30 Jahre im Dienst der Ärmsten: Oikocredit zog Bilanz

8.5.2012, 05:00 Uhr
30 Jahre im Dienst der Ärmsten: Oikocredit zog Bilanz

© Oikocredit

Oikocredit ist eine internationale Genossenschaft mit Sitz in Amersfoort, Niederlande. Sie vergibt Kredite und Kapitalbeteiligungen an Mikrofinanzinstitutionen, Genossenschaften oder direkt an kleine und mittlere Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Eine Kuh fürs Überleben

Frauen in Bolivien bekommen solche Mikrokredite, um sich als Bäckerinnen eine eigene Existenz aufzubauen, Kaffee-Kooperativen in Guatemala oder etwa Familien in Afrika, die sich mit einer eigenen Kuh eine bescheidene Existenz aufbauen können. Ziel ist es, den Menschen in den armen Ländern dieser Welt in Eigenverantwortung den Weg in die wirtschaftliche Selbstständigkeit zu ebnen.

Oikocredit ist in fast 80 Ländern vertreten und unterstützte mit Hilfe von 45000 Anlegern zuletzt knapp 900 Projektpartner mit einem Kreditvolumen von 520 Mio. €. Mitglieder dieser Genossenschaft sind unter anderem regionale Förderkreise, von denen es weltweit 31 gibt, sie bringen rund 80 Prozent des Anteilskapitals auf. Der in Nürnberg angesiedelte Förderkreis Bayern entstand 1982. Derzeit zählt die Organisation im Freistaat rund 3000 Mitglieder – Einzelpersonen, katholische und evangelische Kirchengemeinden sowie Stiftungen, Vereine und Fair-Handels-Organisationen.

Wenn Ben Simmes, der Geschäftsführer von Oikocredit International, zum Jubiläum des weißblauen Förderkreises in Nürnberg auf die vergangenen Jahre zurückblickt, beobachtet er einen deutlichen Wandel in der Arbeit seiner Organisation. „Wir haben schnell gemerkt, dass die erhofften positiven Auswirkungen unseres Tuns nicht automatisch zum Tragen kommen. Doch wir haben gelernt, die soziale Wirksamkeit unserer Investitionen zu erhöhen.“

Je mehr das Instrument der Mikrokredite bekannt wurde, desto stärker schritt zudem die Kommerzialisierung dieses Bereichs voran. „Fonds mit solchen Finanzierungsangeboten schossen zeitweise wie Pilze aus dem Boden“, so Simmes. Das Problem: Den Begriff „Mikrokredit“ oder „Mikrofinanz“ kann jeder verwenden, egal ob Einrichtungen mit ethisch-sozialem Anliegen oder aber Geschäftemacher, die mit überhöhten Zinsen nur auf den schnellen Profit aus sind — mit entsprechend verheerenden Folgen für die Menschen in den Entwicklungsländern, die auf solche Profiteure hereinfallen und durch sie oft ihre gesamte Existenz verlieren.

Oikocredit hat nach den Worten ihres Geschäftsführers dazugelernt und hebt sich nach eigenen Worten mit Transparenz, Qualitätsrichtlinien auch für die Investoren und mit gewachsener Professionalität von den „schwarzen Schafen“ ab.

Die ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit hat ihre Wurzeln im „sozialen Evangelium“ des Ökumenischen Rates der Kirchen, wie Walter Ulbrich, der Vorsitzende des Förderkreises Bayern, rückblickend betont. Früher investierten Kirchen ihre Gelder über die üblichen Bankangebote. Da diese aber oft ethisch fragwürdig sind, wurde Oikocredit als alternative Anlagemöglichkeit für Kirchen gegründet.

Getrennte Welten

Nur — die Verantwortlichen in den Kirchen beider Konfessionen wollen heute mit ihrem gemeinsamen Baby offenbar nicht mehr allzu viel zu tun haben, beklagt zumindest Oikocredit-International-Geschäftsführer Simmes. Der Niederländer vermutet, dass da rein ökonomische Gründe dahinterstecken. „Wir zahlen in der Regel zwei Prozent Dividende auf die Genossenschaftseinlagen, das scheint den Kirchen zu wenig zu sein.“ Nach seiner Erfahrung „gibt es eine oft unüberwindliche Mauer zwischen den finanziellen Elementen der Kirche und den moralischen Elementen“ — der Geistliche will solche Anlagen, der Finanzverwalter sagt nein und schielt auf besser verzinste Investments.

Das oft gehörte Argument, eine solche höhere Rendite sei nötig, um die Arbeit in sozialen Projekten finanzieren zu können, lässt Simmes dabei nicht gelten. Wer so argumentiere, der übersehe, dass Oikocredit selbst doch direkt in solche sozialen Projekte investiere.

Wie schmerzlich die Organisatoren ein stärkeres Engagement der Kirchen vermissen, machte auch Vorstandsmitglied Wolfgang Döbrich deutlich: „Wir sind eine Genossenschaft, in der auch Kirchen Mitglieder sind. Nur wenn es ums Investieren geht, machen die Kirchengemeinden nicht mit — das tut wirklich weh“, sagt Döbrich, der selbst Pfarrer ist.

Das Engagement aller Beteiligten schmälert das aber nicht. Im Gegenteil: Für die nächsten 30 Jahre haben sie noch genug Aufgaben ins Auge gefasst.

 

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