitarbeiter hat seine Stärken und Schwächen. Die Vorgehensweise ist ähnlich, wenn man einen Hockey-Kader plant. Man braucht einen guten Torjäger, dazu einen Spielmacher, und einen für die Drecksarbeit.

Klingt einfach.

Das Menschliche kommt noch dazu! Einem muss bewusst sein, dass wir in Höchstadt nicht die finanziellen Möglichkeiten wie in Rosenheim oder Regensburg haben, alleine von den Zuschauereinnahmen her. Doch ich glaube: Das Grund-Potential ist da. Man verliert 20 Spiele in Folge — und trotzdem kommen die Zuschauer in die Halle.

Haben Sie sich auf die neue Rolle irgendwie vorbereitet?

Es ist kompliziert: Daniel Tratz in neuer Rolle beim Höchstadter EC

Es ist Learning by doing. Wenn man im Sport drin ist, weiß man, worauf es ankommt. Ich weiß, was mich als Spieler gestört hat oder was ich toll fand. Es ist nicht wie bei einem Coach, der erst einmal einen Trainerlehrgang macht. Das ist aber okay, denn vom Typ her bin ich jemand, der einfach mal drauf los arbeitet.

Sie sind ja auch nicht alleine.

Genau, im Verein tauschen wir uns aus, wir schauen uns gemeinsam Spieler an, fahren zu Tryouts.

Sie stehen ebenfalls im Kader, oder?

Wenn ich Zeit habe, gehe ich zum Training, und wenn Not am Mann ist, spiele ich auch.

2018 haben Sie den HEC verlassen, um in Schweinfurt zu spielen. Mit Ihrem Job war das jetzt nicht mehr kombinierbar?

Deshalb bin ich von Schweinfurt weggegangen, ja. Auch wenn es eine Liga drunter war, dort war ich als Leistungsträger eingeplant, da muss man schon regelmäßig ins Training kommen. Ohne Corona wäre ich aber beruflich an drei Tagen pro Woche international unterwegs, als Key Account Manager im Bereich der Haushaltsgeräte bin ich für Europa zuständig, reise nach Mailand, Madrid, London, Stockholm, Paris, Haushaltsgeräte.

"Ein Wochenende mitspielen geht immer, eine ganze Saison durchziehen eher nicht"

Ganz aufhören mit Eishockey wollten Sie aber nicht?

Es gibt immer wieder Spiele, wo es personell knapp wird. Man verliert ja nicht die Lust am Sport, schwierig ist es nur, das zeitlich unter einen Hut zu bekommen. Eine gute Selbsteinschätzung ist jetzt wichtig, zu wissen, was geht und was nicht geht. Ein Wochenende mitspielen geht immer, eine ganze Saison durchziehen eher nicht.

Viele Spieler kennen Sie als Teamkollege. Können Sie das trennen, wenn Sie als Teammanager Entscheidungen treffen müssen?

Glaube ich schon. Es läuft trotzdem immer freundschaftlich ab. Und am Ende des Tages geht es nicht um mich oder um den Spieler, sondern um den Verein. So ehrlich muss man miteinander sein.

Ist es schwierig, weil Sie ja auch noch Mitspieler sind?

Ich bin eher der lockere Typ in der Kabine, das hilft auch, um das Menschliche herauszufinden. Ich bekomme Vieles aus der ersten Hand mit. Ein Grundrespekt ist eh da, schließlich bin ich schon seit zehn Jahren im Verein. Ich drehe mich nicht von heute auf morgen um 180 Grad und versuche, der harte Hund zu sein. Da setze ich lieber auf die Eigenverantwortung der Spieler.

Sie sind relativ jung. Ein Problem?

Man muss ehrlich sein mit den Leuten und argumentieren, warum etwas ist wie es ist. Zum Beispiel bei den Gehaltsverhandlungen. Ich hätte am liebsten jedem 500 Euro mehr gegeben. Doch das geht nicht. In der Corona-Phase ist es generell schwierig, das versteht auch jeder.

"Die Ungewissheit ist die große Herausforderung"

Was ist gerade das Schlimmste?

Die Ungewissheit ist die große Herausforderung. Niemand weiß, wann, wie und ob es losgeht. Bei den Gehältern ist es eben ein Unterschied, ob er als Profi mehrere Millionen verdient und bisschen was abdrücken muss. Oder ob er in der Oberliga wie ganz normale Arbeiter bezahlt wird.

Was bedeutet das für die Kaderplanung?

Es gibt eine Corona-Klausel. Doch die Leute brauchen das Geld zum Leben. Die Frage, ob ihr Vertrag ab September oder erst im Dezember gilt, weil die Saison so spät los geht, kann niemand beantworten. Das ist für mich das große Problem. Wenn ich etwas zusage, stehe ich zu meinem Wort. Doch hier bin ich selbst abhängig von anderen.

Eine Corona-Klausel?

Der Vertrag schiebt sich auf, bis es wirklich losgeht. Der Verein muss sich auch schützen, wenn keine Spiele stattfinden, haben wir auch kein Geld. Darüber gab es aber auch keine Diskussion mit den Spielern.

Alle nehmen es klaglos hin?

Wir haben schon Spieler, die auf mich zukommen. Einer wollte eine Schreiner-Lehre beginnen und das erste Jahr finanziell durch das Eishockey ausgleichen. Dazu kommen Spieler, die sich Gedanken machen, ob sie überhaupt noch Eishockey spielen oder nicht lieber einen richtigen Job anfangen. Leistungsträger sein zusätzlich zum Vollzeitjob ist schwierig, und der Verein erwartet ja auch Leistung auf dem Eis.

Können Sie den Spielern helfen?

Wir zeigen eine Möglichkeit auf, wie eine Lösung aussehen könnte. Geld können wir nicht hergeben. Doch gibt staatliche Fördermöglichkeiten.

"Eine Transferphase wie beim Fußball gibt es beim Eishockey nicht so wirklich"

Von Fußballmanagern hört man, dass sie in der Transferphase dauerhaft am Handy hängen und super im Stress sind. Wie ist es bei Ihnen?

Ich telefoniere natürlich auch viel. Doch es wird Jahr für Jahr besser, je länger man dabei ist. Eine Transferphase wie beim Fußball gibt es beim Eishockey nicht so wirklich. Wir müssen uns nur mit dem Spieler einigen, viele Spieler haben nur Einjahresverträge. Durch ein gutes Scouweiß man schon im Novmeber oder Dezember, welcher Spieler fürs nächste Jahr interessant ist, und fängt vorzeitig an, mit ihm zu reden. Im Moment rufen die meisten an, weil sie wissen wollen, wie es mit der Saison weiter geht.

Haben Sie noch andere Aufgaben?

Ich bin dran, Kooperationen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Ein paar Spieler von uns dürfen nächste Woche bei den Ice Tigers mit der DEL-Mannschaft trainieren, die Nürnberger haben seit einer Woche wieder Eis.

"Wir können ja nicht jedes Jahr das Ziel herausgeben, Zehnter zu werden"

Welches Potential sehen Sie im Höchstadter EC?

Nach der vergangenen Saison darf man nicht zu viel erwarten. Das Saisonziel ist klar: Platz zehn, die Zwischenrunde und nicht Abstiegsrunde. Dann baut sich alles auf, Schritt für Schritt. In den nächsten zwei, drei Jahren sind die Playoffs das Ziel. Wir können ja nicht jedes Jahr das Ziel herausgeben, Zehnter zu werden.

Und sonst?

Im Moment hängt Vieles an der neuen Eishalle. Sie ist die Heimat der Spieler, durch eine neue Halle ist es auch leichter, neue Spieler zu bekommen. Dann gibt es ganz andere Möglichkeiten, auch mit neuen Sponsoren, es gibt einen Zuschauerboom. Eine zweite Eisfläche würde uns bei der Nachwuchsförderung helfen. Ziel sollte sein, auch mal wieder einen Höchstadter im Herrenteam einzubauen, in den nächsten fünf oder zehn Jahren.

"Generell bin ich zu jung und zu sportbegeistert, um gar nichts mehr zu machen"

Wollen Sie immer noch bei jedem Spiel dabei, solange es die Arbeit zulässt?

Bei den Heimspielen wahrscheinlich ja. Fährt die Mannschaft auswärts, wäre es eher eine Idee, sich auch mal andere Spiele anzuschauen, um andere Spieler zu sehen oder mit ihnen vor Ort zu reden. Macht es einfacher, wenn man dann auch die Spieler zugehen oder Kontakt halten will. Es macht keinen Sinn, Spieler zu holen, die man noch nie gesehen hat. Man muss sich immer selbst überzeugen.

Wie enttäuscht war Ihre Freundin, dass die Eishockey-Rente doch noch nicht ansteht?

Hätte sich so etwas nicht ergeben, hätte ich etwas in einer anderen Sportart gemacht. Generell bin ich zu jung und zu sportbegeistert, um gar nichts mehr zu machen. Wenn man jemanden kennenlernt in der Eishockey-Zeit, dann weiß man, woran man ist, man kennt es ja gar nicht anders.

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