Kleine Analyse

Drei Torschüsse in 180 Minuten: Offensive Flaute beim Kleeblatt

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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16.3.2022, 06:00 Uhr
Elf Tore im Aufstiegsjahr, nur zwei in der Bundesliga: Auch Havard Nielsen (Mitte) tut sich derzeit schwer.

© Sportfoto Zink / Melanie Zink, Sportfoto Zink / Melanie Zink Elf Tore im Aufstiegsjahr, nur zwei in der Bundesliga: Auch Havard Nielsen (Mitte) tut sich derzeit schwer.

Manchmal können Zahlen die Realität ganz schön verzerren. Als die Spielvereinigung Greuther Fürth zuletzt in der Bundesliga beim VfL Bochum zu Gast war, hatten die Statistiker hinterher neun "Torschüsse" notiert. Das sah nach einem ganz akzeptablen Nachmittag aus, erst beim genaueren Blick wurde deutlich, dass das Kleeblatt nur zweimal auf das gegnerische Tor geschossen hatte, die anderen Versuche gingen entweder vorbei oder drüber.

Am Sonntag gegen Leipzig stand am Ende sogar nur ein Versuch "auf das Tor" - der aber hatte immerhin zum frühen 1:0 geführt. In den restlichen 86 Minuten erlebte der Leipziger Torhüter Peter Gulacsi einen sehr erholsamen Abend, Gefahr für sein Tor drohte keine mehr. Drei Torschüsse in 180 Minuten Fußball sind, das wissen natürlich auch alle Verantwortlichen beim Kleeblatt, viel zu wenig, um in der Bundesliga Spiele zu gewinnen. Noch dazu bei einer Abwehr, die in 26 Spielen 70 Gegentore zugelassen hat.

Bei der Suche nach Gründen für die offensive Flaute kann man bis in den Sommer vergangenen Jahres zurückgehen. Damals sagte Trainer Stefan Leitl im Interview mit dieser Redaktion einen bemerkenswerten Satz. „Wir dürfen uns nicht verändern – und wir können es auch gar nicht, weil wir keine Mannschaft haben, die sich nur hinten reinstellt“, erklärte Leitl damals – musste im Laufe der Zeit aber feststellen, dass es ohne tiefgreifende Veränderung nicht geht. Seit einigen Monaten lässt er seine Mannschaft deshalb doch viel tiefer verteidigen. Das brachte zwar für Fürther Verhältnisse viele Punkte, sorgt aber auch dafür, dass die Wege zum gegnerischen Tor viel weiter sind als früher.

Das war auch bei Jamie Lewelings Treffer gegen Leipzig gut zu sehen. Der Angreifer blickte auf seinem Weg in den gegnerischen Strafraum nach oben – und fand keinen seiner Mitspieler, weil diese weiter hinten auf dem Feld unterwegs waren. Die sogenannte „Boxbesetzung“, also die Zahl und Positionierung der Spieler im Sechzehnmeterraum, war zu Zweitligazeiten oft eine sehr gute, weil auch die Mittelfeldspieler Sebastian Ernst, Julian Green und Paul Seguin dank der offensiven Spielweise meist sehr nah am gegnerischen Tor standen.

Ernst, der inzwischen in Hannover spielt, schoss damals genauso wie Seguin sieben Tore, Green sogar neun, hinzu kamen 16 Treffer von Branimir Hrgota und elf von Havard Nielsen. Seguin und Green haben in der Bundesliga noch kein einziges Mal getroffen, Nielsen steht nach 26 Spieltagen bei zwei Treffern – und Dickson Abiama, der mit sieben Toren bester Joker der zweiten Liga gewesen war, wartet noch auf seine Premiere in der ersten Liga.

Einzig Hrgota, der mit acht Treffern bester Fürther Scorer ist, kommt annähernd an seine Werte aus der Aufstiegssaison heran. Manchmal bilden Zahlen die Realität also auch ganz gut ab.

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