Marie Retzer aus Stein will bei Olympia boxen

8.8.2019, 16:20 Uhr
Marie Retzer aus Stein will bei Olympia boxen

© Foto: Lidia Piechulek

Mit fokussiertem Blick und zielstrebigem Schritt kommt Marie Retzer die Treppe zwischen den Zuschauerrängen Richtung Ring herunter. Links und rechts von ihr sitzen nur ein paar wenige Zuschauer – obwohl hier gleich eine deutsche Meisterschaft entschieden wird. Ohne Zögern steigt sie in den Ring und lässt sich den Kopfschutz aufsetzen. Der giftgrüne Mundschutz sticht aus dem komplett blauen Outfit heraus. Wenig später gibt der Ringrichter den Kampf frei.

Unter dem Namen "Die Finals – Berlin 2019" veranstalteten zehn deutsche Sportverbände zusammen mit dem Land Berlin und den TV-Sendern ARD und ZDF eine Vielzahl von Wettkämpfen in zehn verschiedenen Sportarten. Über zwei Tage hinweg wurden dabei in allen Disziplinen deutsche Meister gekürt. Die Übertragung der öffentlich-rechtlichen Sender verfolgten insgesamt 5,7 Millionen Zuschauer und auch vor Ort war ein Publikum von über 80 000 pro Tag live dabei. Marie Retzer gehörte zu den rund 3300 Athleten, die in zehn verschiedenen Sportstätten um Medaillen kämpften.

Die zweifache deutsche Jugendmeistern und zweifache deutsche Meisterin aus Stein, die zusammen mit ihrem Vater Harald in Nürnberg trainiert, trat in der Klasse bis 60 Kilogramm an. Nach der Anreise mit dem bayerischen Kader sicherte sich Retzer mit zwei ungefährdeten Siegen die Finalteilnahme in der Leichtgewichtsklasse.

Der Medienrummel und die vielen Zuschauer waren für die Boxerin vom 1. ASC Nürnberg-Süd überhaupt kein Problem: "Das ist für mich nichts Neues." Und auch ihre Finalgegnerin Maya Kleinhans war niemand Unbekanntes. Beide kennen sich aus der gemeinsamen Zeit am Bundesstützpunkt in Heidelberg.

Im Kampf jedoch war ihre Gegnerin die bessere Boxerin. Alle fünf Kampfrichter gaben Kleinhans den Sieg und kürten sie zur deutschen Meisterin. "Ich kannte sie ja schon. Ich habe mir Chancen ausgerechnet, auch wenn sie die Favoritin war", erklärt Retzer. Hinterher war ihr die Enttäuschung über den verpassten Sieg und die damit gescheiterte Qualifikation zur Weltmeisterschaft anzumerken. "Schon schade", kommentierte sie.

Auch etwas enttäuscht war die junge Athletin vom Aufbau der Veranstaltung. "Von den anderen Sportarten hat man gar nichts mitbekommen", erzählt sie. Das Boxen fand in einer Halle statt, es gab keine Möglichkeit, die anderen Wettbewerbe zu verfolgen. Das hatte Retzer sich ein wenig anders vorgestellt. Die Boxwettkämpfe gingen im Kuppelsaal über die Bühne, einem kaum belichteten runden Saal, der in den 1930er Jahren als Teil des Deutschen Sportforums erbaut wurde. Der Saal war mehrere Gehminuten vom Olympiastadion und dem Olympiapark entfernt, der Hauptsportstätte der "Finals".

Retzers Chancen auf eine Teilnahme bei der WM sind nach dem verlorenen Finale gering. Sie kommt nur als Nachrückerin infrage, sollte die deutsche Meisterin Kleinhans nicht teilnehmen können. Positiv jedoch ist für die ambitionierte Boxerin, die erst seit sechs Jahren im Boxsport trainiert, dass das keine Auswirkungen auf ihren Traum von einer Olympiateilnahme hat. Im kommenden Jahr finden mehrere Wettbewerbe statt, bei denen sie sich für Tokio 2020 qualifizieren kann.

Jetzt hat Retzer erst einmal Zeit sich zu erholen, bevor sie in den darauffolgenden Wochen mit ihren Trainern besprechen will, wie es für sie weitergeht. Nächstes Jahr will sie wieder angreifen.

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