Einstellungen auch jetzt noch möglich

Ausbildungsbilanz: Jede fünfte Lehrstelle in Mittelfranken bleibt unbesetzt

12.11.2021, 05:55 Uhr
Handwerk mit Tradition: Büttner stellen Fässer her. 

© Daniel Karmann, dpa Handwerk mit Tradition: Büttner stellen Fässer her. 

Die gute Nachricht für künftige Azubis vorab: Die mittelfränkischen Unternehmen haben noch viele offene Ausbildungsstellen und bieten Jugendlichen die Möglichkeit, auch im November oder Dezember in die Lehre zu starten. "Wir können selbst am 24. Dezember noch einen Vertrag abschließen", witzelt Stefan Kastner, Leiter der Berufsbildung in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg für Mittelfranken, bei der Vorstellung des regionalen Ausbildungsmarktes, bei der auch die Handwerkskammer für Mittelfranken und die Agentur für Arbeit Nürnberg dabei waren.

Größeres Angebot

Das Angebot ist laut Kastner größer als im Vorjahr, leider bleibe mittlerweile jeder fünfte Platz unbesetzt, die Besetzungsquote lag damit bei 80 Prozent. Im vorigen Jahr betrug sie allerdings noch 87 Prozent. Für das Jahr 2022 prognostiziert Kastner sogar ein noch größeres Angebot, "weil zwölf Prozent der befragten Unternehmen mehr Ausbildungsplätze anbieten wollen. 62 Prozent halten ihr Angebot stabil."

Gleichzeitig stellt die Agentur für Arbeit einen deutlichen Bewerberrückgang (minus 14,8 Prozent) fest. Die Ursachen seien auch in der Corona-Pandemie zu finden und dem anhaltenden Trend der Schülerinnen und Schüler, höhere Bildungsabschlüsse anzustreben, erläutert Peter Preißinger, der die Berufsberatung leitet. Die virtuelle Berufsberatung konnte seinen Worten zufolge das persönliche Gespräch nicht angemessen ersetzen. Zudem erschwerten der Ausfall von Praktika und Ausbildungsmessen die Suche nach dem Wunschberuf. Und dann sei da während des Lockdowns auch noch eine große Unsicherheit aufseiten der Bewerber und der Arbeitgeber gewesen, die berufliche Planungen kaum möglich machten.

"Mitnichten dreckig, schlecht bezahlt und ohne Karrieremöglichkeiten"

Das bestätigt auch Matthias Braun, Abteilungsleiter für Berufsbildung bei der Handwerkskammer (HWK) für Mittelfranken: "Können wir ausbilden? Können wir Praktika anbieten?", lauteten oft gestellte Fragen in den vergangenen 20 Monaten mit Corona, sagt der Experte. "Die Antwort war immer: Ja, wir probieren es." Im Handwerksbereich zeigte sich Braun zufolge ein sehr unterschiedliches Bild. In Schwabach seien zum Beispiel im gleichen Zeitraum 40 Prozent mehr Verträge geschlossen worden als im Vorjahr, in Nürnberg vier Prozent weniger. In Summe komme die HWK auf ein Plus von 0,5 Prozent - im Vergleich zum Jahr 2019 und früher fehlten allerdings 250 Bewerber, das entspreche sieben bis acht Prozent.

Braun sieht neben dem Trend zum Gymnasium auch die starke Konkurrenz durch die Industrie als Grund, warum den handwerklichen Betrieben die Azubis ausgehen. Und trotz vielfacher Imagekampagnen hielten sich die negativen Klischees rund um das Handwerk. "Dieses ist aber mitnichten dreckig, schlecht bezahlt und ohne Karrieremöglichkeiten", sagt er. Im Gegenteil: Als Spitzenqualifikation gebe es neben dem Meister noch weitere Spezialisten, die gesucht werden. Zudem steche auch das Thema Selbstständigkeit. "Und wir sind Treiber der Transformation", betont Braun und weist auf die Energiewende, Infrastruktur und Digitalisierung hin.

Einen "Corona-Jahrgang" gibt es nicht

Einig sind sich die Kammern auch bei dem Vorurteil "Corona-Jahrgang": Diesen gebe es nicht, sagen Kastner und Braun. Die Ergebnisse in den Prüfungen seien sogar einen "Tick besser als früher" und das ohne Corona-Bonus - "die Aufgaben waren nicht leichter", unterstreicht Braun. Auch die Abbruchquote hat sich nach Angaben von IHK, HWK und Arbeitsagentur nicht erhöht. "Wir wissen allerdings nicht, was noch kommt", schränkt Preißinger ein. Deshalb arbeite man an den Berufsschulen und Hochschulen auch präventiv: "Wer unglücklich mit seinem Betrieb oder Studiengang ist, dem bieten wir eine niederschwellige Beratung an und suchen nach Alternativen." IHK-Mann Kastner wäre es allerdings lieber, wenn Studienabbrecher von vornherein den direkten Weg gingen und gleich nach dem Abitur einen Ausbildungsplatz suchten.

Zum Stichtag 30. September waren laut Arbeitsagentur Nürnberg in ihrem Bezirk noch 744 Lehrstellen unbesetzt, diese entfielen etwa auf die kaufmännische Ausbildung im Einzelhandel, Stellen im Hotelfach, in der Gastronomie und im Verkauf - also auf Berufe, die in der Pandemie am stärksten vom Lockdown betroffen waren.