In Nürnberg regiert der grüne Daumen

12.9.2012, 21:00 Uhr
In Nürnberg regiert der grüne Daumen

© Frank Boxler

Bäume sind echte Landeier, zumindest die einheimischen, davon ist Kerstin Abicht überzeugt. „Wenn er es sich aussuchen könnte, würde wohl kein Baum in die Stadt wollen“: Die Bedingungen dort behagen ihm oft nicht, erklärt die Marketingfachfrau der Hamburger Baumschule Lorenz von Ehren mit Verweis auf den Klimawandel. Beim Stadtbaum von heute sind Resistenz gegen Trockenheit und Schädlinge — sie fühlen sich in der Wärme ja besonders wohl — gefragt sowie gleichzeitig Frosthärte. Ein Spagat, den die Gewächse früher so nicht meistern mussten.

Blättrige Vertreter aus Südeuropa, dem Nahen Osten, Asien und Nordamerika kommen mit solchen Bedingungen besser zurecht, versichern die Experten, die auf der Nürnberger GaLaBau, der europäischen Leitmesse für urbanes Grün und Freiräume, mit einem Stand vertreten sind. Gute Voraussetzungen also für Himalaya-Birke, Eisenholzbaum, Schnurbaum und Co., als Stadtbaum in Deutschland Wurzeln zu schlagen. Ihr Einsatz würde auch der Vielfalt in der Bundesrepublik guttun: Denn bislang werden laut Kerstin Abicht nur acht verschiedene Baumarten in deutschen Städten gepflanzt. Als „Stadtbäume der Zukunft“ hat das im Jahr 1865 gegründete Familienunternehmen Lorenz von Ehren dagegen 39 identifiziert.

Ab in die Äste

Egal, ob mit Migrationshintergrund oder ohne: Bäume brauchen Pflege. Sind die Pflanzen noch klein, ist das kein großes Problem. Bei hohen Exemplaren muss sich allerdings der Fachmann in die Äste schwingen. Johannes Bilharz, Inhaber der Münchner Baumkletterschule, schätzt, dass es in Deutschland 5000 bis 6000 Baumpfleger gibt, die kletternd ihre Arbeit verrichten. Wohl dem, der da über die richtige Technik verfügt.

In Nürnberg regiert der grüne Daumen

© Frank Boxler

Wie es im Idealfall aussieht, demonstrierte ein Kollege von Bilharz beim Presserundgang über die GaLaBau: Gut gesichert stieg er locker an einem Seil in Richtung Hallendecke. In luftiger Höhe warf er kurz eine Motorsäge an, die er dank seiner Ausrüstung mit beiden Händen bedienen konnte. „Sie können es gerne selbst ausprobieren“, bot Bilharz den Journalisten begeistert an. Alle verzichteten dankend. Im wahrsten Wortsinn bodenständig sind die „Living Walls“, bepflanzte Wände für den Innen- und Außenbereich. Noch sind diese vertikalen Gärten in Deutschland eher selten zu sehen. August Forster hofft allerdings auf eine steile Karriere dieser Konstruktionen, die Steinwolle mit eingestanzten Löchern, in die das Grün gesetzt wird, als Erde-Ersatz nutzen: „Die Wände bringen Leben

in Innenräume und verbessern das Raumklima“, erklärt der Präsident des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL). Im Außenbereich lassen sich damit architektonisch interessante Akzente setzen.

Apropos Löcher: Damit kennen sich auch die „Greenkeeper“ aus — Fachleute, die Golfplätze pflegen und dazu auch die Löcher regelmäßig versetzen müssen, um so zu verhindern, dass der Platz schnell wie ein Acker aussieht. Der Deutsche Golf Verband (DGV) gehört ebenfalls zu den Ausstellern auf der GaLaBau: „Wir haben hier unsere Heimat gefunden“, sagt Verbandsvorstand Klaus Dallmeyer.

Einst eine Wanderschau

Seinen Worten zufolge schließen sich der Ballsport und Natur keineswegs aus, im Gegenteil: Die Plätze können bei richtiger Pflege sogar einen Beitrag zum Umweltschutz liefern, sagt Dallmeyer. Denn von dem Areal einer 18-Loch-Anlage werde nur etwa die Hälfte für den Sport genutzt, auf den restlichen Quadratmetern Grün „kann man viel machen“ zugunsten der Natur — was laut dem Verbandsfunktionär hierzulande und in Skandinavien auch geschieht: „Die beiden Länder sind bei ,grünen‘ Golfplätzen führend.“

Passend zum heutigen Start der viertägigen Fachmesse GaLaBau — die einstige Wanderschau ist seit 1986 fest in Nürnberg etabliert — konnte BGL-Präsident Forster von florierenden Geschäften in der Garten- und Landschaftsbau-Branche berichten: „Unsere Betriebe sind derzeit voll ausgelastet. Wenn das Wetter in den letzten Monaten des Jahres mitspielt, werden wir ein Umsatzwachstum von fünf Prozent erzielen“ — und damit das Rekordjahr 2011 übertreffen, in dem sich der Gesamtumsatz der fast 16500 Fachbetriebe auf gut 5,5 Mrd. € summierte.

Neubau, Umbau und Renovierung von Privatgärten haben laut Forster nach wie vor Konjunktur: „Grün ist über alle Generationen hinweg gefragt. Und die Leute geben zurzeit ihr Geld lieber aus, als es zu niedrigen Zinsen anzulegen.“

Keine Kommentare