Sportliches Hobby: Fürths Mavraj boxt wieder

29.12.2020, 06:00 Uhr
Sportliches Hobby: Fürths Mavraj boxt wieder

© Wolfgang Zink

Es sind harte Hände, die Mergim Mavraj da schlägt. Links, links, rechts, die Fäuste fliegen, die Wände im verwaisten Sportcentrum am Kohlenhof werfen den Schall gnadenlos zurück. Es knallt mit jeder Sekunde noch ein wenig lauter. Mavraj, der Abwehrchef der Spielvereinigung Greuther Fürth, hat eine neue Liebe entdeckt. Für sich, für seinen Körper. Ein Fußballprofi auf Abwegen? Mitnichten. Das wird schnell klar.

Mavraj hatte an diesem Tag kurz vor Weihnachten zuvor schon Training. Auf dem derzeit nicht ganz so grünen Rasen. Ein wenig dehnen, auslaufen, massieren lassen. Die Nachbesprechung nach dem letzten Spiel. Fürth ist gerade Dritter, es läuft in der Liga. Mavraj, selbst wenn er seinem ersten Saisontor noch hinterherrennt, könnte sich entspannt zurücklehnen. Aber der gebürtige Hanauer mit den albanischen Wurzeln ist ein ewig Getriebener. Still sitzen, Stunden am Handy verbringen, die nächste Serie auf Netflix – damit kann der erfahrene Profi wenig anfangen. Links Chap, Haken, Gerade – der Trainer gibt die Kommandos, und Mavraj schwitzt mächtig im Ring.

Mehrmals in der Woche nimmt der ehemalige Kapitän der albanischen Nationalmannschaft das Angebot einer speziellen Übungseinheit wahr. Trainiert werden darf in diesen Tagen nur einzeln, mit Gym-Besitzer Alexander Awdijan ist der Fußballprofi längst gut befreundet. Schon in seiner ersten Zeit beim Kleeblatt versuchte sich Mavraj als Boxer, vor ein paar Monaten lebte der Kontakt wieder auf, seitdem ist der Abwehrspieler kaum mehr zu bremsen. "Den kriegst du nicht müde", sagt Awdijan so, als müsste er mit dem Engagement des Freundes verbal mithalten.

Muss er gar nicht. Die Begeisterung seines Schützlings ist beinahe greifbar. Nach dem Aufwärmen geht es für ein paar Minuten an den Sandsack. Basistraining für Boxer. Awdijan zieht derweil die sogenannten Pratzen an. Die sind zwar gepolstert, fangen die Wucht der Schläge aber auch nur bedingt auf. Mavrajs Fäuste fliegen, der Trainer gibt die speziellen Kombinationen vor. Die weißen Handschuhe prasseln regelrecht nieder auf die schwarzen Pratzen. Es knallt, immer und immer wieder. Bis Awdijans Hände genug haben. "Mergim arbeitet sehr diszipliniert, und er ist körperlich sehr fit, aber eben auch mental", zollt ihm der Box-Trainer großen Respekt.

Der erfahrene Fußballprofi hat im Herbst seiner Karriere noch einmal etwas Neues für sich entdeckt. Weg vom Kollektivgedanken einer Mannschaft, hin zum Individualsport. "Als ich jung war, hat mir noch das Verständnis dafür gefehlt, dass die Fitness auch im Fußball eine große Rolle spielt", erinnert sich Mavraj an die Zeiten, in denen ihm Auge, Technik und Basiskondition auf den Plätzen der ersten und zweiten Liga in Bochum, Fürth, Hamburg und Köln genug waren.

Jetzt ist er 34 Jahre alt. Was im Umkehrschluss nicht heißt, irgendwie nachzulassen. Im Gegenteil. Was als Verletzungsprophylaxe begann, ist inzwischen längst Passion. "Man merkt, wie es einem gut tut", sagt Mavraj über einen Teil seiner Motivation. Der andere zielt auf die Psyche: nicht stehenbleiben, sich weiterentwickeln, an eigenen Defiziten arbeiten. So tickt der Mann. Und in dem "sehr familiären Umfeld fühle nicht nur ich mich sehr wohl", gibt der Profi die Komplimente artig weiter.

Im Ring wartet schon wieder sein Trainer. Zweite Runde Pratzentraining. Mavrajs Augen haben sich zu Sehschlitzen verengt, sein Fokus ist klar. Ein Aufwärtshaken noch, eine Links-Rechts-Kombination. Beiden Athleten ist die Anstrengung anzusehen. Sie atmen schwer und sehen gleichzeitig doch ungemein glücklich aus.

"Du brauchst im Sport immer einen Mentor, von dessen Ratschlägen du lernst", erklärt Mavraj. Sein Freund und Trainer steht ein paar Meter weiter, hebt das Shirt und präsentiert lachend seine Bauchmuskeln. So könnte sich menschgewordener Stahl anfühlen. "Mergim motiviert mich auch", sagt Awdijan. Fußball und Boxen spielen manchmal eben Doppelpass.

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