Zengers Taktiktafel: Obacht, FCN! Osnabrück ist mehr als Kerk

23.11.2020, 05:56 Uhr
Wichtiger Mann im Osnabrücker Spiel: Ex-Nürnberger Sebastian Kerk traf in Regensburg dreimal für den VfL.

© Armin Weigel/dpa Wichtiger Mann im Osnabrücker Spiel: Ex-Nürnberger Sebastian Kerk traf in Regensburg dreimal für den VfL.

Die Grundordnung...

...besteht beim VfL Osnabrück in den letzten Wochen meist aus einem 4-4-2 mit Raute. Dabei wird die Raute so ausgelegt, dass der "Zehner", in diesem Fall in der Regel der Ex-Nürnberger Sebastian Kerk, immer wieder mit in die vorderste Linie stößt und die drei anderen Mittelfeldspieler nachrücken. Die Schwäche des Rautensystems, die darin besteht, dass die Außenbahnen oft nur durch die Außenverteidiger besetzt sind, versuchen die Niedersachsen durch situatives Besetzen der Außen durch die äußeren Spieler der Raute oder Ausweichen der Stürmer etwas abzuschwächen. Dennoch tragen die Außenverteidiger – in der Stammformation Reichel und Ajdini – die Hauptlast auf den Flügeln.


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Essentiell in der Grundordnung des VfL ist aber das Tempo. Fast alle Gelegenheiten Osnabrücks entstehen binnen der ersten zehn Sekunden nach Balleroberung oder Spieleröffnung. Dabei schreckt man nicht vor dem langen Ball zurück, es ist aber kein grundsätzliches Stilmittel. Egal ob nach einem langen Pass oder einem flachen Aufbau, wird der Ball aber gern von einem Angreifer rückwärts abgelegt, so dass dann ein anderer Offensivspieler aus der Ferne abschließen kann. Das führt dazu, dass Osnabrück im Schnitt aus mehr als 21 Metern abschließt, also generell oft wenig hochwertige Abschlüsse wählt.

Das wird ein wenig dadurch abgeschwächt, dass der VfL relativ häufig aufs Tor schießt, dennoch haben die Niedersachsen nach dem 1. FC Nürnberg den schlechtesten Expected-Goals-Wert (xG) pro Schuss. Auch in Sachen Ballberührungen im Strafraum, Pässe ins letzte Drittel und Pässe zu Abschlüssen findet sich der VfL der Spielanlage entsprechend am Tabellenende der jeweiligen Wertungen. Er profitiert aber von seiner Stärke bei ruhenden Bällen. Sechs der elf bisherigen Saisontore fielen nach Freistoß, Einwurf, Ecke oder Elfmeter.

Die letzten Spiele...

...sind mit für die Einschätzung Osnabrücks als stark bei ruhenden Bällen verantwortlich. In Regensburg verwandelte Sebastian Kerk beim 4:2-Sieg zwei Elfmeter und einen direkten Freistoß, gegen Sandhausen fiel ein Treffer des 2:1-Erfolgs nach einem Einwurf. Dazu kam in beiden Spielen aber auch jeweils ein Treffer, der auf Tempo und schnellem Spiel vors Tor beruhte. Jene beiden Erfolge sind auch der Grund für den Höhenflug Osnabrücks in der Liga. Zuvor hatten die Lila-Weißen zwar in den fünf ersten Saisonspielen nicht verloren, aber auch nur zuhause gegen Hannover gewonnen.


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Nun steht die Mannschaft von Marco Grote nach sieben Spielen ohne Niederlage bei drei Siegen und vier Remis auf dem fünften Platz. Dabei hat der VfL in den bisherigen Saisonspielen bisher die eigenen xG um zwei Treffer überboten und die xGA, also die zu erwartenden Gegentreffer, um drei Treffer unterboten. Das kann zu diesem Zeitpunkt der Saison durchaus noch Rauschen in den Daten sein, das sich wieder legt, es kann aber auch darauf hindeuten, dass die Strategie möglichst viel zu schießen und so allein durch die schiere Anzahl der Abschlüsse die Wahrscheinlichkeit eines Treffers zu erhöhen, das so genannte "Shotspamming", wirksam ist.

Die Schwächen...

...liegen einerseits im geordneten Aufbauspiel. Der VfL behält den Ball nicht lange in seinen Reihen. Die durchschnittliche Ballbesitzphase der Niedersachsen dauert 11,2 Sekunden, bei den Ballbesitzphasen über 15 Sekunden haben sie nach Sandhausen und Würzburg den drittgeringsten Wert, obwohl sie ligaweit die meisten Ballbesitzphasen aller Mannschaften haben. Osnabrück kommt also oft in Ballbesitz, kann ihn aber in der Regel nicht oft halten.


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So steht am Ende mit 44,7 Prozent Ballbesitz der fünftkleinste Wert der Liga. Gerade die Tatsache, dass die Anzahl der Phasen hoch ist, die Zeit am Ball aber nicht, charakterisiert das Osnabrücker Spiel gut. Man ist oft am Ball, aber nicht lange, sucht das direkte Spiel. Ein Gegner, der damit umzugehen weiß, kann hieraus Kapital schlagen, indem er sich einerseits gegen das Tempo absichert, andererseits aber selbst Druck und Dominanz entwickelt.

Eine weitere Schwäche zeigt sich beim Blick auf die Kopfballduelle im Strafraum. Während Osnabrück vor dem Strafraum viele Kopfballduelle gewinnt, liegt die Quote der gewonnen Luftduelle im eigenen Strafraum bei ungefähr 43 Prozent. Drei der bisher sieben Gegentore von Osnabrück fielen folgerichtig auch per Kopf. Der Anteil an Kopfballgegentoren ist bei keinem Zweitligisten höher. Dabei gilt es allerdings einzuschränken, dass Duelle mit Timo Beermann vermieden werden sollten, der Innenverteidiger ist deutlich kopfballstärker als der Rest der Mannschaft. Sein Partner in der Innenverteidigung, Maurice Trapp dagegen, gewinnt trotz 1,91m Körpergröße nur 40 Prozent seiner Duelle. Gepaart mit der Tatsache, dass Osnabrück pro Spiel ungefähr zwei Freistöße im letzten Drittel auf der linken Verteidigungsseite zulässt, ließe sich hier eine Schwäche ausnutzen, wenn man per gefährlicher Freistoßflanke die VfL-Abwehr unter Druck setzt.

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