Was der 1. FC Nürnberg kann und was nicht

4.12.2014, 06:00 Uhr
Was der 1. FC Nürnberg kann und was nicht

© Foto: Zink

Die Frage nach der ihm anvertrauten fußballerischen Qualität hat René Weiler jüngst lieber nicht beantwortet, öffentlich, sagte er, wolle er dazu nichts sagen. Über manches schweigt man besser, um keinen zu kränken – sollte das natürlich nicht heißen; er wolle, ergänzte der Trainer des 1. FC Nürnberg, den Gegnern nur nicht auf die Nase binden, „was wir können und was wir nicht können“.

Das war vor dem Spiel gegen Spitzenreiter FC Ingolstadt, das Weilers Nürnberg dann überraschend gewann. Nach dem Spiel konstatierte Ingolstadts Trainer Ralph H

asenhüttl, dass dieses Nürnberger Team über beträchtliche Fertigkeiten verfüge, „hier werden noch andere Mannschaften verlieren“, sagte er. So hatte das im Sommer fast die ganze Liga gesehen: Mit dieser vielversprechenden Mannschaft, so lautete zum Beispiel die Prognose von Helmut Hack, sei Nürnberg der haushohe Favorit der Liga – und Hack, Präsident des Fürther Kleeblatts, ist ein seriöser und ausgewiesener Kenner dieser Spielklasse.

Meyer: „Ganz schlimm“

Hacks Ansicht darf als überholt gelten, von dem, was die Mannschaft nicht kann, sah man bisher mehr als von dem, was sie kann. „Eine ganz schlimm zusammengestellte Mannschaft“, hat Ex-Trainer Hans Meyer das Nürnberger Ensemble im Interview mit der Zeit genannt, trotz aller gebotenen Vorsicht, denn, so Meyer: „Was ein Spielerkader wirklich hergibt, ist objektiv kaum zu beurteilen, schon gar nicht von Leuten, die vom Fußball nicht viel verstehen.“

Vielversprechend oder ganz schlimm? Selbst, wenn die Wahrheit etwa in der Mitte läge, wäre das – gemessen am eigenen Anspruch – eine ziemliche Enttäuschung, und daraus ergeben sich zwei Fragen, die sie sich im Club gerade mit ziemlicher Sicherheit auch stellen. Erstens: Was hält Weiler, noch keine drei Wochen im Amt, in der laufenden Saison noch für machbar? Zweitens: Was bedeutet das für die mittelfristige Zukunft?

Ein offizielles Saisonziel ist der Aufstieg zwar nicht mehr, unmöglich allerdings ist in dieser auffällig wankelmütigen Spielklasse wenig, und während der Transferperiode im Winter wird sich auch der 1. FC Nürnberg noch einmal verändern, das scheint sicher, wenn nicht – insbesondere im Blick auf das beinahe zum Erliegen gekommene Offensivspiel – sogar geboten. Ein Beispiel dafür, was trotz einer verkorksten Hinserie noch möglich ist, findet sich in der eigenen Vereinsgeschichte; der jüngste Wiederaufstieg gelang 2008/09: Nach 15 Spieltagen hatte man damals, als enttäuschender Neunter, 21 Punkte gesammelt, bloß vier mehr als jetzt.

In der ersten Bundesliga möchte man sich – es sei denn, man wäre überreichlich mit einer unschönen Neigung zu Schadenfreude ausgestattet – den 1. FC Nürnberg im Moment zwar eigentlich lieber nicht vorstellen. Aber natürlich will auch René Weiler dorthin, und was aus der Erkenntnis, dass daraus in dieser Saison nichts werden könnte, resultierten müsste, wird vermutlich auch gerade besprochen. Die Vorstellung eines „Zwischenjahres“ – wie es Sportvorstand Martin Bader bereits formulierte –, bedeutet ja nicht Stillstand, sondern das Gegenteil davon: den Aufbau einer Mannschaft, die, punktuell verstärkt, in der Lage ist, während der Rückrunde zum Gerüst eines potenziellen Erstliga-Teams zu reifen.

Viele Millionen fehlen

Dafür braucht es Weitblick und Phantasie, zumal ein weiteres Jahr in der zweiten Liga mit Mindereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe verbunden wäre – die Voraussetzungen im Sommer 2015 würden dann weitaus ungünstiger sein, als sie es in diesem Sommer schon waren.

Vor allem braucht es, so oder so, ein paar Ideen über den Tag hinaus; die Frage, wo dieser Club mittelfristig hin will und wie, ist kaum nur über die Liga-Zugehörigkeit zu beantworten – am unaufgeregtesten könnte es sogar gelingen, würde man sie davon loslösen. „Der Beschluss, die vereinsinternen Strukturen kritisch zu überprüfen“ (wie es der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Grethlein formulierte), steht seit der Beurlaubung von Weilers Vorgänger Valerien Ismaël, weil, so Grethlein, „im Blick auf die zurückliegenden rund eineinhalb Jahre eine unbefriedigende Entwicklung im Verein konstatiert“ worden sei.

Das war eine nicht gerade überraschende Erkenntnis, dass sie in Diskussionen um das Wirken des Sportvorstands führt, liegt nahe, Bader ist der maßgebliche Architekt des schiefen sportlichen Gefüges. Der Blick zurück kann hilfreich sein, wird aber nur so bedingt weiterführen wie reine Personaldebatten. Die permanenten kleinen und größeren Korrekturarbeiten hinterließen zuletzt das Bild eines Vereins, der sich - getrieben von einer vermuteten Weltuntergangsstimmung drumherum - nur irgendwie durchwurstelt bis zur nächsten Krise.

Das Tagesgeschäft Fußball, das hat vor allem das Abstiegsjahr gezeigt, ist (auch) ein Spielfeld für Glück, Pech und Zufall und objektiv oft schwer zu beurteilen. Wie man einen Traditionsverein aufstellen kann - als Plattform für ein Lebensgefühl, für die (wirtschaftlichen) Qualitäten der Region, als Repräsentant einer starken Stadt -, ist eine mindestens ebenso interessante Frage. Besonders an Leute, die, um es mit Hans Meyer zu sagen, vom Fußball nicht viel verstehen.

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