Heilmittel oder Dickmacher?

So wirkt sich Schokolade auf die eigene Gesundheit aus

8.8.2023, 15:55 Uhr
Je mehr Kakao eine Schokolade enthält, desto gesünder ist sie

© IMAGO/Goncalo Delgado Je mehr Kakao eine Schokolade enthält, desto gesünder ist sie

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Speise der Götter - so nannte der schwedische Naturforscher Carl von Linné den Kakaobaum. Wir verraten, was in der kostbaren Bohne drin steckt.

Den Azteken war Kakao heilig. Sie sagten dem rituellen Getränk ihrer Herrscher und Priester eine stärkende und aphrodisierende Wirkung nach. So steht es in Ewald Notters Buch "Handwerk Schokolade".

Spanische Missionare lernten von den Azteken über die therapeutische Wirkung des bitteren Gebräus. In europäischen Apotheken wurde Kakao als Medizin verkauft.

Und Alexander von Humboldt schrieb: "Kein zweites Mal hat die Natur eine solche Fülle der wertvollsten Nährstoffe auf einem so kleinen Raum zusammengedrängt wie gerade bei der Kakaobohne." Schön und gut - doch kann Schokolade überhaupt gesund sein?

Dunkle Schokolade enthalte mehr Kakao und damit auch mehr wertvolle Bestandteile wie Polyphenole, sagt Stefan Kabisch, Studienarzt an der Charité in Berlin. So sollen diese sekundären Pflanzenstoffe wirken:

  • entzündungshemmend
  • krebsvorbeugend

Im Schokoladen-Magazin "Theobroma Cacao" schreibt Arne Homborg, der selbst Schokolade und Pralinen herstellt: "Einige Polyphenole können auch Körperzellen vor freien Radikalen schützen, die Zelloxidation verlangsamen und Fettablagerungen in den Blutgefäßen vermindern. So beugen sie Arterienverkalkung und einem Herzinfarkt vor."

Die "Apotheken Umschau" listet folgende Inhaltsstoffe auf:

  • Magnesium
  • Eisen
  • Kalzium
  • Beta-Karotin
  • Vitamin E
  • Vitamin B1
  • Vitamin B2
  • Niacin

Aber: Der Zucker und der hohe Fettgehalt sind ungesund.

Deshalb gilt die Faustregel: Je mehr Kakao eine Schokolade enthält, desto gesünder ist sie - auch wenn Liebhaber von Milchschokolade und weißer Schokolade das nicht gerne hören.

Ein weiterer Vorteil von Zartbitter: "Niemand isst drei Tafeln dunkle Schokolade pro Tag", sagt Kabisch.

Eine Medizin ist aber selbst die Hardcore-Tafel aus 100 Prozent Kakao nicht. "Ich würde nicht darauf bauen, meine Gesundheit von Schokolade abhängig zu machen", sagt Kabisch. "Alles, was Schokolade enthält, liefern auch andere Lebensmittel, die weniger Kalorien haben."

Gut zu wissen: Manche Hersteller bieten mittlerweile Schokolade oder Kakao mit besonders hohem Polyphenolanteil an.

Ja, würden die meisten wohl sagen - weil sie so lecker ist. Dieser Zusammenhang ist tatsächlich wissenschaftlich belegt.

  • Kakao enthält Baustoffe des Glückshormons Serotonin, etwa die essenzielle Aminosäure Tryptophan.
  • Außerdem wirke das Alkaloid Theobromin in der Kakaobohne stimmungsaufhellend, schreibt Georg Bernardini, Mitbegründer der Confiserie Coppeneur, in seinem Buch "Schokolade – das Standardwerk". Allerdings ist die Dosis bei beidem niedrig.

Gut zu wissen: Als Antidepressivum taugt Schokolade nichts. Dafür sei der Anteil psychoaktiver Substanzen zu gering, sagt Kabisch.

Eine große Rolle für die Wirkung von Schokolade spiele die Psyche, sagt Natascha Kespy, Inhaberin von Winterfeldt Schokoladen in Berlin: "Die Leute wollen sich an die Kindheit oder an Urlaube erinnern."

Vor allem Trinkschokolade sei ein "Super-Power-Food", sagt Finn Heidak von der 31 Grad Berliner Schokoladen Manufaktur. "Wenn du sie trinkst, hast du Energie für den ganzen Tag." Der Zucker wirke schnell, das Fett der Kakaobutter lange. Einen zusätzlichen Schub geben Theobromin und Koffein.

Theobromin wirkt laut Bernardini:

  • gefäßerweiternd
  • harntreibend
  • herzstimulierend

"Es regt mild und dauerhaft an", so Heidak.

Koffein hält wach und regt die Magensäfte an. Der Anteil von Koffein im Kakao ist allerdings sehr gering - selbst richtige Schokoholics dürften also kaum eine Wirkung spüren.

Tipp: Kakaobohnen stehen mittlerweile als Wachmacher und Gehirndoping auf manchem Schreibtisch im Büro. Christine Luger, Inhaberin des House of Cacao am Münchner Viktualienmarkt, empfiehlt zwei bis drei Bohnen pro Tag.

Gegessen werden sie wie Nüsse. Fürs Müsli oder eine Bowl gibt es auch Nibs, gesüßt mit Yaconwurzeln aus Peru, die einen niedrigen glykämischen Index haben, also den Blutzuckerspiegel niedrig halten.

"Der Kakaobutter wird in Bezug auf Cholesterin ausschließlich Gutes nachgesagt", schreibt Bernardini. Sie soll:

  • den Spiegel des schlechten Cholesterins LDL senken
  • den Spiegel des guten Cholesterings HDL anheben

Bei sehr dunkler Schokolade mit einem Kakaoanteil von weit über 50 Prozent sei das durchaus denkbar, sagt Kabisch. "Aber es ist sehr fraglich, ob Schokolade Tabletten ersetzen kann."

Tatsächlich enthält Kakao Flavonoide, die entsprechend wirken. "Eine Studie fand, dass die Steifigkeit der Gefäßwände abnimmt", sagt Kabisch. Aber: "Der Blutdruck wurde nicht gesenkt."

Das in Kakao enthaltene Fluor und Phosphat härten zwar den Zahnschmelz und hemmen so durchaus Karies, wie Kabisch erklärt. Aber die Menge sei nicht relevant.

Wichtiger: Der Zucker in Schokolade greift natürlich den Zahnschmelz an. Viel Schokolade zu essen, ist für die Zähne also eher schlecht.

Wie beim Alkohol gilt bei Schokolade der einfache Grundsatz: in Maßen genießen. "Schokolade ist ein energiereiches Lebensmittel", sagt Kabisch.

Gut zu wissen: In einer 100-Gramm-Tafel stecken je nach Sorte 500 bis 600 Kalorien – rund ein Viertel des täglichen Bedarfs.

Wichtig: "Kakaobutter gehört nicht zu den empfehlenswerten Fetten", sagt Kabisch. Denn die Hälfte ihrer Fettsäuren sei gesättigt. Sie macht laut Bernardini aber 45 bis 60 Prozent der Bohne aus.

Manche billigen Schokoladen werden zudem mit pflanzlichen Fetten wie Palmöl gestreckt. Der Zusatz ist laut dem Bundeszentrum für Ernährung erlaubt, "wenn er nicht mehr als fünf Prozent ausmacht und die für die einzelnen Schokoladenarten geforderten Mindestgehalte an Kakaobutter erfüllt werden".

Der zweite Dickmacher ist natürlich der viele Zucker, vor allem in Milch- und weißer Schokolade.

Gut zu wissen: Was die Kalorien insgesamt angeht, nehmen sich Zartbitter und Vollmilch nichts. Die eine enthält mehr Zucker, die andere mehr Fett.

Ob eine echte Schokoladensucht existiert, ist umstritten. Auf jeden Fall sind im Kakao Anadamid und Phenylethylamin zu finden, schreibt Arne Homborg – Bestandteile von Marihuana und Morphium.

Allerdings: "Die Mindestdosis, um bei einem erwachsenen Menschen auch nur annähernd eine berauschende Wirkung zu erzielen, liegt bei 20 Kilogramm Vollmilchschokolade." Kabisch sagt: "Eine Abhängigkeit ist eher durch Zucker zu befürchten. Er spricht das Belohnungszentrum wesentlich stärker an."

Leider ja. In Kakaobohnen kann sich das Schwermetall Cadmium anreichern. "Cadmium kann beim Menschen Nierenschäden verursachen und gilt bei Aufnahme über die Atemwege als krebserzeugend", warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Gut zu wissen: Besonders viel Cadmium nehmen laut dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Kakaobäume auf, die auf vulkanischen Böden wachsen. Das trifft vor allem auf Kakao aus Südamerika zu.

Die Europäische Kommission hat Grenzwerte festgelegt, die seit 2019 gelten:

  • Milchschokolade darf maximal 0,10 mg Cadmium pro Kilogramm enthalten.
  • Dunkle Schokolade mit mehr als 50 Prozent Kakao darf bis zu 0,80 mg Cadmium pro Kilo enthalten.

Die Weltgesundheitsorganisation nennt einen tolerierbaren Wert von einem Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht und Tag.

"Danach wäre auch der tägliche Verzehr von 100 g der stärker belasteten Schokoladen kein Problem", erklärt Arne Homborg.

Schokolade enthält wenige Ballaststoffe. Deshalb hält Kabisch das durchaus für plausibel.

Fun Fact: Bernardini hat den Selbstversuch gewagt und schreibt, "dass zu viel Schokolade den Stuhlgang negativ beeinflusst."

Menschen, die an der seltenen Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie leiden, können die in Schokolade enthaltene Aminosäure Phenylalanin nicht verarbeiten.

Diabetiker und Übergewichtige dagegen dürften durchaus Schokolade essen, sagt Kabisch – so lange sie zu dunklen Sorten mit hohem Kakaogehalt greifen.

Auf viele Tafeln ist heute ein Bio-Siegel gedruckt. Und selbst Bauern in Ländern, die keinen zertifizierten Kakao produzieren, arbeiten laut Bernardini meist gemäß der Bio-Richtlinien.

"Der Einsatz von Pestiziden ist für viele Bauern auch schlicht unbezahlbar", schreibt er. Nicht ein einziges Mal habe er in der Schokoladenbranche Rückstände von Giften gefunden.

Ohnehin hätten sich ökologische Methoden wie der Baumschnitt oder der Einsatz von Nützlingen beispielsweise gegen die Hexenbesenkrankheit in Brasilien besser bewährt als Chemie, so Bernardini.

Gut zu wissen: Nur, weil eine Schokolade kein entsprechendes Siegel hat, heißt das nicht, dass sie nicht bio ist. Manchmal sparen Hersteller sich das Geld für teils teure Siegel, betont Bernardini.

Auch gut zu wissen: Der Kakao selbst ist zwar auch ohne Siegel oft bio - das muss dann aber nicht für mögliche weitere Bestandteile der Schokolade gelten.

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