Spätes Glück für den Schweizer Franken

28.5.2010, 00:00 Uhr
Spätes Glück für den Schweizer Franken

© dpa

Der Trainer der Schweiz lud Bunjaku zur Nationalmannschaft ein – einen Stürmer, der genau ein Jahr zuvor im Steigerwaldstadion von Rot-Weiß Erfurt mit 0:1 gegen Kickers Emden verloren hatte. Dritte Liga, 7000 Zuschauer. Zwei Monate später holte ihn der 1.FC Nürnberg, zu dessen Aufstieg Albert Bunjaku als Reservist ein bisschen beitragen durfte: Auf sechs Einwechslungen brachte er es in der zweiten Liga – ehe eine Saison begann, die dieser bis dahin unbekannte Albert Bunjaku, geboren im Kosovo und aufgewachsen in der Schweiz, vermutlich auch sein Leben lang nicht vergessen wird.

Zwölf Bundesliga-Tore

Zwölf Bundesliga-Tore, zwei Länderspiele – und eine mehr als leise Hoffnung, im Sommer beim größten Sportereignis der Welt dabei zu sein. »Einen Traum« nannte Bunjaku die Weltmeisterschaft in Südafrika, darauf freuen wollte er sich aber lieber noch nicht richtig. Albert Bunjaku hat oft genug erlebt, was im Fußball alles passieren kann, so oder so.

Am 11. Mai 2010 meldete sich Hitzfeld tatsächlich wieder – und diesmal mit schlechten Nachrichten. Im WM-Team war doch kein Platz für Bunjaku; er solle sich aber für den Fall der Fälle »auf Abruf bereit« halten, sagte Hitzfeld. Gestern rief er noch einmal an: Der Fall der Fälle war eingetreten.

Nach dem WM-Aus für Marco Streller vom FC Basel – der Ex-Bundesligaprofi zog sich einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu – suchte Hitzfeld Ersatz und brauchte, laut Schweizer Medien, keine fünf Minuten, um sich an den Nürnberger zu erinnern. Mit 26 Jahren erlebt Albert Bunjaku jetzt den nächsten Höhepunkt einer Karriere, die schon fast gescheitert schien, als er, nach Deutschland gekommen vom FC Schaffhausen, beim Zweitligisten SC Paderborn im Sommer 2006 bloß noch Reservist war – und dann wieder einmal erlebte, was im Fußball so alles passieren kann.

»Ein interessanter Spieler mit Schweizer Pass«

Den Wechsel aus Paderborn nach Erfurt vermittelte Arijeta Bunjaku, in deren Boutique die Gattin des Erfurter Trainers einkaufte. Der suchte einen Stürmer, die gelernte Krankenschwester Arijeta Bunjaku kannte einen – ihren Mann, den sie schon mit 15 Jahren in der Schule kennenlernte. Und beim damaligen Regionalligisten Erfurt fiel Albert Bunjaku, der neben dem Platz ein zurückhaltender Mann und angenehmer Gesprächspartner ist, erstmals auch Hitzfeld auf.

Jürgen Klinsmann, Hitzfelds Nachfolger beim FC Bayern, spielte zu seiner persönlichen Premiere im August 2008 mit den Münchnern im Pokal bei Rot-Weiß vor und schrammte nur knapp an einer Blamage vorbei. Eingewechselt für einen gewissen Tino Semmler, glückten Bunjaku zwei Tore; nur mit viel Mühe gewann der FC Bayern 4:3 – und Hitzfeld erzählte später, er habe an diesem Fernseh-Abend »einen interessanten Spieler mit Schweizer Pass« gesehen.

Im Zeitraffer

Noch war es die dritte Liga. Viel lernen, hart arbeiten, sich nicht entmutigen lassen: So, erzählte Bunjaku einmal, sehe er sich als Profi, und in der Schweiz hat es ihm viel Anerkennung eingebracht, dass er tatsächlich nicht aufgab. Wer es in Deutschland nicht schafft, schrieben Zeitungen, macht es sich gern in der eidgenössischen Liga bequem, und es hatte ja lange genug danach ausgesehen, als ob es Bunjaku nicht ganz schaffen würde.

Am 16. Juni in Durban wird Albert Bunjaku zum WM-Auftakt gegen Europameister Spanien wahrscheinlich sogar auf dem Platz stehen. Eren Derdiyok, erklärte Hitzfeld gestern, übernimmt Strellers Position in der Spitze; Bunjaku könnte auf der rechten Seite gesetzt sein – nach zuletzt neun Spielen ohne Torerfolg im Nürnberger Trikot. Im ersten Relegationsspiel gegen Augsburg verschoss Bunjaku sogar einen Elfmeter; die Aussichten auf eine WM-Teilnahme schienen zuletzt Woche für Woche doch wieder zu sinken. Ein bisschen war es, als würde Albert Bunjaku seine erstaunliche Karriere noch einmal im Zeitraffer zu erleben – und wieder kam das Glück mit Verspätung.