Frankens Auto-Zulieferer sind im Stresstest

3.3.2018, 10:37 Uhr
Frankens Auto-Zulieferer sind im Stresstest

© Foto: Daniel Karmann/dpa

Am Ende könnte sich der eigene Erfolg noch als härtester Gegner erweisen. Seit etwa zehn Jahren gilt die Elektromobilität — gemeinsam mit dem automatisierten Fahren — als das Megathema, ohne das es in der Autoindustrie keine Zukunft geben wird. Auch die Kfz-Zulieferer wissen natürlich, dass da ein technologisches Wettrennen stattfindet, bei dem die eigenen Existenz der Siegerpokal ist.

Doch die Branche, für die in der Metropolregion Nürnberg Zehntausende Menschen arbeiten, wirkt gestresst. Während einige Unternehmen, um im Bild zu bleiben, schon auf der Laufstrecke sind, scheinen andere noch auf der Suche nach der Umkleidekabine. Das hat auch damit zu tun, dass zwar alle vom Ende des Verbrennungsmotors reden. Die Gegenwart sich aber ganz anders anfühlt.

Klar sei der prophezeite Wandel der Industrie in der Kantine ein Thema, sagt Ludwig Neusinger, Betriebsratschef im Nürnberger Bosch-Werk. "Aber im Moment läuft der Verbrenner noch sehr, sehr gut." Drosselklappen und Hochdruckpumpen für Benzinmotoren produzieren sie am Standort, und das in drei Schichten pro Tag, sieben Tage die Woche. Ähnlich erlebt es Rivale Continental. "Der Verbrennungsmotor hat seinen Zenit tatsächlich erst noch vor sich", glaubt dort daher Oliver Meiwald, Leiter Technologie und Innovation im Bereich Antriebe.

Warnung vor Trugschlüssen

Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach, hat denn auch ein gewisses Verständnis dafür, dass den Kfz-Zulieferern zwar dämmere, dass da was auf sie zukommt. Doch dass trotz dieser Erkenntnis viele noch nicht wirklich hellwach wirkten, "jetzt, wo es doch noch so schöne Rekordumsätze mit Produkten für den Verbrenner gibt". Und selbstverständlich werde dieser nicht von jetzt auf gleich verschwinden.

Frankens Auto-Zulieferer sind im Stresstest

© Foto: le Claire

Aber der Experte warnt vor Trugschlüssen. Ab 2020 werde die E-Mobilität die großen Zuwachsraten haben. "Wer dann erst anfängt, für den wird es zu spät sein", sagt Bratzel im Einklang mit der Mehrheit seiner Zunft. US-Berater Paul Eichenberg etwa warnte auf der zurückliegenden IAA, die meisten Unternehmen würden das Tempo der Entwicklung und die Größe der Aufgabe noch immer unterschätzen — und bis zu 75 der 100 wichtigsten Zulieferer könnten daher im Jahr 2030 bedeutungslos sein.

"Wir sind gut aufgestellt"

Die Angesprochenen sind da zuversichtlicher. Bosch, Conti, auch Leoni, ZF und Schaeffler: Überall versichert man, verstanden zu haben. "Wir sind sehr gut aufgestellt", erklärt ein Schaeffler-Sprecher und verweist auf den zu Jahresbeginn neu geschaffenen Unternehmensbereich E-Mobilität. Den "größten Wandel in der Geschichte der Antriebstechnologien" gehe man "kraftvoll und voller Zuversicht an", sagt Conti-Manager Meiwald — und der Standort Nürnberg sei dank seines Know-hows bei Hybriden dabei "ein international bedeutendes Kompetenzzentrum".

"Bei ZF haben wir uns frühzeitig auf den Wandel eingestellt und treiben die Elektrifizierung voran", heißt es auch beim Rivalen mit Werken unter anderem in Nürnberg und Auerbach. Speziell die Oberpfälzer seien "einer der wesentlichen Standorte, was die E-Mobilität angeht", so ein ZF-Sprecher — als Hauptsitz des Geschäftsfelds Elektronische Systeme. Bei Leoni klingt sogar so etwas wie Vorfreude durch: "Elektrifizierte Fahrzeuge versprechen für uns zusätzliche Umsätze." Schon jetzt nähmen die Anfragen der Autobauer nach Entwicklungsarbeiten für Hochvolt-Systeme stark zu.

Selbstbewusst heißt es auch bei Bosch, kein Unternehmen sei in der E-Mobilität so breit tätig wie man selbst. Bosch beherrsche "das ganze Ökosystem" — von Komponenten für elektrifizierte Anwendungen über Elektromotoren bis hin zur Vernetzung mit der Ladeinfrastruktur.

Worte ohne Folgen?

Und dennoch, auch Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte der Uni Duisburg-Essen, fehlt mit Blick auf die deutschen Zulieferer noch ein wenig das Zutrauen in deren hehre Worte. Ihn irritiert etwa, dass hierzulande auch immer noch Themen wie synthetische Kraftstoffe oder die Brennstoffzelle debattiert werden. "Das können Sie alles vergessen", sagt Dudenhöffer. Denn China als weltweit wichtigster Markt habe sich pro E-Auto mit Batteriezelle und damit die ganze Sache bereits entschieden.

"Bosch profitiert davon, dass sie schon immer sehr breit aufgestellt waren, deshalb sehe ich sie derzeit vorn", macht sich Dudenhöffer um den größten Kfz-Zulieferer der Welt noch die kleinsten Sorgen. Auch ZF habe zuletzt einen Riesensprung gemacht und handele mutig. "Schaeffler dagegen ist eine Schnecke." Die Herzogenauracher tobten sich noch zu sehr mit ihrer Technik für Verbrennungsmotoren aus, schätzten die Geschwindigkeit des Umbruch zu konservativ ein.

Alles läuft Richtung E-Mobilität — aber mit wie viel Tempo: Das ist hier also die Frage. Während die Experten zu Vollgas, pardon: Vollstrom raten, sind die Zulieferer im Schnitt vorsichtiger, hängen auch noch am gut laufenden Verbrennungsmotor und halten sich weitere technische Optionen offen. "Es gibt nicht nur schwarz und weiß", sagt ein Schaeffler-Sprecher. "Ein hohes Maß an Technologieoffenheit ist für uns sehr wichtig", ergänzt sein ZF-Kollege.

Was sich als richtige Strategie erweisen wird? Fachmann Bratzel glaubt, jetzt zeige sich, wer weitsichtig denkt: "Selbst wenn nur die Hälfte unserer Prognosen eintreffen sollte, sollte man sich lieber gestern schon als heute an das Thema gemacht haben." Sonst? "Kann einem das das Genick brechen."

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