Vierzehn Solistinnen, ein Ensemble

10.2.2004, 00:00 Uhr
Vierzehn Solistinnen, ein Ensemble

© Grünewald

Noch vor einem Jahr wirkte das alles eckiger, kantiger, verknoteter, drohte die Gefahr von Grüppchenbildungen: Hier die prominenten Neuzugänge Petra Roßner und Judith Arndt, dort die zweite Reihe mit Kerstin Scheitle oder Birgit Söllner, mittendrin Hanka Kupfernagel, und dann der Nachwuchs mit Trixi Worrack und Liane Bahler. Sicher, ein Jahr macht aus Individualisten, wie es Radfahrer nunmal sind, kein Kaffeekränzchen, aber in diesen zwölf Monaten scheinen diese unterschiedlichen Charaktere einen starken gemeinsamen Nenner gefunden zu haben.

„Gesund und ausgewogen“

Reibungsverluste dürften der Equipe demnach heuer erspart bleiben, und so startet das Profi-Team gut gerüstet in eine aufregende Saison, die am 29. Februar mit dem ersten Weltcup-Rennen in Australien beginnt und im September mit der WM in Italien endet. Petra Roßner jedenfalls umschreibt den Kader mit 14 Fahrerinnen als „eine gesunde und sehr ausgewogene Gruppe, wir haben alles, von der Stimmungskanone bis zur Analytikerin“. Judith Arndt freut sich über das Plus an Internationalität, denn neben der Amerikanerin Jessica Phillips, die gleich beim ersten Weltcup ihre hoch gelobten Helferqualitäten beweisen darf, stößt mit der Russin Olga Zabelinskya eine Athletin zu den Königsblauen, die zwar erst 23 Jahre jung ist, aber viel Rennpraxis mitbringt. Nicht zu vergessen die neuen Nachwuchstalente Tina Liebig und Claudia Stumpf, besonders letzterer prognostizieren Experten eine große Karriere. So befindet sich Equipe-Sportchef Jens Zemke in einer äußerst komfortablen Situation

- vorausgesetzt, es bleiben alle gesund: „Je nach Rennen oder Rundfahrt kann ich beliebig hin- und herswitchen, um sechs von zehn Fahrerinnen auszuwählen.“

Sechs aus zehn, nicht vierzehn, denn Stumpf und Bahler werden voraussichtlich des öfteren im National-Team des Bund Deutscher-Radfahrer geparkt, außerdem sind da noch die beiden Sorgenkinder Conny Cyrus und Jenny Algelid-Bengtsson. Doch während Cyrus nach ihrer Arterien-Operation bereits beim Trainingslager Anfang März auf Zypern wieder einsteigen soll, steht hinter der Schwedin weiterhin ein großes Fragezeichen. Ein Jahr doktern die Mediziner bereits an ihren rätselhaften Kreislaufstörungen herum, zurzeit läuft der nächste Versuch, ob ihr Körper neben leichten Grundlageneinheiten endlich härtere Übungen verkraftet.

Doch nicht nur der Kader, auch das Umfeld hat nochmal einen Schritt nach vorn gemacht. Eine Ernährungsberaterin gibt den Sportlerinnen hilfreiche Tipps, vom Fakta-Team stieß die schwedische Physiotherapeutin Nathalie Visser zur Equipe, die von Eric Wohlmann unterstützt wird. Mechaniker Martin Welz hat bisher für das Deutsche Mountainbike-Team an den Rädern geschraubt. Der Nürnberger Mental-Trainer Walter Rotter sondiert auf psychologischer Ebene individuelle Stärken und Schwächen. „Feintuning“, nennt das Cheftrainer Heiko Salzwedel und lehnt sich dann weit aus dem Fenster: „Die Equipe kann sich von der Professionalität her mit jedem Männer-Profi-Team vergleichen.“ Petra Roßner ist da noch etwas vorsichtiger: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Die 37-jährige - die bereits mit Judith Arndt sowie Margret Hemsley zwecks Weltcup-Vorbereitung in Australien weilt, Worrack, Phillips und Madeleine Lindberg folgen demnächst - wird auf ihre wohltuend pragmatische Art schon dafür sorgen, dass die freudige Aufbruchstimmung nicht jäh in triste Ernüchterung umschlägt. Und noch einer hebt warnend den Zeigefinger. „Wir sind nicht die einzige Mannschaft in Deutschland, die Rad fahren kann“, sagt Zemke. Auch das ist die Realität.