Castell: Unternehmer-Dynastie der besonderen Art

13.8.2010, 12:16 Uhr
Castell: Unternehmer-Dynastie der besonderen Art

© Klaus Wonneberger

Nein, wie ein klassischer Konzernchef sieht er nicht aus, schon gar nicht wie einer dieser schablonenähnlich gestylten Managertypen. Die Casteller Betriebe nennen sich ja auch nicht "Konzern", werden nicht an der Börse gehandelt und müssen sich auch nicht für blutjunge Analysten gewinnverheißend herausputzen.

Und noch ein markantes Merkmal gibt es: Miteigentümer Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell ist von adeligem Rang. Zusammen mit seinem Cousin Johann Friedrich Fürst zu Castell-Rüdenhausen führt er das uralte Familienerbe fort - eine Unternehmerdynastie der besonderen Art.

Wer von denen zu Castell berichten will, der hat die Wahl. Er kann die Geschichte eines erfolgreichen, mit modernen Managementmethoden geführten Familienbetriebes erzählen, der von Geldgeschäften, dem Weinbau und der Land- und Forstwirtschaft lebt.

Oder aber er nimmt seine Zuhörer mit in die fremde, bisweilen skurril wirkende Welt des fränkischen Landadels. Zu alten Schlössern in malerischen Winzergemeinden, in denen ein Hausgesetz aus dem Jahr 1560 weiterlebt und wo man noch heute das herrschaftliche Vergnügen der Jagd pflegt.

Erbgraf Castell ist in beiden Welten zuhause. Hier der ganz der Tradition verpflichtete Adelige, der seinen Titel als Geschenk und bisweilen als Hemmnis erlebt - "er kann Türen öffnen, er kann sie aber auch ganz schnell bei denen schließen, die Vorbehalte gegen den Adelsstand haben."

"Ich bin nur Verwalter"

Und da der Mittelständler, Arbeitgeber von rund 300 Beschäftigten. "Ich bin froh, ein Unternehmen mitleiten zu dürfen, in dem Werte noch etwas zählen", sagt der 45-Jährige. Heile Welt? Sicher nicht. Auch auch bei den Casteller Betrieben gibt es gute und schlechte Zeiten, muss hin und wieder Personal abgebaut werden. "Aber die Entscheidung fällt ungleich schwerer, weil ich weiß, dass ich diese Menschen am Sonntag in der Kirche wieder treffen werde", versichert Castell.

Apropos Kirche: Der Glaube und die Religiosität nehmen einen wichtigen Platz im Leben des Erbgrafen ein - nicht nur, weil er in jungen Jahren neben Jura auch einmal Hebräisch studiert hat. Für ihn ist alles, was der Familie gehört, ein Geschenk Gottes. Und aus diesem Verständnis heraus sieht sich der Schlossherr eher als Besitzer, nicht als Eigentümer seiner Güter.

Der feine, aber bedeutsame Unterschied: "Ein Eigentümer kann mit seinen Sachen machen, was er will: Er kann sie behalten, vermehren, sogar zerstören. Der Besitzer dagegen ist Verwalter, kann die ihm anvertrauten Güter nutzen, kann damit Gewinne erzielen. Aber er muss sie irgendwann einmal weitergeben. Und ich sehe es als meine Aufgabe an, nicht nur die Substanz zu wahren, sondern unseren Besitz in besserem Zustand an die nächste Generationen weiterzugeben", differenziert der Erbgraf.

Teil der Überlebensstrategie

Wie so vieles dort in der Abgeschiedenheit des Steigerwaldes klingen solche Sätze zunächst befremdlich. Nur schwer begreifbar in einer Außenwelt, die mit Tradition und Werten scheinbar nicht mehr viel anzufangen weiß. Für das Geschlecht derer zu Castell aber sind solche Einsichten und Einstellungen Teil einer Überlebensstrategie. Sie klammern zusammen, was sonst über Generationen hinweg längst zerfallen wäre.

Der Unternehmer und seine Familie residieren in dem kleinen fränkischen Weinort Castell zu Füßen des Hausberges standesgemäß in einem Schloss aus dem späten 17. Jahrhundert. Verwaltet wird der Besitz von beiden Familienstämmen gemeinschaftlich. Erben kann nur jeweils der älteste männliche Nachkomme. Darüber besteht Konsens, betont die Familie. In manchen Fragen ist die Zeit eben stehen geblieben in dem fränkisch-herben Landstrich.

Die familiären Bande bedeuten sehr viel im Hause Castell, dessen fast 1000-jährige Geschichte mindestens ebenso viele Meter Archivregale im ehemaligen Kurbad des Ortes füllt. "Familie ist für mich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem", sagt das Familienoberhaupt und entzündet dabei das Holz im offenen Kamin, der stilecht flankiert wird von Ölporträts der Ahnen. "Vergangenheit, weil die Familie von ihr geprägt wird; Gegenwart im Zusammenleben mit meiner Frau und meinen vier Kindern; und Zukunft, weil die Familie wichtiges Motiv meines unternehmerischen Handelns ist: Alles, was ich gut mache, kommt ihr zugute. Alles, was mir nicht gelingt, müssen meine Nachkommen korrigieren."

Doch ist eine solche, jahrhundertealte Familienorientierung nicht immer auch eine Fessel - privat ebenso wie als Unternehmer? "Das empfinde ich keineswegs. Wir waren stets frei in unseren persönlichen Entscheidungen", unterstreicht der Schlossherr.

In knallhartem Wettbewerb

Und der Jurist hat durchaus den Ehrgeiz, das ihm vorbehaltene Kapitel in der Familienchronik wohlgelungen abzuschließen. Dabei darf das historische Ambiente nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Castellschen Betriebe heute in knallhartem, globalem Wettbewerb befinden. "Wir müssen uns mit allen vier Standbeinen ständig neu definieren und Nischen suchen, weg vom Massengeschäft und hin zu noch mehr Qualität und Spezialität", wehrt der Erbgraf den Eindruck ab, Tradition sei gleichbedeutend mit Stillstand.

Schon 1224 betrieben die Vorfahren Weinbau rund um den Hausberg. Die durchschnittliche Jahresproduktion liegt heute bei 450000 Flaschen. Daneben bewirtschaftet der "Konzern" rund 5200 Hektar Wald, verstreut in ganz Franken, dazu 400 Hektar Landwirtschaft. Seit 1774 gehört als viertes Standbein eine kleine Bank dazu, die dank des seit jeher "konservativen Ansatzes bei der Geldanlage" die Wirren der jüngsten Finanzkrise wohlbehalten überstanden hat.

Alle vier Bereiche arbeiten profitabel, in alle vier wird fortlaufend investiert. "Wir betreiben ja keine Denkmalpflege, sondern erwarten eine Rendite", betont der Erbgraf. Nur die lässt eben manchmal etwas länger auf sich warten - wie im Fall der drei Millionen Jungbäume, die kürzlich gepflanzt wurden. Von deren Ertrag werden wohl erst die nachfolgenden Generationen derer zu Castell etwas haben.