Hautnah dabei gewesen: Erinnerungen an Ali gegen Frazier

8.3.2021, 06:00 Uhr
Hautnah dabei gewesen: Erinnerungen an Ali gegen Frazier

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Nur die Apollo-14-Astronauten wurden namentlich begrüßt. Alan Shepard, Stuart Roosa und Edgar Mitchell waren vier Wochen zuvor vom Mond zurückgekehrt. "Denn es sind heute Abend alle da", rief der Ansager im New Yorker Madison Square Garden der Prominenz zu. Muhammad Aalili gegen Joe Frazier, das erste Duell einer epischen Trilogie, wurde an diesem Tag, am 8.März 1971, zur Mondlandung des Boxens. Am Montag jährt sich das größte Spektakel in der Historie des Faustkampfes zum 50. Mal.

"I want Fraizaaah!"

"I want Fraizaaah!" Der Schrei Muhammad Alis aus dem Exil war von Florida bis Alaska zu hören. Joe Frazier war gerade durch einen K.o.-Sieg über Jimmy Ellis sein legitimer Nachfolger geworden. Beim ersten schwarzen Senator im Parlament von Georgia fand der seit 43 Monaten vom Boxring verbannte Champion Gehör. Leroy Johnson meinte, wenn schon ehemalige Strafgefangene eine Boxlizenz erhielten, dann müsste einem noch nicht rechtskräftig verurteilten Wehrdienstverweigerer allemal die Boxerlaubnis erteilt werden. Ali schlug Jerry Quarry in Atlanta K.o., kurz darauf in New York den Argentinier Oscar Bonavena. Das Comeback im Spätherbst 1970 war eindrucksvoll gelungen. Das Oberste Gericht hob die fünfjährige Haftstrafe auf.

"I want Fraizaaah!" schrie Ali noch lauter. In Hollywood reagierte der umtriebige Filmagent Jerry Perenchio. Der gewiefte Impresario hatte zwar nur 250 000 Dollar auf dem Konto, bot den Rivalen aber die Weltrekordbörsen von je 2,5 Millionen Dollar. Der Multmillionär Jack Kent Cooke stellte die beiden 2,5-Millionen-Dollar-Schecks für den einmaligen "Fight of the Champions" aus. Filmstar Burt Lancaster debütierte als Fernsehkommentator für die Übertragung in 370 Kinos in Nordamerika.

Das gigantische Spektakel endete mit dem knappen Punktsieg

Das gigantische Spektakel endete mit dem knappen Punktsieg Fraziers, damals 27, über Ali, 29, nach 15 dramatischen Runden in einer atemberaubenden Nacht. Welcher Zynismus, dass allein der Vietnam-Krieg dieses Jahrhundert-Spektakel ermöglichte hatte. Wegen seiner Antikriegshaltung, "ich habe nichts gegen den Vietcong. Warum soll ich für die Freiheit eines Volkes kämpfen, das ich nicht kenne, wenn zu Hause dreißig Millionen meiner schwarzen Landsleute nicht in Freiheit leben?", war Muhammad Ali geächtet, verurteilt, ihm der Titel aberkannt und die Lizenz entzogen worden.

Nun diese einzigartige Konstellation, die es so noch nie gegeben hatte und sich niemals wiederholen wird, als gesellschaftspolitische Konfrontation: Zwei unbesiegte, charismatische Champions im Duell um den höchsten Titel des Sports. "Onkel Tom" gegen Vietnam-Rebell, Favorit der Weißen gegen die Hoffnung der Schwarzen. Stier gegen Schmetterling (TIME). Doch Ali kämpfte Fraziers Kampf, als wollte er aller Welt beweisen, sich mit der Kampfmaschine auch prügeln zu können. "Von der vierten Runde an ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Clown fällt", prophezeite Frazier. Ali legte dessen K.o. – schriftlich – für die sechsten Runde fest. In dieser Runde ließ Frazier die Fäuste herabbaumeln, schob das Kinn provozierend nach vorn und lachte Ali aus. Der "Schwebe-wie-ein-Schmetterling-Stich-wie-eine-Biene-Ästhet" tanzte nicht mehr. Beim Aufschrei der 20 455 Zuschauer nach einem schweren Treffer schüttelte Ali zwar den Kopf, als wäre nichts passiert. In Runde elf aber war er nach einem linken Haken derart paralysiert, dass er zu dieser beruhigenden Geste ans Publikum nicht mehr fähig war.

"Der Größte" lag rücklings auf dem Boden

Die als die schnellsten gerühmten Füße schienen am Ringbelag festzukleben. Sie trugen ihn am Seil nicht aus der Reichweite von Fraziers wie Kolben arbeitenden Fäusten. Sie standen nach 20 Sekunden der Schlussrunde hoch in der Luft. Frazier hatte Alis Kinn voll getroffen. "Der Größte" lag rücklings auf dem Boden. Bei ,drei‘ von Ringrichter Arthur Mercante stand er wieder. Diese enorme Willenskraft fand allseits Bewunderung.


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Das berühmteste Mundwerk der Welt blieb stumm. Mit Verdacht auf Kieferbruch wurde Ali ins Krankenhaus gefahren. Was war schiefgelaufen? Norman Mailer legte mir die Hand auf die Schulter: "Son, his legs are gone." Ali habe die Schnelligkeit seiner Beine verloren. Muhammad Ali konnte sich natürlich nicht wortlos davonmachen. Eine improvisierte Pressekonferenz war er seinem Großmaul schuldig – zwölf Stunden nach der Niederlage im Bett seiner Suite im 25. Stock des Hotels New Yorker. Ein Dutzend Reporter war informiert worden. Ich war auch dabei. Ali lag im Bett, mit nacktem Oberkörper, zugedeckt mit einer Wolldecke. Die rechte Wange war stark geschwollen, als hätte er Mumps. Ali redete leise, hatte aber die Sprache wiedergefunden. Er überraschte mit der Aussage: "Ich bin der Ansicht, den Kampf gewonnen zu haben." Der Niederschlag fehlte in Alis Film. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gefallen bin. Also muss mich Joe Frazier voll getroffen haben."

Klar, dass Ali, erst 29 Jahre alt, sein Comeback ankündigte. Und wie großartig sollte "Amerikas größtes Ego" (Mailer) zurückkehren, mit den siegreichen Schlachten "Rumble in the Jungle" 1974 gegen George Foreman und "Thrilla in Manila" 1975 – abermals gegen Joe Frazier.

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