Ashleigh Barty hört auf

Warum nur? Die beste Tennis-Spielerin der Welt beendet ihre Karriere - mit 25

Sebastian Böhm

Sportredaktion

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23.3.2022, 16:32 Uhr
Für ihren Stil wurde sie bewundert: Es gibt nicht wenige, die Ashleigh Barty als beste Tennisspielerin der Welt bezeichnen - unabhängig vom Geschlecht. 

© Dean Lewins/AAP/dpa/Archivbild Für ihren Stil wurde sie bewundert: Es gibt nicht wenige, die Ashleigh Barty als beste Tennisspielerin der Welt bezeichnen - unabhängig vom Geschlecht. 

Die Tennisspielerin Ashleigh Barty, 25 Jahre jung, Erste der Weltrangliste, tritt zurück – zwei Monate, nachdem sie in Melbourne die Australian Open gewonnen hat, ein dreiviertel Jahr nach ihrem Sieg in Wimbledon. Verkündet hat sie das in einem Video und es fällt schwer, auf den Play-Knopf zu drücken. Es kann doch nur etwas Schlimmes sein, dass diese junge Frau dazubringt, auf weitere Siege, weiteren Ruhm, auf Geld zu verzichten. Doch das Video zeigt etwas ganz anderes.

Ashleigh Barty spricht mit Casey Dellacqua, einer elf Jahre älteren, ehemaligen Tennisspielerin und ehemaligen Doppelpartnerin. Man sieht zwei Freundinnen über Tennis reden, über Lebensziele und über die beste Spielerin der Welt. Barty lacht, Dellacqua lacht.

Umarmung? Umarmung!

„Es gibt hierfür keinen richtigen Weg, keinen falschen – das ist mein Weg: Ich trete vom Tennis zurück, das ist das erste Mal, das ich das laut ausspreche. Im letzten Jahr hat sich viel für mich geändert. Wimbledon zu gewinnen, war mein Traum, dieser eine große Traum. Danach hat ich dieses Gefühl im Bauch, danach habe ich angefangen nachzudenken, habe viel mit meinem Team gesprochen und bin zu dem Schluss gekommen: Ich habe das nicht mehr in mir. Den physischen Antrieb, alles, was es braucht, um dich der absoluten Spitze zu stellen. Ich habe alles gegeben – das ist für mich Erfolg. Ich weiß, dass es Leute gibt, die das vielleicht nicht verstehen. Das ist okay.“

Am Ende weinen sie dann doch noch. Beide. „Umarmung?“ fragt Dellacqua. Und dann umarmen sie sich.

Leute, die danach immer noch nicht verstehen, kennen die erstaunliche Geschichte von Ash Barty offensichtlich noch nicht: Sie war vier, als sie das erste Mal einen Schläger in die Hand nahm. Ein Foto, das sie bei ihrem ersten Turnier zeigt, verbreitete sich in den Wochen der Australian Open im Januar auf dem ganzen Kontinent. Ihr Lächeln hat sich in den 19 Jahren danach nicht verändert. Dabei war der Weg vom Wunderkind zur Nummer eins keineswegs leicht. „Ihre Hand-Augen-Koordination war herausragend“, erzählt John Joyce, ihr Entdecker. „Aber was sie von allen anderen unterschieden hat, war ihre Konzentrationsfähigkeit.“

Ein Lebenstraum geht in Erfüllng: Ash Barty gewinnt in Wimbledon. 

Ein Lebenstraum geht in Erfüllng: Ash Barty gewinnt in Wimbledon.  © Kirsty Wigglesworth, dpa

Mit fünf besiegte sie Zehnjährige, mit neun trainierte sie mit 15 Jahre alten Jungs, mit zwölf Jahren spielte sie gegen erwachsene Männer. Mit 14 verließ sie ihr Zuhause in Queensland, ging in Europa auf Tour, gewann alles und heulte am Abend in ihr Smartphone. Sie gewann den Jugendtitel in Wimbledon, ein Jahr später war sie nur noch 27 Tage zu Hause. Und im Oktober 2015 trat sie zum ersten Mal zurück. Barty nahm sich eine Auszeit, spielte Cricket, natürlich auf höchstem Niveau. Eine Freundin war es, die ihr wieder ein Racket in die Hand drückt: Casey Dellacqua.

Wie einst Evonne Goolagong Cawley

Im Juni 2019 übernahm sie die Führung in der Weltrangliste – als zweite Australierin. Die erste: Evonne Goolagong Cawley. Wie die Aboroginie vom Stamm der Wiradjuri ist auch Barty mehr als nur eine Tennisspielern für ihr Land. Ihre Urgroßmutter stammt von den Ngarigo-Aborigines, Barty ist stolz auf ihre Herkunft. Über ihre Depressionen redete sie unbefangen. Und weil sie immer wieder bei den rauen Australian-Football-Spielen ihrer geliebten Richmond Tigers auf der Tribüne steht, die rechte Faust in den Himmel gestreckt, in der linken Hand einen Bierbecher, liebt sie das ganze Land.

Nebenbei gewann sie drei Grand-Slam-Titel, ist seit 114 Wochen die Nummer eins. Dass sie Steffi Graf (186), Serena Williams (186) und Martina Navratilova (156) womöglich noch hätte einholen können? Egal. Es gibt Wichtigeres. „Ich werde nie aufhören, Tennis zu lieben.“ Aber: „Es ist jetzt wichtig, dass ich diese nächste Phase meines Lebens genießen kann – als Ash Barty, der Mensch. Nicht als Ash Barty, die Athletin.“ Ash Barty, der Mensch, wirkt glücklich, als sie das sagt, und aufgeregt.

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