Zirndorfer Klassik-Trial

16.10.2011, 20:16 Uhr
Zirndorfer Klassik-Trial

© Wolfgang Zink

„Sie steht dort, damit ich nicht in Versuchung komme“, seufzt Franz Grassinger. In Versuchung zu fahren. Nicht auf gepflegtem Asphalt, sondern über Stock und über Stein, über Wurzeln und Grasnaben, um Bäume und Sträucher herum. Derlei Gebaren könnte der sensiblen Roten mit dem schwarzen Rahmen schaden. Das kann er ihr (und sich) nicht antun. Doch ein Rennen ausfallen lassen? Niemals. Kommt nicht in Frage. Also schnappt er sich stattdessen seine 500er „Ariel“, einen englischen Viertakter, Baujahr 58 mit verchromtem Rahmen und viel Aluminium in englischem Grün, und steuert sie durch die „Sandgrube“ beim Zirndorfer ADAC Süd-Klassik-Trial. Grassinger ist Trial-Fahrer.

Was er – im nicht mehr ganz so zarten Alter von 66 Jahren – und die 47 anderen Teilnehmer am vergangenen Wochenende mit ihren Motorrädern so alles anstellten, war schier unglaublich. Um im Stehen auf der Maschine die meterhohen natürlichen und künstlichen Hindernisse zu überwinden oder vor einer steilen Wand emporzusteigen, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren, sind Körper-beherrschung, Konzentration, Gleichgewichtssinn, Ruhe und Kondition erforderlich.

Zirndorfer Klassik-Trial

© Wolfgang Zink

Das wissen auch die Fans am Streckenrand, allesamt vom Fach mit jeder Menge Benzin im Blut. Wir treffen Gustav Franke, 73 Jahre, der bis heute als bester deutscher Fahrer gilt. Auf seiner Zündapp Werksmaschine wurde die lebende Trial-Legende zweimal Europameister (1965 und ’66), noch vor Sammy Miller, dem Michael Schumacher dieses Sports, sowie neunfacher deutscher Meister. Franke spricht aus, was alle empfinden: „Trial ist eine Sucht.“

„Auf dem Motorrad bist du ein anderer“

Das sieht auch Ludwig Praml so, das letzte lebende Gründungmitglied und der Ehrenvorsitzender des ausrichtenden 1. AMC Zirndorf. Der 85-Jährige bringt es einfach auf den Punkt: „Auf dem Motorrad bist du einfach ein anderer Mensch.“ Dazu noch der Geruch und das Flair drumherum. Sagen wir es ruhig. Das Verhältnis zur Maschine, dem Objekt der Begierde des Fahrers, ist eindeutig erotischer Natur. Soll heißen, jeder anständige Trial-Fahrer streichelt und pflegt sein Motorrad, verbringt halbe Nächte schraubend in der Werkstatt. Fahren und Basteln, Basteln und Fahren – das gehört einfach alles untrennbar zusammen.

Franke hat es da gut: Er ist gelernter Kfz-Mechaniker. In seiner eigenen Werkstatt übernimmt er auch noch heute regelmäßig Auftragsarbeiten des Museums für Industriekultur. Zurzeit restauriert er ein ganz besonderes Liebhaberobjekt: Die erste werksmäßig gebaute schwarze Zündapp, Jahrgang 1922 mit Keilriemenantrieb, zweieinviertel PS und 210 ccm Hubraum. „Da muss jede Mutter, jede Schraube passen.“

Zirndorfer Klassik-Trial

© Wolfgang Zink

Auch das Leben des Franz Grassinger spielt sich in erster Linie zwischen Gelände und Werkstatt ab, die schon fast einem Fuhrpark ähnelt. Dort hantiert der Hobbymechaniker an der Drehbank, mit der Fräsmaschine und dem Schweißapparat – wenn es sein muss, auch bis weit in die frühen Morgenstunden hinein. Meist muss es sein, denn 10 bis 15 Maschinen, die er sein Eigen nennt, reparieren und polieren sich nun mal nicht von allein. Vor fünf Jahren erfüllte sich der Vater von Skirennläuferin Angela einen Jugendtraum: Er kaufte sich eine englische „Rickman metisse“, Baujahr 1962, ein Einzylinder, 500 ccm mit einem original Matchless Motor, verchromtem Rahmen mit Kunststoffteilen in einem dunklen englischen Grün. Ein Prachtstück, viel zu schade, um es zu fahren.

Wahrscheinlich war es auch besser so. Grassinger kam am Samstag auf seiner „Ariel“ zu Sturz, doch einer wie er ist hart im Nehmen und gab rasch Entwarnung: Und tags darauf waren Fahrer und Maschine schon wieder beide wohlauf. Nach der Veranstaltung fuhren er, Praml sowie Franke und all die anderen dann wieder nach Hause.

Im Rahmen der Straßenverkehrsordnung, versteht sich. Worauf vor allem Ludwig Praml ganz großen Wert legt. Schon seit 42 Jahren gibt er in Schulen Verkehrsunterricht für die Eleven, wofür er unlängst von der Stadt Zirndorf mit dem Preis für Gemeinsinn ausgezeichnet wurde.

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