Eisschwimmen

Gefährlicher Trend: Für Anfänger kann Eisbaden tödlich sein

3.3.2021, 14:28 Uhr
Gefährlicher Trend: Für Anfänger kann Eisbaden tödlich sein

© Foto: Thomas Scherer

Besonders schockiert hat Oliver Halder eine Szene, die er jüngst im Internet ansehen musste: Ein Mann schneidet zwei Löcher in einen zugefrorenen See, verschwindet in dem einen und taucht aus dem drei Meter entfernten wieder auf.


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Als Administrator verschiedener Facebook-Gruppen zum Thema Schwimmen stellte er sich die Frage: "Lösche ich das jetzt oder lasse ich es stehen?" Denn zum Nachahmen empfohlen sei eine derartige Aktion nur für geübte Eisschwimmer – und für niemand anderen. "Selbst mit Sicherungsleine gehen da bei uns die Alarmglocken an", schimpft er.

Denn Oliver Halder weiß, wovon er redet. Seit 2018 veranstaltet er im Veitsbronner Veitsbad die Ice Swimming German Open für eine kleine Szene an Extremsportlern, die bei Temperaturen von knapp über null Grad gegen die Stoppuhr durchs Becken kraulen.

Was jedes Jahr – in diesem Januar fiel die Veranstaltung aus – medial große Aufmerksamkeit bekommt, animiert in diesem Lockdown-Winter einige Hobby-Schwimmer. Vom See bis zum Fluss ist in diesem Winter kein Gewässer mehr sicher vor Abenteurern auf der Suche nach dem Kälte-Kick. Das sei der ausschlaggebende Grund für Halder gewesen, Mitte Februar auf seiner Facebook-Seite einen flammenden Appell an die Öffentlichkeit zu richten.

Zehn Baderegeln für Eisschwimmer

Zehn "Baderegeln" für Eisschwimmer hat er aufgestellt: vom vorherigen Gesundheits-Check übers richtige Aufwärmen und die Vorbereitung bis hin zur realistischen Selbsteinschätzung. Dazu die klare Ansage: Eiswasser unter fünf Grad sei ein Element, das auf verschiedene Art lebensbedrohlicher sein kann als normaltemperiertes Schwimmbadwasser zwischen 20 und 30 Grad. Tödliche Badeunfälle habe es in diesem Winter bereits gegeben, bedauert der 47-Jährige.

Gefährlicher Trend: Für Anfänger kann Eisbaden tödlich sein

© Foto: Louisa Grübler/dpa

Halder lebt in Winnenden unweit von Stuttgart, die Verbindung nach Veitsbronn stellte Eisschwimm-Pionier Christof Wandratsch her, dessen Heimat-Trainingsort das Veitsbad ist. Halder verdient mit Extremschwimmen sein Geld. Er selbst hat schon mehrmals den Bodensee durchquert und begleitet professionell auch andere dabei.

Beim Thema Eisschwimmen sieht er sich als Vorreiter, die Leute sollten aber keine falschen Schlüsse ziehen: "Alle sind herzlich willkommen im Eiswasser, wir freuen uns über Zuwachs." Aber bitte mit Vernunft und guter Vorbereitung. "Es ist zu beobachten, dass derzeit viele Warmduscher den Weg in kühlere Gewässer finden. Sie vergessen, dass diese Umgebung lebensfremd ist. Das Eiswasser aber erfordert eine besondere Konstitution."

Denn es ist trügerisch: Auch wenn sich die Luft gerade angenehm erwärmt – die Gewässer sind noch lange nicht auf Badewannen-Niveau. Der Rothsee zum Beispiel hat derzeit drei Grad. Gemessen hat es die Veitsbronnerin Birgit Becher, die ebenfalls Stammgast bei den Ice Swimming German Open ist. Die 54-Jährige ist seit fünf Jahren diesem Hobby verfallen und bis Dezember hat sie auch noch ihre Bahnen im Veitsbad gezogen.

Training im Rothsee

Doch obwohl sie einen Schlüssel fürs Bad hat, um ganzjährig zu trainieren, verzichtet sie momentan aus Rücksicht auf die Situation der anderen Sportler: "Ich möchte keinen Unmut hervorrufen." Also hüpft sie eben in den Rothsee und an der Uferpromenade in die Rednitz, wo es geduldet ist. Doch hüpfen ist auch schon wieder falsch.

Denn zum Einmaleins der Eisschwimmer und Eisbader gehört laut Becher: "Auf keinen Fall springen, sondern zügig reingehen. Laut in den Bauch reinatmen – sonst verfällt man in Hyperventilation." Das ist ungefähr auch das, was sie Interessierten in ihren Sonntags-Trainingseinheiten vermittelt – normalerweise, derzeit ist es "auf Eis" gelegt. Eine weitere Regel ist, das Unterfangen nicht allein anzugehen. Und vorher noch einen Gesundheits-Check zu machen, ob das Herz gesund ist. Über diesen Mini-Trend kann sie sich nur wundern, "denn viele schreckt mein Sport ab".

Anerkennung wiederum erntet sie, wenn sie von ihren Erfolgen erzählt. Sie ist in ihrer Altersklasse amtierende Weltmeisterin im "Winterschwimmen" über 450 Meter, der Weltcup fand vor einem Jahr in Estland statt. Bei 0,5 Grad Wassertemperatur. 20 Minuten hält Becher es darin aus. Anfänger, schätzt sie, schaffen bei den aktuellen vier Grad im Rothsee zwei Minuten.


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Ihre Taktik ist jedes Jahr gleich. Wenn im Spätsommer immer weniger Gäste das Veitsbad aufsuchen und das Wasser im Herbst auf 14 bis zwölf Grad sinkt, trainiert sie einfach weiter, "dann gewöhnt man sich dran". Kaltes Wasser muss einen Kick auslösen, denn Oliver Halder gerät förmlich ins Schwärmen, wenn er es beschreiben soll, was beim Eintauchen passiert.

"Das Hirn ist komplett fokussiert auf die Lebenserhaltung." Vor dem Eintritt ins Wasser sei man damit beschäftigt, sich gegen den Schweinehund zu wehren. Im Wasser schließlich sende der Körper Botenstoffe aus, um die lebenswichtigen Organe zu schützen. "Das ist schon ein Erlebnis, das kann man schon jedem empfehlen, das mal mitzumachen." Aber bitte nicht ohne Anleitung eines erfahrenen Eisschwimmers.

Birgit Becher beantwortet gerne Fragen rund ums Eisschwimmen. Kontakt:
https://www.facebook.com/birgit.becher.7

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