Firma trifft Talent

17.5.2012, 12:00 Uhr
Firma trifft Talent

© Eduard Weigert

NÜRNBERG — Gleich am Eingang der Messehalle hat sich der Lebensmitteleinzelhandel breitgemacht. Lidl bietet jedem, der will, eine „Lohntüte“ an — darin Infobroschüren und Müsliriegel. Auch bei Norma gibt’s viel Papier und Obst en masse.

Die Personalmesse, im Fachjargon Recruiting–Messe, hat eine Doppelfunktion. Die 180 Aussteller wollen sich zum einen einen Namen machen als attraktive Arbeitgeber. Zum anderen versuchen sie, geeignete KandidatInnen kennenzulernen, um offene Stellen zu besetzen. Häufiger aber noch geht es um die vorausgehende Phase: Praktikanten, Trainees, Doktoranden werden umworben.

Zum Beispiel von Silvia Emmert, die am Novartis-Stand Interessenten Auskunft gibt. Viele der jungen Leute kommen mit einem Betriebswirtschaftslehre-Abschluss und fragen: „Was kann ich damit bei Ihnen tun?“, berichtet Personalerin Emmert. Sie listet auf: Marketing, Einkauf, Personal.

Karriere nach dem Master

Fazil Sadikhov kommt gerade vom Stand der Bank CortalConsors. In Aserbaidschan hat der junge Mann Wirtschaft studiert, in Nürnberg will er den MBA (Master of Business Administration) absolvieren. Und danach? Warum nicht später bei CortalConsors als Produktmanager arbeiten. Doch zuerst braucht er einen Praktikumsplatz. „Die Messe bietet gute Gelegenheiten, interessante Firmen kennenzulernen“, sagt der junge Mann. Obwohl er kein Ingenieur ist, erscheinen ihm Siemens und Schaeffler besonders verlockend.

In der Tat, bei beiden Konzernen will die Reihe der Bewerber gar nicht mehr abreißen. Die Siemens AG hat deutschlandweit 2600 offene Stellen bei aktuell 119000 Mitarbeitern insgesamt. Noch höher ist mit 130000 die Zahl der Bewerbungen, die im Jahr bei Siemens eintreffen. Der Technologiekonzern sucht in erster Linie Technik-Absolventen, aber auch Naturwissenschaftler und Informatiker.

Kombi-Abschlüsse gefragt

Ein Renner sei ferner das duale Studium mit Lehre und Studium in einem. Im Herbst startet Siemens einen neuen Ausbildungsstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen und Gebäudemanagement. Überhaupt sind immer häufiger Doppelqualifkationen gefragt, berichtet ein Konzernsprecher. Nach den Schwierigkeiten mit den Nordsee-Windparks „suchen wir zum Beispiel Leute, die Elektrotechnik mit Schiffsbau kombiniert haben“, fährt der Sprecher fort.

Wie gut die Abschlüsse Bachelor und Master in der Wirtschaft ankommen, wolle Siemens nicht werten. „Beide haben ihre Existenzberechtigung.“ Wie viele andere Unternehmen der Branche hat auch Siemens keine wirklichen Probleme beim Finden akademischen Nachwuchses. „Wir kriegen die Stellen besetzt.“ Ähnliches berichtet Schaeffler. Wobei Katrin Franz in diesen Zeiten eines bewerberfreundlichen Arbeitsmarktes den Wandel spürt: „Die Bewerber zählen nicht nur auf, was sie selbst können, sondern fragen auch umgekehrt: Was kann der Arbeitgeber mir bieten?“ Die Fachfrau spricht zudem von einem schon länger anhaltenden Trend: Die Berufseinsteiger seien mobiler als vor fünf bis zehn Jahren. Aus der Sicht von Katrin Franz lohnt sich der Besuch auf der Akademika. Allein bei der Ausstellung des vergangenen Jahres seien acht bis neun Neueinstellungen herausgekommen.

Schaeffler erhofft sich überdies einen höheren Bekanntheitsgrad durch solche Messeauftritte. Für den Maschinenbau habe der Automobilzulieferer lange schon einen großen Namen, weniger dagegen für IT und Elektromobilität. Auch dafür braucht es Fachpersonal. Katrin Franz ist Profi: Allein in diesem Monat in fünf deutschen Hochschulstandorten für Schaeffler auf Firmenkontaktmessen.

Die Neumarkterin Kerstin Kammerer hat allerdings mit Technik nichts im Sinn. Sie unterhält sich mit Andreas Gorselewski von der Datev, denn die Jurastudentin braucht einen Platz als Referendarin — jedoch erst in einem Jahr, früh übt sich. Ob dann die derzeit freie Stelle in der Rechtsabteilung der Datev noch verfügbar ist, ist freilich fraglich. Kammerer hat von morgens an praktisch alle größeren Unternehmen besucht und verteilt Komplimente: „Die Anbieter sind sehr freundlich.“ Und: „Jede Frage ist erlaubt.“ Wohl nicht so ganz auf ihre Kosten wird eine Bewerberin kommen, die in Coburg Soziale Arbeit studiert und gerade an ihrer Abschlussarbeit zur Privatisierung der Schulen tüftelt. Arbeitgeber aus dem sozialen Sektor sind auf der Akademika nicht erkennbar. Egal, sich umzuschauen bringt immer etwas. Vielleicht ja beim Speed-Dating oder Bewerbungstraining. Gutgelaunt betritt sie die Halle.

 

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