Jan Beinßen: Ein Leben zwischen Leichen und Luftverkehr

11.8.2010, 16:46 Uhr
Jan Beinßen: Ein Leben zwischen Leichen und Luftverkehr

© Eduard Weigert

Der Mann überrascht. Leise und zurückhaltend kommt Jan Beinßen daher, sparsam in den Gesten, fast unscheinbar. Zu trinken bestellt er ein schlichtes Glas Wasser. Fast nichts an dem 44-Jährigen ist, wie es das Klischee erwarten lässt: Von einem, der zwischen zwei Welten hin und her springt, den Menschen den Kosmos des Fliegens in den schönsten Farben verkauft und sie ein andernmal im Bett abends schlecht einschlafen lässt. Jan Beinßens Reich ist die Pressestelle des Flughafens Nürnberg. „Mein Job ist es, den Airport Nürnberg öffentlich gut darzustellen“, erklärt der gebürtige Niedersachse, den es einst der Liebe wegen nach Mittelfranken zog.

Der Flughafen bekommt eine Auszeichnung für den Service oder Nicolas Sarkozy landet nebst Gattin Carla Bruni auf dem Rollfeld — Beinßen saugt auf, was im Unternehmen glänzt und funkelt und sorgt dafür, dass es bekannt wird. Den Airport-Report, das Magazin des Flughafens, schreibt er und hebt auch schon mal ab, wenn ungeduldige Journalisten das Telefon von Airport-Sprecher Reto Manitz Sturm klingeln lassen, sein Chef aber nicht am Platz ist.

Beinßen liebt sein Umfeld, den Hauch von Urlaub und Fernweh in der Abflughalle, den Gestank von Kerosin in der Luft, die großen Maschinen auf der Startbahn. „Die Technik, die Möglichkeit abzuheben, über den Dingen zu schweben: das fasziniert mich“, sagt er — und es schwingt eine Begeisterung mit, die noch heute den kleinen Jan erahnen lässt, der in der Nachbarschaft eines Segelflugplatzes aufwuchs. „Da hat man als Junge natürlich immer gehockt und geschaut. So was prägt.“

Doch es gibt auch noch den anderen Jan Beinßen. Den, der Menschen sterben lässt, Intrigen spinnt, Verbrechen aufklärt, kurz: den Autor einer der erfolgreichsten Franken-Krimi-Reihen. Dann springt der Vater einer neunjährigen Tochter und zweier Söhne im Alter von sieben und fünf Jahren in seine zweite Welt: die des Fotografen Paul Flemming, der stets eher unfreiwillig zum Hobby-Ermittler wird und einen Mord aufklärt.

Frühe Auszeichnung

Wie der 44-Jährige das Doppelleben in zwei Welten meistert — hier der Verkäufer guter Nachrichten über den Flughafen, dort der Krimiautor? Er ist mit ihnen aufgewachsen. Die Mutter Journalistin, verbringt er die Kindertage nicht nur auf dem Segelflugplatz, sondern zieht schon als Grundschüler von Tür zu Tür. „Ich hab’ eigene Hörspiele auf Kassetten für zehn Pfennig an die Nachbarn verliehen“, sagt Beinßen und lächelt. Als Jugendlicher besucht er mehrfach die Internationale Luftfahrtausstellung. Zugleich dreht Beinßen nun Super-8-Filme. 1986 überreicht Bundesbildungsministerin Dorothee Wilms dem gerade 21-Jährigen sogar einen Preis beim Internationalen Film Festival Hannover. „Ich war sehr stolz und davon überzeugt, dass das der Schritt hin zum Profifilmer ist.“

Dass es anders kam, lag vielleicht nur an einem simplen Kabel. Das nämlich muss Beinßen als tatendurstiger Praktikant bei den Bavaria Filmstudios wochenlang Kameramännern hinterhertragen — nichts, worauf er lange Lust hatte. Stattdessen beginnt er lieber ein Germanistik-Studium in Hannover („Meine Eltern waren so froh, dass ich endlich was Vernünftiges machen wollte“), sattelt aber bereits 1988 erneut um und wird Redakteur bei einer niedersächsischen Lokalzeitung. Dem Beruf bleibt er auch nach dem Umzug nach Nürnberg treu. Parallel widmet sich Beinßen wieder verstärkt seiner Kinderliebe, dem Geschichtenschreiben — 1997 erscheint sein erster Roman „Zwei Frauen gegen die Zeit“. 2005 war es dann so weit: Der Familienvater, inzwischen bereits zwei Jahre beim Flughafen angestellt, veröffentlicht mit „Dürers Mätresse“ den ersten Fall von Berufsfotograf und Hobby-Ermittler Paul Flemming.

James-Bond-Fan

Der heißt nicht zufällig wie Ian Flemming, dem geistigen Vater von James Bond. Sitzt der 44-Jährige mal nicht im Flughafen oder feilt an neuen Krimifällen — der inzwischen fünfte Flemming-Fall liegt gerade druckfrisch in den Läden — schaut er leidenschaftlich gerne die Abenteuer des britischen Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten. „Ich kenne alle Bond-Filme und baue auch schon mal ein Zitat in meine Bücher ein.“

Was Beinßen indes gar nicht passt, ist Unordnung — wer zwei Welten vereinen muss, wird wissen, warum. „Ich bin schon sehr ordentlich, fast penibel.“ Und für die Seele fährt er einmal jährlich mit Familie und Wohnwagen in den Urlaub ins sonnenverwöhnte Südfrankreich. „Ideen entwickele ich am liebsten am Strand.“

Wenn er sich was wünschen dürfte? Beinßen nippt kurz an seinem Wasserglas. „Es kommt der Tag, da schreibe ich einen Luftfahrtkrimi, um meine beiden Welten zu vereinen.“ Ansonsten träumt er davon, dass eines seiner Bücher verfilmt wird — vielleicht ja sogar von den Bavaria-Studios, die sich ihres alten Praktikantens erinnern. Ein Kamerakabel bekäme Beinßen dort heute bestimmt nicht mehr in die Hand gedrückt.