Offensiv einfallslos: Der FCN ist gefangen im Nichts

2.6.2020, 05:56 Uhr
Offensiv einfallslos: Der FCN ist gefangen im Nichts

© Foto: Daniel Marr/Zink

Auf dem kurzen Weg zum Interview kam Robin Hack an einigen Klebebandfetzen vorbei, die von seinem Torwart stammten. Christian Mathenia war vor ihm dran und verkürzte sich die Wartezeit mit Kopfschütteln und teils gewaltsamer Entfernung des Tapes an seinen Fingern und Handgelenken. Um gut vorbereitet zu sein, fragte Hack beim Pressesprecher noch kurz das Karlsruher Ergebnis gegen Sankt Pauli ab, Endstand 1:1. "Zwei Punkte" flüsterte er vor sich hin.

So viel Vorsprung hat der 1. FC Nürnberg nach wie vor auf Platz 16, auf Platz 17 sind es jetzt vier. Vier und sechs hätten es werden können und somit eine Art Sternstunde im Abstiegskampf. Gefehlt haben letztlich ein paar Zentimeter; hätte eben jener Hack in der 84. Minute nach feinem Solo nicht die Latte getroffen, sondern ins Bochumer Tor, wäre es wahrscheinlich ein knapper, aber viel umjubelter, weil wahnsinnig wichtiger 1:0-Sieg geworden und nicht ein 0:0 der ganz heftigen Sorte.


Der FCN trifft nicht: Hack hat's zweimal auf dem Fuß


Über Hacks Aluminiumtreffer, die erste und zugleich letzte große Möglichkeit des 1. FC Nürnberg im ganzen Spiel, sprachen sie hinterher selbstverständlich auch, als Erklärungen fällig waren für das in vielen Phasen unansehnliche Gegurke. Schwerfällig hatten die Nürnberger gewirkt und auffällig kreativitätsfrei; im fast schon traditionellen Risikominimierungssystem mit zwei defensiven Mittelfeldkräften und lediglich einer echten Spitze wollten sie zwar, das merkte man ihnen an, schienen aber nicht so recht zu wissen, wie.

Der Totalschaden droht

"Bissig" und "eigentlich gut drin, auch in den Zweikämpfen" sei sein Club gewesen, meinte Hack, nur wären die Beine bestimmt leichter, "wenn mal wieder einer reingeht". Weil am Samstag aber mal wieder keiner reinging, steht der Bundesliga-Absteiger nicht erst seit Samstag am Abgrund. Anders als im Mai 2019 würde die Fallhöhe im Juni 2020 allerdings zu einem Totalschaden führen.

Deswegen versuchte sich Hack noch an einer Mahnanalyse: Ein bisschen zu wenig Ballbesitz, und wenn, ein bisschen zu unruhig, zu ungeduldig. Woran das liegen könnte, ist Hack noch gefragt worden. Eine konkrete Antwort blieb auch er schuldig. Für seinen Trainer und für den Sportvorstand ist das Glas trotzdem halbvoll; verbale Versuche, nicht alles schwarz zu malen, sondern sogar überwiegend bunt, werden offenbar prophylaktisch eingesetzt, um unerwünschte Nebenwirkungen der Krise zu hemmen. "Wichtig war, dass wir hinten stabil standen", hob Jens Keller hervor, der offenbar nicht zur Diskussion steht. Robert Palikuca ist es jedenfalls "zu einfach, den Trainer infrage zu stellen", sagte er anderntags in einem Interview mit nordbayern.de, "er arbeitet wie ein Besessener, stellt die Mannschaft gut auf den nächsten Gegner ein".

"Tut natürlich weh"

Tatsächlich hatte Bochum bis auf drei Abschlüsse in der zweiten Halbzeit nicht viel zu bestellen, aber eben auch wenig Mühe, den Club vom eigenen Strafraum fernzuhalten. Die allermeisten Angriffe liefen letztlich nach dem gleichen, einfach zu verteidigenden Schema ab: Entweder gleich ein weiter Schlag nach vorn in die Mitte oder erst ein weiter Schlag nach links oder nach rechts, von wo die Kugel häufig überallhin getreten wurde, nur eben nicht dahin, wo es irgendwie gefährlich hätte werden können.

Welchem konkreten Plan die Eröffnungen folgen sollten, blieb ein Rätsel, nicht aber, dass es einen gibt. Keller habe sogar "einen klaren Plan", versicherte Palikuca am nächsten Tag. "Und die Mannschaft steht hinter ihm."


Eng, enger, Abstiegskampf: Schafft's der FCN noch?


Einen Plan B vermisst man allerdings, ebenso die Bereitschaft, nominell wie taktisch mal etwas Überraschendes auszuprobieren, mutig zu sein. Der Club ist ziemlich langweilig geworden und hängt vielleicht auch deswegen da unten drin. "Ich glaube schon", sagte Keller nach der bedenklichen Nullnummer, "dass man gesehen hat, dass wir unbedingt gewinnen wollten."

"Wir spielen für einen großen Traditionsverein"

Den Eindruck hatte der Trainer gewiss nicht exklusiv, wenngleich es doch ziemlich schwerfiel, auf dem Weg nach vorn so etwas wie Zielstrebigkeit oder eine gemeinsame Idee auszumachen. "Herbeigesehnt" habe er das Tor, sagte Torwart Mathenia, der kurz vor Schluss und in ungefähr 80 Meter Entfernung beinahe ausgeflippt wäre, als Hack und der ganze Club verzweifelten, auch wenn, wie Mathenia fair zugab, das Unentschieden in Ordnung ging. "Nichtsdestotrotz tut es uns im Abstiegskampf natürlich weh."

Nichtsdestotrotz betonte auch er seine Zuversicht; "lebhafter" sei die Nürnberger Elf gewesen als zuletzt, fand Mathenia, "kommunikativ auf einer anderen Höhe unterwegs". Aber natürlich: der Druck. "Wir spielen hier für einen großen Traditionsverein", sagte Mathenia noch. Bloß wie.

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