Trotz Pudelwohl-Gefühl beim FCN: Leibold lässt alles offen

16.1.2018, 10:04 Uhr
Trotz Pudelwohl-Gefühl beim FCN: Leibold lässt alles offen

© Sportfoto Zink

Herr Leibold, was würden Sie von einem Interview halten, das inhaltlich etwas wegführt vom Tagesgeschäft?

Leibold: Gerne, nur zu. Auch mal nicht schlecht.

Schambeinbedingtes Grübeln

Aus psychologischer Sicht haben Sie schon fast alles erlebt, was ein Fußballer erleben kann, richtig? Vor einem Jahr zum Beispiel waren Sie mit ihrer verschleppten Schambeinentzündung ganz, ganz weit weg. Was haben Sie da gefühlt, gedacht?

Leibold: Wenn ein Spieler eine langwierige Verletzung hat, kommt man schon irgendwie ins Grübeln und denkt auch über andere Sachen nach als nur über Fußball.

Über was zum Beispiel?

Leibold: Was passiert, wenn’s gar nicht mehr klappen sollte? Wenn's immer schlimmer werden sollte? Wenn nicht mal eine Operation helfen würde? Wie könnte es dann weitergehen? Es war eine komplizierte Zeit für mich. Ein richtiges Tal. Deshalb bin ich heilfroh, dass es jetzt langsam wieder aufwärts geht.

Hatten Sie auch ein bisschen Angst, dass es von heute auf morgen vorbei sein könnte mit dem doch angenehmen Leben als Profi?

Leibold: Angst nicht. Aber klar, irgendwie hat man so eine Befürchtung, weil man schon viel gehört und gelesen hat über solche Verletzungen. Ich wusste, dass ich Zeit brauchen würde. Am schlimmsten war die Ungewissheit. Weil niemand sagen konnte, wann ich wieder schmerzfrei sein würde. Trotzdem war ich eigentlich immer positiv gestimmt.

Wer oder was hat Ihnen in den fünf, sechs Monaten am meisten geholfen?

Leibold: Der Kontakt zur Familie ist gerade in einer Ausnahmesituation immer hilfreich. Wenn man da jemanden hat, der einem Rückhalt gibt, egal ob man verletzt ist oder gesund, tut das einfach gut.

Hat diese Phase mit Ihnen etwas gemacht, etwas ausgelöst?

Leibold: Natürlich hat ein Umdenken stattgefunden.

In welche Richtung?

Leibold: Dass man nur einen überschaubaren Zeitraum hat, um professionell Fußball zu spielen. Den gilt es, bestmöglich zu nutzen. Vielleicht hab’ ich davor etwas geschlampt, auch mit der Operation, die ich nicht erst in der Sommer-Vorbereitung hätte vornehmen lassen sollen, sondern schon in der Pause davor. Es war mir eine Lehre. So etwas wird mir nicht mehr passieren.

Freigeist und Fitness 

Haben Sie in Ihrem Leben etwas verändert, Konsequenzen gezogen?

Leibold: Ich mache mir mehr Gedanken. Früher bin ich auf den Platz und hab’ gebolzt, ein kleiner Freigeist. Jetzt sind auch die Ernährung oder Regeneration viel wichtiger, Prävention, auch die freien Stunden versuche ich, sinnvoller zu nutzen. Damit man nicht komplett verblödet, um es etwas überspitzt zu formulieren.

Wenn man Sie beobachtet, könnte man glauben, dass Sie sich weniger Gedanken machen und lockerer geworden sind. Täuscht der Eindruck?

Leibold: Kann man auf der anderen Seite auch so sehen. Mit dem Pommes (Kevin Möhwald, d. Red.) hab' ich einen Superspezl, mit ihm verstehe ich mich einfach, aber nicht nur mit ihm. Wenn ich auf dem Platz stehe, bin ich ein Strahletyp, versuche, gute Laune in die Mannschaft zu bringen. Manchmal gelingt’s, manchmal weniger, manchmal müssen sie mich auch auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Von Grund auf bin ich aber schon ein positiver Typ.

Wie haben Sie die nicht nur freundlichen Reaktionen auf Cedric Teucherts Wechsel nach Schalke wahrgenommen? So etwas könnte Ihnen ja auch blühen, wenn Sie den Club im Sommer verlassen sollten.

Leibold: Man denkt darüber nach, was passieren könnte. Es kommt in einer Karriere wahrscheinlich nicht so oft vor, dass ein Vertrag ausläuft. Zu Cedi: Da waren einfach zwei Parteien, die sich schnell einigen wollten. Und es ist ja auch für alle Beteiligten gut gelaufen. Cedi macht einen großen Schritt, der Club kriegt noch eine ordentliche Ablöse. Wobei es natürlich vorher besser laufen musste.

Dennoch konnte und wollte nicht jeder verstehen, dass Teuchert unbedingt weg wollte.

Leibold: Aus meiner Sicht wurde Cedi ein wenig dafür zur Rechenschaft gezogen, dass er seinen Vertrag nicht verlängert hat. Wobei meiner Meinung nach ein Spieler, der aus dem eigenen Nachwuchs kommt, gar nicht in die Situation geraten darf, dass sein Vertrag zeitnah auslaufen kann. Cedi war eines der Top-Talente, wenn nicht das Top-Talent. Sehr schade. Aber für den Cedi freut’s mich. Und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja irgendwann irgendwo wieder.

Einzigartige Harmonie

Aber ist der Club menschlich nicht eine Art Wohlfühl-Oase? Sie haben mal gesagt, dass sich hier einfach ein paar Jungs gefunden haben, die wunderbar zueinander passen. Ist das nicht eine übertrieben romantische, ja fast kitschige Vorstellung? Elf Freunde und so?

Leibold: Das Zusammenleben, diese Harmonie bei uns ist schon einzigartig. Nehmen wir den Uli (Ulisses Garcia, d. Red.): Der ist erst ein paar Tage da. Aber es kommt uns vor, als ob er schon zwei Jahre in der Gruppe ist. Die Balance zwischen Disziplin und Spaß haben ist einfach wunderbar.

Kann oder darf das überhaupt, die eigene Entscheidung beeinflussen, ob man hier bleibt, obwohl man woanders viel mehr verdienen könnte?

Leibold: Es hat für mich einen großen Stellenwert, dass ich mich wohlfühle. Und in Nürnberg fühle ich mich pudelwohl. Die Stadt liegt mir am Herzen, der Club, der ganze Verein, die Mitspieler, das ganze Drumherum. Für mich hätte es damals keinen besseren Wechsel geben können als vom VfB hierher. Wie es dann letztendlich weitergeht, werden wir in naher Zukunft entscheiden.

"Klar spielt das Geld eine Rolle"

Steht das Geld wirklich über allem?

Leibold: Es sind viele Komponenten. Klar spielt das Geld eine Rolle, man hat ja auch nur eine gewisse Zeit, um richtig gut zu verdienen. Auf der anderen Seite muss man sich wohlfühlen, ich bin sowieso ein kleines Sensibelchen. Es ist wirklich schwierig. Gerade, weil es bei uns so gut läuft. Sich zu viele Gedanken zu machen, bringt aber auch nicht viel. Es besteht ja immer noch die Chance, dass wir den ganz großen Wurf schaffen.

Das Herz und die Weiterentwicklung

Aber so lange können Sie ja nicht warten, bis Anfang oder Mitte Mai. Klingt nach einem Dilemma.

Leibold: So ist es. Bis Mai werden wir sicher nicht warten. In den nächsten Wochen wird es eine Entscheidung geben. Wie die ausfällt? Ich weiß es nicht. Manchmal muss man vielleicht das Herz entscheiden lassen. Als Spieler möchte man sich aber auch weiterentwickeln.

Aktuell ist wirklich alles offen?

Leibold: Ja, tatsächlich. Der Verein will schauen, was passiert, genauso mein Berater und ich. Wobei: Am Verein liegt es dann doch eher weniger.

Früher musste die Frisur akkurat sitzen, seit ein paar Wochen lassen Sie ihre Haare wachsen. Auch ein optischer Beleg dafür, in zweieinhalb Jahren Nürnberg ein anderer geworden, ja, gereift zu sein?

Leibold: Das glaube ich schon. Das Leben bringt einen weiter, prägt einen, natürlich auch der Verein und die Mannschaft. Man muss ständig dazulernen. Man lernt zum Beispiel auch, den anderen ein Vorbild zu sein. Wenn ich jetzt unsere Talente wie Simon Rhein, Maxi Krauß oder Jonas Hofmann sehe, muss ich daran denken, wie ich mich damals verhalten habe. Ich versuche, denen mitzugeben, was ich vielleicht falsch gemacht habe oder hätte besser machen können.

Mit einem lieben Kollegen wie Hanno Behrens für eine Woche nach Costa Rica zu fliegen, wie sie in den Weihnachtsferien, ist auch nicht alltäglich.

Leibold: Alltäglich ist es nicht. Aber es waren schöne acht Tage. Hanno ist einfach ein Super-Typ, der allen guttut. Dass er unser Kapitän geworden ist, war extrem wichtig. Es ist schön, ihn an unserer Seite zu haben.

"Pino, Marek, ..."

Der Trainer kann sich vorstellen, dass Behrens in Nürnberg eine Epoche prägen wird. Können Sie sich das für sich auch vorstellen? Richtige Spuren zu hinterlassen in einem Verein?

Leibold: Klar kann man sich das vorstellen. Wenn man Pino sieht, Marek, das wünscht sich jeder Spieler. Dass es heutzutage eher schwer ist, 15 Jahre bei einem Verein zu bleiben, weiß aber auch jeder. So etwas gibt es nur noch selten, leider. Vielleicht ist der Hanno einer. Und schließt sich noch der eine oder andere an, mal sehen.

"Die Chance, aufzusteigen, ist größer..."

Neulich haben Sie mal einen erstaunlich forschen und viel beachteten Satz rausgehauen. Der ging ungefähr so: Wenn wir unser Leistung bringen, kann es nur eine Mannschaft geben, die oben mitspielt – und das sind wir. Dabei stehen öffentliche Kampfansagen doch eigentlich auf dem Index. Was hat Sie da geritten?

Leibold: So soll’s auch weiterhin sein. Wir sollten aber auch realistisch sein. Die Chance, aufzusteigen, ist größer als in den nächsten Jahren, wenn wieder ein paar Kracher runterkommen. Der Satz war schon bewusst gewählt – weil es vorerst wohl die letzte Möglichkeit sein wird, mit dem Club hochzugehen. Wenn wir wirklich konstant unsere Leistung bringen, mit der Qualität, die wir haben, mit der Art und Weise, wie wir spielen, dann darf es nur noch eine Mannschaft geben, die mit dem Club direkt aufsteigt.

50 Kommentare