"Take the Bridge": Ein Rennen über die Brücken Nürnbergs

23.2.2021, 10:58 Uhr
m Laufschritt über den Kettensteg: Zwei Teilnehmer des Rennens „Take the Bridge“ im winterlichen Nürnberg.

© Clement Letreguilly, NN m Laufschritt über den Kettensteg: Zwei Teilnehmer des Rennens „Take the Bridge“ im winterlichen Nürnberg.

Die Stadt liegt verlassen da an diesem winterlichen Abend, im Mondschein thront die Burg über Nürnberg. Die Straßen sind menschenleer, doch dann tauchen sie auf. Erst sieht man nur die Füße, eingepackt in Laufschuhe, dann auch immer mehr Menschen. Sie laufen durch die Fußgängerzone, vorbei an den leuchtenden Schildern, die sonst zum Konsum einladen. Die Musik im Hintergrund ist dramatisch, die Menschen überqueren den Kettensteg und sprinten fast durch die Altstadt.

Das einminütige Video, das der Nuremberg Track Club (NTC) auf Instagram gepostet hat, endet mit einem Blick in den U-Bahnhof Lorenzkirche – und einer quietschenden Rolltreppe. Was das mit Sport zu tun hat? Sehr viel. Denn der kurze Clip ist der Rückblick auf das Straßenrennen "Take the Bridge" (Nimm die Brücke), das der NTC vor ein paar Tagen veranstaltet hat.

Das erste Rennen unter diesem Namen fand 2013 in New York statt, die Läufer liefen keine gewöhnlichen Strecken, sondern über die Brücken der Stadt. Während der Wochenenden, an denen der New-York-Marathon viele Läufer anlockte, "wurden nationale und international Running Crews zu diesen Rennen eingeladen", erzählt Marko Raboldt vom NTC. So hat sich Take the Bridge (TTB) in den Vereinigten Staaten immer weiter ausgebreitet, die Organisatoren wollen "nun das internationale Netzwerk von Independent-Läufern weiter ausbauen", so Raboldt.

"Wir sind ein wilder Haufen"

Independent, unabhängig, wollen sie auch beim NTC sein. Sie haben bewusst keinen Verein gegründet oder sich einem solchen angeschlossen. Vor knapp zwei Jahren trafen sich drei Leute zum gemeinsamen Laufen, ein paar Monate später waren schon 40 Menschen dabei, inzwischen tauschen sich in der WhatsApp-Gruppe knapp 90 Läuferinnen und Läufer aus. "Wir sind ein wilder Haufen", sagt Raboldt, "anfangs hatten wir den Ruf, zu ambitioniert zu sein, aber wir sind offen für alle und wollen eine gewisse Kultur entwickeln."

Wie diese Kultur aussehen kann, hat der NTC im vergangenen Jahr immer öfter gezeigt. 2020 haben sie, trotz aller Lockdowns und Beschränkungen, "bestimmt zehn Rennen organisiert", erzählt Raboldt, "das ging bis zu einem Marathon am 3. Oktober." Oft haben sie sich die Gegend rund um den Dutzendteich dafür ausgesucht, Abstandhalten ist beim Laufen ja ohnehin kein Problem. Die Zeiten stoppt jeder selbst über die App "Strava", so entsteht ein gemeinschaftliches Erlebnis, das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein – obwohl man alleine läuft.

In Grenzbereiche

In den vergangenen Monaten sind sie natürlich weiterhin gelaufen, jeder für sich, manchmal auch zu zweit – und immer nach den Trainingsplänen, die erfahrene Läufer oder Coaches jede Woche vorgeben. "Als Läufer geht man gern in Grenzbereiche", sagt Marko Raboldt, der selbst schnell viel besser wurde.

Über Läufer, die bei den großen Herzogenauracher Sportartikelherstellern arbeiten, kam der Kontakt zu den Erfindern von "Take the Bridge" zustande. Also haben sie sich einfach mal beworben, um ein Rennen in Deutschland auszurichten. Neben fünf US-Städten wurde zuletzt in Mexico City, Barcelona, Amsterdam, Melbourne und Nürnberg gelaufen.

"Die Organisation war eine Herausforderung, weil das Rennen völlig Corona-konform ausgerichtet werden musste", erzählt Raboldt. "Wir wussten, dass es kein normales Rennen geben wird, also haben wir versucht, ein Konzept zu entwickeln, das die Spannung bei allen Läufern hochhält." Erst einen Tag vor dem Rennen wurde allen 30 Läufern, die zuvor einen Startbeitrag gezahlt hatten, die persönliche Startzeit und der genaue Startpunkt mitgeteilt – und dann ging es los. Quer durch die dunkle Altstadt, über Fleischbrücke und Kettensteg, vorbei am Weißen Turm und der Lorenzkirche.


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"Wir wollten demonstrieren, dass man auch in dieser äußerst limitierenden Situation ein Event durchführen kann", sagt Raboldt. Die Sieger haben sie hinterher ausgewertet, eine kleine virtuelle Siegerehrung veranstaltet und so gemeinsam, allein und doch gemeinsam, etwas Schönes in schwieriger Zeit erlebt.

Damit das auch andere Menschen in der Stadt können, "werden wir einen beträchtlichen Betrag sowie Sport-Sachen an ,Sport integrativ‘ spenden", sagt Raboldt. Mit diesem Projekt unterstützt die Stadt Sportvereine, die mit ihren Angeboten geflüchteten Menschen bei der Integration in Nürnberg helfen.

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