Der Schock kann in einen Schub münden

28.10.2009, 00:00 Uhr
Der Schock kann in einen Schub münden

© dpa

Klaus Stadler hat von seinem Büro aus einen herrlichen Blick auf den Wöhrder See. Aus dem HDI-Hochhaus schaut der Unternehmensberater gern in die Ferne, auch in seinem Beruf. Wenn es zum Beispiel darum geht, die Organisation in Firmen effizienter zu gestalten.

Häufiger Chef-Wechsel lähmt

In den Jahrzehnten seiner Beratertätigkeit hat er erfahren, wie sich Mitarbeiter verhalten, wenn alle paar Jahre das Management ausgetauscht wird. Wie bei Quelle. «Auch die mittleren Führungskräfte neigen dazu, einfach durchzutauchen«, sagt Stadler. Die handelten nach der Devise: «Bloß nicht auffallen, weder positiv noch negativ. So kann man gut überleben, ohne große Aktivität zu entwickeln.« Denn der neue Chef weiß davon nichts.

Wer sich so trotz aller personellen Einschnitte im Job gehalten hat, kommt nach langen Jahren zu der Überzeugung, ihm könne nichts passieren. Schon gar nicht in einem familienorientierten Unternehmen, das traditionell fürsorglich mit den Belegschaften umgeht. Teils haben sich die Mitarbeiter über lange Jahre diese Haltung zugelegt, «,Meine Quelle‘ wird mir schon nichts tun, es ist doch immer irgendwie weitergegangen.«

Neuordnung bringt viel Unruhe

Allerdings bringen die ständigen Neuordnungen in Konzernen wie Arcandor viel Unruhe in die Betriebe. «Viel Energie ist dann nach innen gerichtet, auch auf den Versuch, die zugekauften Firmen zu integrieren.« Mit dem Ergebnis: «Vor lauter Umstrukturierung komme ich nicht zum Geschäft.« Werden außerdem Konflikte nicht ausgetragen, sondern im Sinne einer harmonischen Unternehmenskultur ausgesessen, bleiben Fehler unkorrigiert. «Es gibt Unternehmen, da fetzt man sich nicht - trotz größter Interessenkollisionen und Meinungsunterschieden.«

Zu viele Berater an Bord?

Vielleicht waren ja gerade zu viele Berater nach der Art von McKinsey an Bord der Quelle, meint der Coach Christoph Schlachte. Es sei gefährlich, stärker auf externes Know-how zu setzen, als die Kompetenzen der eigenen Fachleute zu nutzen, die die Firma in- und auswendig kennen. «In diesem Fall geht den Menschen der Sinn dafür verloren, was sie tun«, sagt Schlachte. «Ohne das Einbeziehen der eigenen Leute fehlt das lebendige Band. Wenn Offenheit und Dialogfähigkeit nur verbal existieren, ist das Unternehmen tot.«

Der Burgthanner erinnert an die Studien, wonach es bei der Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer jämmerlich bestellt sei um ihre Loyalität zum Arbeitgeber. «Die Leute merken es, wenn das Mitdenken nicht erwünscht ist. Das tötet die Lust, sich zu engagieren.«

Zu spät zum Richtungswechsel

Dabei war Quelle gerade in diesem Jahr auf gutem Weg, meint die Nürnberger Organisationsentwicklerin Susanne Bohn. Auf öffentlichen Veranstaltungen des Kompetenzforums «Change« (Veränderungen) trugen Primondo/Quelle-Führungskräfte vor, welche Konzepte zur Prozessverbesserung umgesetzt würden, damit Quelle mithalten könne mit der Konkurrenz. «Das war professionelle Unterstützung, die Wende war eingeleitet«, sagt Bohn. Doch möglicherweise war es im Sog von Arcandor zu spät, um das Ruder noch einmal herumzureißen, mutmaßt sie.

Blick in die Zukunft verstellt

Die Suche nach den Schuldigen lässt nicht auf sich warten. Doch: Schuld und Sühne, meint der Trainer und Coach Hermann Hempel, bringen gerade die Entlassenen nicht weiter. «Damit tun sich die Mitarbeiter keinen Gefallen. So gewinnt man keine Kraft.« Auch Selbstmitleid und Opferhaltung verstellen den Blick in die Zukunft. Hilfreich seien dagegen die Fragen: ,Wie kriege ich mein Leben wieder in die eigene Verantwortung? Was habe ich im Job gut gemacht, was mit Leidenschaft?‘ So findet der Einzelne Zugang zu seinen Potenzialen. Hempel: «Der Schock kann in einen Schub münden.«