Max Müller: Ein Hockey-Spiel gibt's noch

21.7.2017, 08:47 Uhr
Max Müller: Ein Hockey-Spiel gibt's noch

© Foto: Sportfoto Zink

Als er die ersten Spiele in der ersten Herren absolviert, steht der Papa an der Außenlinie. Aufgeregt ist er sicher. Wenn der eigene Sohn spielt, erhöht sich der Puls. Selbst bei einem, der in Nürnberg als Legende des Eishockeys gilt. Gezeigt hat es Martin Müller aber nie, hat nicht hineingerufen, nicht gestikuliert, wirkte immer besonnen, wahrscheinlich auch stolz. Irgendwann ist er dann nicht mehr zum Hockey gekommen. Das war wohl der Zeitpunkt, als Max Müller nicht mehr nur der Sohn von Martin war, dem pfeilschnellen Rechtsaußen des EHC 80, dessen Trikot noch heute als Reminiszenz unter dem Dach der Arena hängt.

Stringente Planerfüllung

Inzwischen hat Max selbst kräftig an seinem Status als Legende gearbeitet. Sein Töchterchen Margareta gluckst auf der Terrasse. Wir sitzen im Garten seines Hauses, in dem sein Vater geboren wurde und er aufwuchs. Hierhin ist er kürzlich zurückgekehrt. Max Müller ist seit einem Jahr selbst Vater, seine langjährige Freundin Annalena hat er längst geheiratet.

Kontinuität spielt in seinem Leben eine große Rolle. Er soll schon sehr früh gewusst haben, was er will – und den jeweiligen Plan verfolgte er mit einer ungewöhnlichen Stringenz. Beim NHTC, im Nationalteam, Studium und Beruf. Was er anpackt, macht er richtig. Ansonsten bliebe er sich nicht treu. "Nur von acht bis fünf zu arbeiten, würde mich todunglücklich machen. Das entspricht nicht meiner Art und Einstellung."

So wurde Max Müller früh erwachsen. Für manche Mitmenschen mag dieses Lebensgefühl langweilig klingen, für andere womöglich sogar arrogant, wenn er schon als 18-Jähriger über den Dingen stehend am Spielfeldrand eine Bundesligapartie eloquent analysierte. Das brachte ihn aber voran. Auch in der Nationalmannschaft, selbst wenn er sich nach der legendären Tiefgaragen-Mannschaftsbesprechung bei den Spielen in Peking 2008 im Abseits wähnte. "Das ist ewig weit weg", sagt er, blinzelt in die untergehende Sonne und erinnert sich doch. An jenen "Schlüsselmoment" auf dem holprigen Weg zu Gold.

Das Team hatte sich durch die Vorrunde geschleppt, Trainer Markus Weise immer wieder die gleichen Szenen in der Videoanalyse bemühen müssen. Arrivierte Akteure versicherten sich und den Mitspielern selbstgefällig ihr Engagement zur rechten Zeit.

Max Müller: Ein Hockey-Spiel gibt's noch

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In Müller brodelte es. Seine eigentlichen Vorbilder verabschiedeten sich gerade. "Ich seh’ euch nur hochspringen und verpissen", wetterte Müller über das maue Abwehrverhalten bei Ecken und viel zu viel Laissez faire und sprach jeden einzelnen Spieler direkt an. Alles machte große Augen, weil der Jungspund kein Blatt vor den Mund nahm. "Mir tut es im Herzen weh, so eine große Chance wegzuschmeißen", sagte der damals 21-Jährige noch und nahm damit seine Kollegen mit. "Ab da fuhr der Zug los." Im Finale holte das Team mit dem Küken in der Innenverteidigung Gold. Ein paar Monate später war er Kapitän der Nationalmannschaft.

"Muss das auch noch sein"

"Ich bin so leicht anzuzünden", sagt er an diesem lauen Abend. Seine Frau bringt die Kleine gerade ins Bett, Müller nippt an einem Wasser. Leicht sind die Auswirkungen dieser Erkenntnis nicht für die junge Familie. "Muss das auch noch sein", fragte seine Annalena, als er den Posten als Aufsichtsrat beim 1. FC Nürnberg übernahm. Initiator der "Goldener Ring" genannten olympischen Nachwuchsförderung für Nürnberger Athleten ist er ja auch noch, sitzt zudem im Stadtrat für die Christsozialen und wird als passionierter Jäger seiner Selbsteinschätzung als "Rudeltyp" gerecht. In der alpha-Gruppe von Gerd Schmelzer ist Müller inzwischen als Prokurist tätig. Und beginnt jetzt noch ein neues Studium, um in seinem Berufsfeld breiter aufgestellt zu sein.

Max Müller: Ein Hockey-Spiel gibt's noch

© Foto: Horst Linke

"Immobilienökonomie" in München "wird mich stressen, wird sich aber bestimmt auszahlen", glaubt er. Übermäßig Geld hat Müller mit seinem Sport ja nicht verdient. Wer im Fußball 188 Länderspiele gemacht und zwei Olympiasiege gefeiert hat, muss sich keine finanziellen Sorgen machen. Im Hockey ist das anders. Noch trägt Müller seinen Ausgehtrainingsanzug von Peking auf, wenn es am Golfplatz regnet. Dafür ist kaum Zeit, aber klar, dass er auch da als Beinahe-Singlehandicapper einen ganz gepflegten Ball spielt.

Sein Leben auf der Sonnenseite hat aber auch schattige Momente. Müller wirkt wie ein ewig Getriebener, als er von der WM 2010 erzählt, dem einzigen internationalen Titel, dem er vergeblich hinterhergejagt ist. Der Weg vom Nürnberger Norden nach Neu-Delhi ist kurz, auch wenn es schon sieben Jahre her ist. "Wir hätten das Finale gegen Australien gewinnen müssen, aber ich hab’s der Mannschaft versaut." Müller blickt in die Ferne, seine Gedanken drehen sich um eine Szene.

Es war eine Eckenvariante, eine Ablage auf den "sooo frei" stehenden Nürnberger. Ganz simpel, rechts unten sollte der Ball einschlagen. "Unspektakulär", wie Müller sagt. Aber effektiv. "Nur ich dachte, mach’ ihn links oben", erinnert er sich, und das Grauen wird wieder real: "Der Torwart wischt ihn locker weg." Jetzt ist er doch für einen Moment wieder der Hockeyspieler Max Müller.

Der verlängerte Arm des Trainers: Auch hier im Oktober 2014 wusste "der Müller" seine Mitspieler richtig auf den Gegner einzustellen.

Der verlängerte Arm des Trainers: Auch hier im Oktober 2014 wusste "der Müller" seine Mitspieler richtig auf den Gegner einzustellen. © Foto: Sportfoto Zink

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