Lehrstellennot: In Langwasser wird gehandelt

30.5.2006, 00:00 Uhr
Lehrstellennot: In Langwasser wird gehandelt

Michael betritt an diesem frühen Montagnachmittag als erster «Klient“ das helle, schlichte Büro im Nürnberger Stadtteil Langwasser. Es ist sein erster Besuch bei der Initiative «Ein Ausbildungsplatz ist jede Mühe wert“. Noch etwas verlegen setzt sich der blonde Hauptschüler an den runden Besprechungstisch und heftet den Blick auf seine Bewerbungsunterlagen, die vor ihm liegen.

Pensionär Alfons Strätz sitzt ruhig neben Michael und stellt Fragen: «Von welcher Schule kommst du? Wo hast du schon Praktika gemacht? Hast du in der Schule Ämter übernommen?“ und «Liest du Zeitung und Bücher?“ Der ehrenamtliche Berufsberater gibt sich Mühe, viel über Michaels Situation zu erfahren, um ihn bei seiner Suche nach einer Lehrstelle optimal unterstützen zu können.

Zusammen mit vier anderen Pensionären hilft Ingenieur Alfons Strätz benachteiligten Schülern aus Langwasser, auf dem hart umkämpften Ausbildungsmarkt eine passende Stelle zu ergattern. Bereits seit dem Sommer 2003 steht die Tür der Initiative den Hauptschülern in Langwasser weit offen.

Erfahrungen nutzen

Die fünf engagierten Senioren Sonja Gleissner, Edith Renelt, Wolfgang Stodieck, Walter Ketzinger und Alfons Strätz bieten den Schülern mehr als die Korrektur von Lebenslauf und Anschreiben. Sie hören aufmerksam zu, machen Mut und spielen mit den Schülern wirklichkeitsnah Einstellungstests und Vorstellungsgespräche durch. «Unsere Erfahrung und unsere Netzwerke sind nach wie vor sehr nützlich“, hebt Walter Ketzinger, früher Leiter im Arbeitsamt, hervor.

Das kostenlose Angebot der fünf ehrenamtlichen Berater kommt an. Kurz nach Beginn der Sprechzeit um 13 Uhr drängen sich bereits neun Schülerinnen und Schüler an die fünf Computer-Arbeitsplätze und suchen im Internet nach Ausbildungsstellen oder arbeiten an ihren Unterlagen. «Zwischen vier und zehn kommen immer“, sagt Edith Renelt, die ehemalige Arbeitsvermittlerin. Anmelden müssen sich die Schüler nicht, und niemand wird abgewiesen.

Früh bewerben

«Ich find’ es besser als das Arbeitsamt. Hier haben sie mehr Zeit“, lobt einer der Jugendlichen, der bald seinen Quali machen wird. Auch Verwaltungswirtin Renelt ist mit ihren Schülern zufrieden: «Wir haben nur die besten Erfahrungen gemacht. Sie sind ausgesprochen höflich.“

Doch manchmal machen sich die Schüler die Suche nach einer Lehrstelle unnötig schwer: «Leider fangen immer wieder welche zu spät an, sich zu bewerben. Eigentlich sollten sie das schon in der 8. Klasse tun, weil die Firmen meistens ein Jahr im Voraus planen.“

Die Atmosphäre im mittlerweile gut gefüllten Büro ist entspannt; bestimmt von gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Den Seniorberatern gelingt es deshalb mühelos, eine konzentrierte Arbeitsstimmung zu erhalten. Offenkundig nehmen sie ihre Schüler ernst, freuen sich mit ihnen über Erfolge und spornen immer wieder an.

Ihre Motivation erhält die Initiative am Leben. Eine Förderung durch die EU ist längst ausgelaufen. Seither lebt «Ein Ausbildungsplatz ist jede Mühe wert“ von den Preisgeldern, die das Projekt vom Agenda-21-Netzwerk und vom Stadtteil Langwasser bekommen hat.

Michael schließt nach über zwei Stunden seine Arbeit ab. Den gerade neu konzipierten Lebenslauf bekommt er auf einer Diskette zum Mitnehmen mit nach Hause. Bei der Verabschiedung wirkt er gelöst, und er verspricht: «Ich komme bestimmt wieder.“ Alfons Strätz lacht: «Bisher sind sie alle wiedergekommen.“ Und dabei wendet er sich schon der nächsten Schülerin zu, um mit ihr einen Einstellungstest durchzuspielen. Weitere Informationen zur Initiative «Ein Ausbildungsplatz ist jede Mühe wert“ sind im Internet zu finden.

(www.bewerbung-langwasser.de)