Ausflug auf die dunkle Seite der Wirtschaft

28.1.2010, 00:00 Uhr
Ausflug auf die dunkle Seite der Wirtschaft

© dpa

Dass ausgerechnet Bernard Madoff als Titelgeber des Parforceritts durch 40 Jahre Wirtschaftsskandale herhalten muss, ist natürlich kein Zufall. Mit seinem weltumspannenden Schneeballsystem gilt der New Yorker Börsenprofi als bislang größter Finanzbetrüger aller Zeiten. 65 Mrd. Dollar Schaden, 4800 Geschädigte weltweit, 45000 in das Verfahren involvierte Anwälte und am Ende 150 Jahre Haft für den geständigen 71-Jährigen sind die Superlative des dreisten Coups. Selbst die Idee dazu hatte Madoff allerdings geklaut, und zwar von einem Kriminellen namens Charles Ponzi, der in den 30er Jahren das «Schneeballprinzip« erfunden hat.

Mit angeblichen Gewinnen werden neue Aleger angelockt

Bei einem solchen System werden mit Einzahlungen der Anleger angebliche Gewinne ausgeschüttet, die dann neue Anleger anlocken, aus deren Einzahlungen wiederum vermeintliche Gewinne bezahlt werden. Das System funktioniert natürlich nur, wenn immer neue Anlegergelder in das System fließen, mit denen weitere Gewinnauszahlungen finanziert werden. Im Fall Madoff ging es um Aktiengeschäfte, die der New Yorker für seine Kunden gewinnbringend tätigen sollte. Doch das tat Madoff nicht, sondern sammelte mit hohen Gewinnversprechen mit der einen Hand neues Geld bei seinen Opfern ein, um es mit der anderen Hand sofort als vermeintliche Gewinne an Altanleger auszuzahlen - natürlich nicht, ohne einen saftigen Abschlag für sich abzuzweigen.

Der Fall Madoff, so macht Datev-Mitarbeiter Krehl klar, ist kein Einzelfall. Immer wieder finden Kriminelle mit weißem Kragen vertrauensselige Menschen, die ihnen Geld anvertrauen. Doch warum ist das so? Krehl spricht von einem Grundmuster, das in allen spektakulären Betrugsfällen der vergangenen Jahrzehnte zu finden ist.

Gruppendruck spielt eine große Rolle

An erster Stelle steht die Gier, die den Verstand der Menschen überlagert - egal ob Manager oder Pförtner. Dann spielen diese Straftaten immer in einem Umfeld, das «normale« Menschen nicht mehr verstehen - bis hin zu exotischen Produktbezeichnungen. Verbale Nebelkerzen also, die einzig und allein dazu erfunden werden, um allzu neugierige Nachfrager abzuhalten. Wer will sich schon die Blöße geben, dumme Fragen zu stellen, wenn doch scheinbar alle anderen das Geschäft mühelos verstehen? Und selbst wer das nötige Fachwissen hat, liest das Kleingedruckte in den seltensten Fällen bis zum Ende.

Der Gruppendruck spielt nach Überzeugung Krehls ohnehin eine große Rolle. Wenn andere - noch dazu im Verwandten- oder Freundeskreis - schon investiert haben, was soll noch schiefgehen? Und wenn dann noch von hohen Gewinnen berichtet wird, dann sinkt die Hemmschwelle gänzlich - wer Verluste erlitten hat, der schweigt dagegen gewöhnlich schamhaft. Selbst Banken und Wirtschaftsprüfer werden immer wieder hinters Licht geführt. Beispiel FlowTex: Das Unternehmen des Hochstaplers Manfred Schmider hatte in den 90er Jahren über 100 Banken und Leasinggesellschaften geprellt, indem die Firma über 3000 Horizontal-Bohrsysteme verkauft hat, von denen die meisten gar nicht vorhanden waren. Der Gesamtschaden belief sich auf über zwei Mrd. €.

«Es sind immer höhere Hierarchien der Manager beteiligt.«

Oder der Fall ComRoad: Der Gründer des Navigationsgeräteherstellers, Bodo Schnabel, hat fast den gesamten Umsatz seines Unternehmens gefälscht. Dank der unrichtigen Erfolgsmeldungen konnte er den Aktienkurs des Neue-Markt-Unternehmens nach oben treiben und so persönlich zusammen mit seiner Ehefrau fast 30 Mio. € mit Aktienverkäufen verdienen. Am Ende wurde er allerdings wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Bilanzfälschungen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

Jede zweite Wirtschaftsstraftat, so hat Krehl festgestellt, hat Umsatzmanipulationen als Grundlage. Ein Drittel der Delikte basiert auf Überbewertung von Aktien, ein Viertel auf irreführende Geschäftsberichte. Wie weit die Machenschaften verbreitet sind, machen Zahlen der deutschen Prüfstelle für das Rechnungswesen deutlich. Danach weist jede vierte Bilanz massive Fehler auf. Und die Zahl der Bilanzskandale nimmt weiter zu. 37 Prozent der deutschen Unternehmen wurden nach Angaben Krehls in den letzten drei Jahren Schauplatz wirtschaftskrimineller Handlungen. Und: «Es sind immer höhere Hierarchien der Manager beteiligt.«