Pizza für Rennfahrer: Ein "Laufer Italiener" kocht für die Stars

29.12.2019, 06:00 Uhr
"Zu einem gemeinsamen Foto sagt keiner nein": Francesco Critelli, hier mit Fußballtrainer José Mourinho.

© Foto: privat "Zu einem gemeinsamen Foto sagt keiner nein": Francesco Critelli, hier mit Fußballtrainer José Mourinho.

Wo Critelli kocht, gehen die Stars ein und aus. Dabei hat der 46-Jährige weder ein Sternerestaurant am Berliner Kurfürstendamm, noch gehört er zu den Johann Lafers und Alfons Schuhbecks dieser Welt. Und obwohl die wenigsten der Stars und Sternchen seinen Namen kennen dürften, haben viele von ihnen schon mit Critellis italienischen Spezialitäten ihren Gaumen verwöhnt.

Der Italiener ist Koch bei einem Formel-1-Team, zuständig für das Essen der Fahrer und Teammitglieder – und eben auch der bisweilen sehr prominenten Gäste des Rennstalls. Seit 2015 reist er im Tross der Königsklasse des Motorsports um die Welt. Bei 16 Rennen war er in der Saison 2019 dabei, kommendes Jahr werden es 18 sein. "In Europa sind wir meistens 13 Leute in der Küche und nochmal 13 im Service. Bei Rennen in Übersee sind es deutlich weniger", erklärt Critelli. Welcher Rennstall sein Arbeitgeber ist, darf er nicht sagen. Wie alle seine Kollegen musste er eine entsprechende Vereinbarung unterschreiben – niemand soll mit dem Namen des Teams Werbung in eigener Sache machen können. Nur so viel: Es ist noch nicht allzu viele Jahre her, dass Critellis Team viermal in Folge den Formel 1-Weltmeister stellen konnte.

Mehr Zeit für die Familie

Vor fünf Jahren hat er das Angebot für diesen außergewöhnlichen Job bekommen, seine "Pizzeria Calabria" in Lauf, die er von 2004 bis 2014 erfolgreich geführt hatte, gab er daraufhin auf. "Mit dem Restaurant habe ich insgesamt besser verdient, aber heute habe ich mehr Zeit für die Familie. Das ist unbezahlbar."

Zwar sind die Reisen zu den Rennstrecken in aller Welt oft strapaziös, Jetlag inklusive, aber während der Rennpausen ist er immer wieder eine oder mehrere Wochen am Stück zu Hause bei Frau und Tochter in seiner Laufer Wohnung. Doch den ganzen Tag daheim sitzen, das passt nicht zu ihm. Critelli ist ein Arbeitstier, will immer dazulernen, neue Erfahrungen machen, besser werden: "Im Dezember und Januar gehe ich oft auch in deutsche Lokale und helfe dort aus. Da kann man was lernen, und ich nehme neue Ideen mit zur Formel 1." Pizza und Pasta kann er ja schon perfekt, da macht ihm keiner mehr was vor, aber der Kontakt zur gutbürgerlich-fränkischen Küche erweitert seinen kulinarischen
Horizont.

Ungeplant geblieben

Über 25 Jahre ist es her, dass Critelli nach Deutschland kam. Damals, kurz nach dem Abitur, wollte er nur drei, vier Monate bleiben, ein wenig Geld verdienen, um sich dann im heimischen Kalabrien ein Auto kaufen zu können. Zwei seiner Brüder führten ein Restaurant in Nürnberg, dort hat er gelernt, wie Gastronomie funktioniert. "Nach sechs Monaten in Deutschland hätte ich eigentlich zurück nach Italien zum Wehrdienst gemusst. Aber mir ging es hier gut, ich hatte ein Auto und eine Wohnung", erzählt er. Also blieb Critelli – bis heute.

Der italienischen Küche ist er treu geblieben – auch in der Formel 1 kümmert er sich meist um Pizza und Pasta. In der Regel gibt es ein Buffet für Team und Gäste, die Fahrer werden gesondert bekocht. "Die haben einen eigenen Physio, der ist so etwas wie bester Kumpel und Mutter gleichzeitig. Der gibt uns die Wochenpläne für die Fahrer. Dort steht zum Beispiel, wie viel Salz im Essen sein darf und wie viel Gramm Fleisch es diese Woche geben darf." Die meisten seien im persönlichen Kontakt sehr nett, berichtet Critelli, auch die Piloten anderer Teams. Zu einem gemeinsamen Foto sagt keiner nein.

Koch und Sportler

Der Italiener mag seinen Job im bekanntesten Wanderzirkus der Welt. Doch der Rummel um die VIPs, die Reisen quer über den Globus, die rund 1000 PS starken Boliden – mit der Zeit wird selbst die Formel 1 zur Routine. "Letztes Jahr dachte ich, dass ich vielleicht aufhöre", gibt der Italiener einen Einblick in seine Gefühlswelt. Sogar ein paar Immobilien in Lauf hat er sich schon angeschaut. Wieder ein kleines Restaurant zu haben, das würde ihm gefallen. Und auch seinen ehemaligen Stammkunden: "Ich werde auf der Straße immer wieder angesprochen, wann ich zurückkomme." Bald wahrscheinlich, aber 2020 noch nicht. Da geht es noch einmal mit der Formel 1 nach Malaysia, Singapur oder Suzuka.

In Sachen Fitness muss sich der drahtige Mittvierziger übrigens nicht verstecken vor denen, die im Cockpit sitzen. Critelli war und ist selbst ein erfolgreicher Sportler. Der Ultramarathon, bei dem die Läufer weit mehr als die klassische Marathondistanz von 42 Kilometern zurücklegen, war seine Leidenschaft. 2003 hat er sogar den Europacup in dieser Disziplin gewonnen – eine Serie von sechs Rennen über je mindestens 50 Kilometer. In der Endabrechnung war in seiner Altersklasse keiner so schnell wie der damals 30-Jährige. Heute läuft er noch mindestens dreimal die Woche, hin und wieder auch einen Marathon – trotz des stressigen Jobs an Rand der prestigeträchtigsten Rennstrecken dieser Welt. So viel Trainingsfleiß dürfte selbst José Mourinho beeindrucken.

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