„In Köpfe und Hände investieren“

21.7.2010, 00:00 Uhr
„In Köpfe und Hände investieren“

© Eduard Weigert

„Bildung ist ein essenzielles Thema für unser Land, wir dürfen niemanden zurücklassen“: Dieser Satz darf in keiner politischen Grundsatzerklärung fehlen. Auch Werner Kirchhoff sagt ihn – und ergänzt ihn gleich um eine Idee, die weniger populär ist: „Jugendliche, die erkennbar die Hauptschule nicht schaffen werden, sollten vor dem Scheitern gezielt für eine handwerkliche Tätigkeit geschult werden“, sagt der 48-Jährige. Sein Credo: „Wir müssen in die Köpfe, aber auch in die Hände investieren.“ Kirchhoff kennt aus eigenem Erleben viele Facetten des deutschen Bildungssystems. „Ich bin gefährlich: Ich weiß, wovon ich rede“, witzelt er. Der selbstständige Versicherungsmakler ist einer, der sich hochgearbeitet hat, wie es so schön heißt. Kirchhoff stammt aus einer Arbeiterfamilie, lernt nach der Hauptschule Konditor. Er macht mittlere Reife und Abitur, geht als Zeitsoldat zum Bund. Dort absolviert er eine Ausbildung zum Bürokaufmann, erwirbt den Ausbilderschein und studiert danach Betriebswirtschaftslehre. Heute unterrichtet der dreifache Familienvater neben seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler und beratender Betriebswirt an der Hauptschule in Schnaittach: Er gibt einen Bewegungs- und Koordinationskurs, der auch Rechnen beinhaltet. „Mehrfachförderung in einem Aufwasch“ nennt Kirchhoff das.

"Fußball ist mein Hobby"

Kinder und Jugendliche zu fördern, ist dem gebürtigen Buttendorfer wichtig. Dafür investiert er seine Freizeit, etwa als Trainer auf dem Fußballplatz. Und was ist mit eigenen Hobbys? „Fußball ist mein Hobby“, sagt Kirchhoff und lacht. Sportvereine will er gestärkt sehen. Denn dort geht es seiner Überzeugung nach nicht nur um körperliche Fitness: Es werden elementare Dinge vermittelt, die in einer sozialen Gesellschaft wichtig sind, wie zum Beispiel Teamfähigkeit und Disziplin. Und, schiebt der Pragmatiker nach, „wer in einem Verein positive Erfahrungen gesammelt hat, wird später eher bereit sein, sich in diesem Bereich zu engagieren“.  Verantwortung übernehmen: Das ist ein zentraler Punkt in Kirchhoffs Gedankenwelt. Dazu zählt für ihn nicht zuletzt kritisches Hinterfragen von Informationen – auch das will er jungen Menschen vermitteln. „Wir sind inzwischen eine Google- und Wikipedia-Gesellschaft: Vieles wird einfach übernommen, ohne selbst nachzudenken. Das sehe ich als Gefahr“, erklärt der Selbstständige.

Fehler im System

Als Gefahr sieht der BDS-Mann auch die hohe Staatsverschuldung, denn „sie belastet die jüngere Generation“. Und wo würde er den Rotstift ansetzen, wie lässt sich seiner Meinung nach konkret sparen? „Bei öffentlichen Bauprojekten gehören ein ordentliches Controlling installiert und Verantwortlichkeiten klar geregelt“, lautet seine prompte Antwort. Dass immens viel Geld versenkt wird, zeigt der Bund der Steuerzahler alle Jahre wieder in seinem Schwarzbuch auf – leider ohne Folgen, da es eben meist niemanden gibt, der zur Verantwortung gezogen werden kann. Für Kirchhoff ein Fehler im System.

Was ihn auch stört, ist, „dass Bauern Geld dafür bekommen, dass sie Flächen nicht bestellen, also ihre Arbeit nicht machen“. Im Bereich der Arbeitsagenturen, speziell bei den Qualifizierungsangeboten für Arbeitssuchende, sieht Kirchhoff ebenfalls Optimierungsbedarf – und zwar ohne den Betroffenen zu schaden. Die Kurse etwa, in die die Menschen geschickt werden, müssten auch für sie passen. Doch das ist nicht immer der Fall, wie Teilnehmer immer wieder berichten. Aktuelle Themen anpacken, sich einmischen, das will Kirchhoff auch in seiner Funktion als Vize des 1874 gegründeten BDS Bayern mit rund 20.000 Mitgliedern. „Wir können als Berufsverband nur bestehen, wenn wir den Zeitgeist aufnehmen“, sagt der 48-Jährige bestimmt. Keine Frage: Er will für frischen Wind sorgen.