eSport erobert Fürth

29.9.2017, 14:50 Uhr
eSport erobert Fürth

© Klaus Lutz

Kaum zu glauben: Innerhalb von nur 90 Sekunden ist die Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart ausverkauft. 15 000 Zuschauer schauen zu, wie sich beim World Championship Final 2015 zwei Teams à fünf Spieler in einer virtuellen Fantasiewelt bekämpfen. Die Aktionen auf der Leinwand werden bejubelt wie in einem Fußballstadion. Parallel dazu verfolgen Millionen Menschen zu Hause am Computer gebannt den Livestream. Sie alle sind große Fans eines Phänomens, das die Digitalisierung und die schnellen, technischen Fortschritte ermöglicht haben: Die Rede ist von eSport.

Das Ganze führt sogar schon so weit, dass Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sagt: "Wir schauen uns das schon sehr genau an." Es scheint also nur noch eine Frage der Zeit, bis der eSport zur olympischen Disziplin wird. Damit würde er auch automatisch als Sportart anerkannt werden.

Doch worum geht es genau? Die Bezeichnung eSport, also elektronischer Sport, gilt für alle Spiele auf der Konsole, am Computer oder am Smartphone. Einziges Kriterium: Man muss mindestens zu zweit im Wettkampf gegeneinander antreten können.

"Das größte Missverständnis ist, dass die Leute immer denken, bei eSport gehe es nur um Sportspiele", sagt Klaus Lutz, Medienpädagoge aus Fürth, der sich intensiv mit der "Gaming-Kultur" beschäftigt. Beliebt sind aber vor allem Strategiespiele, die in der Szene als "Mobas" (Multiplayer Online Battle Arena) bezeichnet werden.

Mit dem 2009 veröffentlichen Spiel "League of Legends" (LoL) ging der Stern des eSports auf, seitdem entwickelt sich die Szene rasant. Bei der LoL-WM 2016 wurde insgesamt ein Preisgeld von über fünf Millionen US-Dollar ausgeschüttet, zwei Millionen (!) allein für das Siegerteam. Und solche Preisgelder sind keine Seltenheit: Für viele Spieler ist mittlerweile ihr Hobby zum Beruf geworden. Das Zocken hat sie zu Multimillionären gemacht. Längst sind die Live-Übertragungen zu echten Zuschauermagneten geworden. So sahen die WM 2016 mehr als 47 Millionen Menschen, zeitweise waren 14,7 Millionen Fans gleichzeitig an den Bildschirmen.

Mehr Zuschauer als der DFB

Zum Vergleich: Das DFB-Pokal-Finale 2017 zwischen den Fußball-Klubs Dortmund und Frankfurt schauten nur 9,82 Millionen. Genau wie im Fußball zeigt sich im noch jungen eSport jetzt schon eine Kommerzialisierung, die in den kommenden Jahren wohl noch stärker zunehmen wird, wie Klaus Lutz vermutet.

Er interessiert sich mehr für den nicht-kommerziellen Teil der Szene. Zusammen mit seinem Sohn Philipp, der seit vier Jahren "League of Legends" spielt, hat er bereits zwei Wettkämpfe in der Aula des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums (HSG) auf die Beine gestellt. Preisgeld: zehn Euro pro Person des Gewinnerteams. Zusätzlich fanden auch schon Turniere zwischen den Jugendhäusern in Fürth statt. Die kamen ebenfalls gut an, bei diesen Veranstaltungen geht es nur um den Spaß.

Lutz heißt die Turniere aus pädagogischer Sicht gut. Die Schüler üben dabei das Planen und Organisieren, machen sich mit der Technik vertraut und nehmen die Schule ganz neu als Freizeitort war. "Die Schüler sollen gerne in die Schule gehen", ist sein Credo. Außerdem entwickeln die Mannschaften einen Teamgeist und lernen, miteinander zu spielen und aufeinander zu hören.

Da Lutz überzeugt ist, dass Computerspiele in der Jugendkultur die Zukunft sein werden, möchte er sie nutzen. "Die Frage darf nicht heißen: Was machen die Computerspiele mit den Jugendlichen, sondern was machen die Jugendlichen mit den Computerspielen?" Deshalb hat Lutz beispielsweise die Idee, eine Art Trainingslager in den Ferien zu veranstalten, bei dem die Schüler gemeinsam "zocken" können.

Vereine werden aufspringen

Der Direktor des HSG stand bisher, genau wie der Elternbeirat, hinter den Projekten. Beschwerden von Eltern gab es nur wenige. Lutz und sein Sohn Philipp, Elftklässler des HSG, gehen davon aus, dass bald auch viele Vereine neben Sportarten wie Schach und Tischtennis eSport anbieten werden. Für die kommenden Jahre plant Lutz außerdem eine Schulliga, bei der sich verschiedene Schulen, ganz egal ob Gymnasium oder Mittelschule, in Wettbewerben messen können. Was Philipp dabei so fasziniert, ist die Art, wie die Schüler die Turniere annehmen. "Sie bringen Fan-Utensilien mit und feuern ihre Mannschaft pausenlos an. Letztes Jahr hatten manche sogar Vuvuzelas und Rasseln dabei", berichtet er. Die Stimmung ist immer friedlich, auch die Fans des HSG haben sich in der Aula im vergangenen Jahr vorbildlich verhalten.

Mittlerweile gibt es auch schon Anfragen anderer Schulen, die euphorisch die ersten HSG-Turniere verfolgt haben. Deshalb möchte Lutz gemeinsam mit dem Medienzentrum Parabol und dem Jugendmedienzentrum Connect in den kommenden Jahren weitere Wettkämpfe starten. Zunächst sollen die Turniere zweimal pro Schuljahr stattfinden. Wenn die gut ankommen, könnten auch noch mehr spannende Zockerabende in den Schulen folgen. Die Schüler würden das mit Sicherheit begrüßen.

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