Ice-Tigers-Kapitän Reimer kämpft mit 36 für den Meistertitel

28.6.2019, 11:11 Uhr
Ice-Tigers-Kapitän Reimer kämpft mit 36 für den Meistertitel

Manchmal braucht man nicht viele Informationen über einen Menschen, um zu erkennen, mit was für einem Charakter man es zu tun hat. Im Fall von Patrick Reimer reicht eine Anekdote: Es ist der 6. März 2019, die Ice Tigers spielen ihr erstes Play-off-Spiel in Bremerhaven. Im letzten Drittel checkt der Bremerhavener Nicholas B. Jensen Reimers Teamkollegen Markus Weber hart in die Bande. Weber schlägt mit dem Kopf ein, bleibt bewusstlos auf dem Eis liegen. Der Verteidiger muss die Nacht im Krankenhaus verbringen. Als nach dem Spiel jemand gesucht wird, der mit Weber an der Nordseeküste bleibt, meldet sich Reimer sofort. "Es muss einfach nicht sein, den Jungen da mit einer Gehirnerschütterung alleine liegen zu lassen", sagt er. Die weitere Nacht im Hotel, die lange Zugfahrt durch die ganze Republik nach Nürnberg am nächsten Tag – für Reimer selbstverständlich. "Unterstützung ist nie verkehrt – gerade bei jungen Spielern."

Der 36-Jährige ist einer der besten und erfolgreichsten Stürmer in der Geschichte der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Seit 2004 spielt er in der DEL, wurde dreimal zum Spieler des Jahres gewählt, holte mit der Nationalmannschaft 2018 spektakulär olympisches Silber. Seit 2012 trägt Reimer das Nürnberger Trikot, ist inzwischen Gesicht und Seele des Vereins. "Ich hoffe, dass die jungen Spieler zu mir aufschauen – sonst hätte ich ja auch was falsch gemacht", findet er. Als Jungprofi – damals im Trikot der Düsseldorfer EG – habe er immer großen Respekt vor erfahrenen Haudegen wie Klaus Kathan oder Daniel Kreutzer gehabt. Beide sind für ihn heute noch Respektspersonen, erzählt Reimer. Inzwischen ist er selbst Routinier, kann das Spiel perfekt lesen. Als Lehrmeister versteht er sich trotzdem nicht: "Wenn ein junger Spieler ein paarmal denselben Fehler macht, dann gehe ich schon mal hin und gebe einen Tipp. Aber dieses Lehrerhafte mag ich eigentlich nicht. Ich will lieber mit gutem Beispiel vorangehen."

An Aufhören ist nicht zu denken

Das macht Reimer, auf und neben dem Eis. Auch während der Sommerpause, die mit ihren intensiven Kraft- und Ausdauereinheiten unter Eishockey-Profis nicht übermäßig beliebt ist. "Mittlerweile ist das Training für mich schöner und wichtiger als früher", sagt er. Früher hat er das Fitnessstudio auch mal geschwänzt. Das passiert ihm heute nicht mehr. Über die Jahre ist er zum Musterprofi gereift. Er habe noch immer viel Spaß am Eishockey, und sein Körper verkrafte die hohe Belastung nach wie vor gut. Nur wenn es um die Regeneration geht, merkt der Ausnahmestürmer, dass fast 900 Einsätze in der höchsten deutschen Spielklasse nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind. "Ich muss heute schon mehr auf meinen Körper achten und brauche vielleicht mal einen Tag mehr als früher, bis ich wieder bei 100 Prozent bin", räumt er ein.

Ans Aufhören denkt Reimer aber nicht. Zwei bis drei Jahre will er noch spielen, mindestens. Damit das gelingt, hat der Mindelheimer nach der Silbermedaille bei Olympia seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. Seine Konzentration gilt seitdem ganz der Liga, den Ice Tigers und der Verwirklichung seines Traumes – deutscher Meister zu werden. Bisher war ihm das nicht vergönnt. Das wurmt Reimer, dessen Ehrgeiz in wichtigen Spielen bis auf die Zuschauerränge zu spüren ist. Gelassener ist er im Laufe seiner Karriere nicht geworden: "Die eigene Erwartungshaltung lässt mich schon Druck verspüren, wie man ihn in jungen Jahren aus jugendlichem Leichtsinn vielleicht gar nicht hatte."

Am 13. September startet Reimer mit Nürnberg in die neue Saison. Was von ihr zu erwarten ist, ist angesichts des reduzierten Etats schwer zu prognostizieren. Eines aber ist sicher: Patrick Reimer wird alles für den Erfolg tun – so wie immer.

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