Ifo-Chef fordert Steuer-Milliarden für Impfstoff-Fabriken

27.1.2021, 13:58 Uhr
Clemens Fuest fordert, viel Geld in die Impfstoffversorgung zu stecken.

© FrankHoermann/SVEN SIMON via www.imago-images.de Clemens Fuest fordert, viel Geld in die Impfstoffversorgung zu stecken.

Dabei nahm er in einer Ausgabe der "Corona Lectures" der Ludwig-Maximilians-Universität München sogar eine Anleihe zu den Worten des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi: "Whatever it takes", frei übersetzt mit "Koste es, was es wolle." Fuest stützte sich auf eine Untersuchung, der zufolge kein Euro so gut angelegt ist wie der, der in die Bereitstellung von Anti-Corona-Impfstoff fließt. Eine Milliarde Impfstoff-Dosen bedeuteten einen gesellschaftlichen Nutzen im Wert von 1.750 Milliarden US-Dollar, sagte Fuest. Das spreche dafür, die Erweiterung der Produktionskapazitäten für Impfstoffe massiv staatlichen zu subventionieren, auch wenn die Anlagen nach der Pandemie nicht mehr gebraucht werden. Das Vertrauen in die Marktwirtschaft war nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers beim Abschluss der Verträge zwischen der EU und den Pharma-Firmen teilweise fehl am Platze. Kein privates Unternehmen würde in den Aufbau großer Produktionskapazitäten frühzeitig investieren, ohne sicher zu sein, dass der Impfstoff auch erfolgreich sein und zugelassen wird, sagte Fuest.

Inzidenz von 50 wäre immer noch zu hoch

Fuest warb für seine zusammen mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen entwickelte "NoCovid"-Strategie. Danach soll das Infektionsgeschehen auf weniger als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche (Inzidenz) gesenkt werden. Erst ab einer Inzidenz von Zehn könnten Infektionsketten wirksam nachverfolgt werden, sagte Fuest: "Bei 50 klappt das nicht". Um weitere Infektionswellen zu verhindern, müsse die Reproduktionszahl höchstens 0,75 betragen. Das bedeutet, dass 100 Infizierte nur höchstens 75 andere anstecken dürfen.


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Sommerliche Lockerungen falsch

Es wäre gut gewesen, im vergangenen Sommer die Infektionszahlen noch weiter abzusenken und ganz unten zu halten als in großem Umfang zu lockern und "sich durch Urlaubsreisen Infektionen einzuhandeln". Die Annahme, die Wirtschaft könne erfolgreich arbeiten, wenn ein gefährliches Virus unterwegs sei, bezeichnete Fuest als "Illusion". Ein "leichter" Lockdown sei nicht nur ungeeignet zur Eindämmung der Pandemie, sondern "auch für die Wirtschaft der falsche Weg". In Deutschland laufe es für die Wirtschaft in der zweiten Welle "relativ gut", so der Ifo-Chef. Die Konjunktur sei jedoch gespalten, weil Teile des Dienstleistungssektors stark unter dem Lockdown litten. Allerdings repräsentierten die betroffenen Wirtschaftszweige wie Gastronomie, Tourismus und Teile des Einzelhandels nur 8,3 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in Deutschland.

Mehrwertsteuersenkung war unnötig

Die 20 Milliarden Euro, die sich der Staat die vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer kosten ließ, hätte er sich nach Ansicht Fuests sparen können. Das Problem im Lockdown sei nicht, dass die Konsumenten zu wenig Geld in der Tasche hätten, sondern dass sie zu wenig Möglichkeiten haben, es auszugeben, sagte Fuest. So seien die privaten Ersparnisse in Deutschland wegen des erzwungenen Verzichts auf touristische und gastronomische Ausgaben in der Krise "erheblich" angestiegen.

Blick in die Zukunft

Große Sorgen sollte man sich nach Ansicht Fuests um den Zustand von Kindern, Jugendlichen und Familien in der Corona-Krise machen. Durch sie werde die "Bildungsungleichheit drastisch verschärft". Ohne besondere Anstrengungen könnten die jetzt auftretenden schulischen Lücken "Auswirkungen für das ganze Leben" haben, warnte der Ifo-Präsident. Die Globalisierung wird nach den Erwartungen des Ifo-Chefs durch die Pandemie nicht beendet werden. Im Gegenteil erwartet Fuest eine kräftige Erholung des Welthandels, wenn man auch mit bestimmten Wertschöpfungsketten vorsichtiger sein werde. Fuest unterstützte das Investitionsabkommen mit China, das auch dazu führe, dass die Volksrepublik etwas abhängiger von Europa werde. China habe dann ein Interesse, dass es auch Europa ökonomisch gut gehe. Fuest warnte Europa, sich "pauschal" mit den USA gegen China zu verbünden. Europa müsse zu große Abhängigkeiten sowohl von China wie von den USA vermeiden.

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