UEFA berät über Folgen

Nach Katastrophen-Pfiff gegen Bayern: Darf dieser Schiri keine Deutschland-Spiele bei der EM leiten?

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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10.5.2024, 18:17 Uhr
Mit einem Abseitspfiff in letzter Sekunde brachte Szymon Marciniak die Spieler und Verantwortlichen des FC Bayern gegen sich auf.

© Peter Kneffel/Peter Kneffel/dpa Mit einem Abseitspfiff in letzter Sekunde brachte Szymon Marciniak die Spieler und Verantwortlichen des FC Bayern gegen sich auf.

Mittwochabend in Madrid: Der FC Bayern liegt mit 1:2 bei Real zurück und droht aus der Champions League auszuscheiden. Tief in der Nachspielzeit bäumt sich der deutsche Rekordmeister noch einmal auf: Kimmich schlug einen langen Ball auf Müller, der für de Ligt ablegte. Der niederländische Abwehrhühne zog ab und vollstreckt ins lange Eck. Doch statt über das 2:2 und das Erreichen der Verlängerung zu jubeln, protestieren die Bayern-Spieler heftig und gestenreich - denn Schiedsrichter Szymon Marciniak hatte noch im laufenden Angriff bereits Abseits gepfiffen, weil sein Linienrichter die Fahne gehoben hatte.

Die TV-Bilder zeigten schnell: Eine mögliche Abseitsstellung war mit bloßem Auge kaum auszumachen, womöglich hatten sich weder Thomas Müller noch Matthijs de Ligt in der verbotenen Zone befunden. Ein klarer Fall also für den VAR eigentlich - doch der durfte in diesem Falle nicht eingreifen.

Denn nachdem der Linienrichter die Fahne gehoben hatte, entschied sich Marciniak, noch während des laufenden Angriffs abzupfeifen - dabei sind die Schiedsrichter dazu angehalten, Situationen wie diese bis zum Ende abzuwarten, und erst dann eine Entscheidung zu treffen, in diesem Falle auf Abseits zu pfeifen. Durch den verfrühten Pfiff beraubte Marciniak den Video-Referee der Möglichkeit, sich die Szene im Nachgang noch einmal anzusehen. Die Folge: Der Treffer zählte nicht, der FC Bayern schied im Halbfinale der Königsklasse aus.

Heftige Kritik der Bayern - Ex-Referee bewertet Szene

Auch wenn in der Wiederholung recht deutlich zu sehen war, dass die Real-Spieler nach dem Pfiff das Verteidigen eingestellt hatten und der Ball wohl auch deshalb im Tor gelandet war, protestierten die Spieler und Verantwortlichen des FC Bayern nach der Partie heftig gegen die Entscheidung des Schiedsrichters. Trainer Thomas Tuchel etwa bezeichnete den frühen Abseits-Pfiff als "absolutes Desaster. Die Spielszene muss zu Ende gespielt werden, das ist die Regel. Vor allem, wenn sie so eng am Tor ist." Thomas Müller kritisierte den Pfiff als "absolut wild" - es habe "keinen Grund" gegeben, "so schnell, so früh zu pfeifen."

Am Donnerstag hat sich nun ein ehemaliger Schiedsrichter-Kollege Marciniaks zur Situation geäußert. Babak Rafati, Ex-Bundesliga-Schiedsrichter, erklärte gegenüber dem "Sportbuzzer": Eine Szene wie diese dürfe "überhaupt nicht passieren", sei "nicht nachvollziehbar und nicht zu erklären." Rafati bezeichnete den Abseitspfiff in der laufenden Spielsituation als "kapitalen Konzentrationsfehler." Eigentlich habe Marciniak das Spiel sehr gut im Griff gehabt - bis zu jener verhängnisvollen Szene kurz vor Ende der Partie. Der polnische Referee hätte seinen Assistenten überstimmen und mit einem Pfiff warten müssen, so Rafati.

Hat Marciniaks Pfiff Konsequenzen für die EM?

Und Rafati geht sogar noch weiter: Er geht fest davon aus, dass die Fehlentscheidung gravierende Folgen für Marciniak selbst haben könnte: Der polnische Referee werde keine Partie mit deutscher Beteiligung leiten dürfen - "erst recht nicht das Eröffnungsspiel in München." Eigentlich hätte Marciniak zum Auftakt der Europameisterschaft das Spiel Deutschland gegen Schottland am 14. Juni in München pfeifen sollen. Doch dazu wird es möglicherweise nicht kommen.

Wie "Przeglad Sportow" berichtet, berät die UEFA derzeit intern darüber, wie sie am besten mit der Situation verfährt. Die polnische Sportzeitschrift schreibt sogar, dass Marciniak bei der Europameisterschaft in Deutschland wohl überhaupt keine Partien von größerer Bedeutung pfeifen darf - auch deshalb würden die Chancen, dass der Referee die Begegnung Deutschland gegen Schottland leiten wird, "bei null".

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