Minijobs und Leiharbeit: Risiko der Altersarmut steigt

16.8.2017, 21:20 Uhr
Wenig Verdienst führt zu wenig Rente, die wiederum ist Ursache für Altersarmut.

© dpa Wenig Verdienst führt zu wenig Rente, die wiederum ist Ursache für Altersarmut.

Der Arbeitsmarkt boomt - dennoch hat gut jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland keinen regulären Job. 7,7 Millionen Menschen arbeiten nach neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts als Minijobber, Leiharbeiter, befristet oder in Teilzeit mit weniger als 20 Stunden. Seit drei Jahren ist der Anteil mit gut 20 Prozent der Erwerbstätigen nahezu unverändert.

Der Sozialverband VdK Deutschland warnt deshalb vor Alterarmut. "Wer wenig verdient, zahlt wenig in die Rentenkasse", sagt VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. "Der konstant hohe Anteil atypischer, und in ihrer Mehrheit prekärer, Beschäftigungsverhältnisse ist besorgniserregend."

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes entstanden im vergangenen Jahr 808.000 zusätzliche reguläre Jobs. Die Zahl der Erwerbstätigen in einem sogenannten Normalarbeitsverhältnis - unbefristet, voll sozialversicherungspflichtig, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden - stieg im Vergleich zum Vorjahr auf 25,6 Millionen.

Frauen sind öfter betroffen

Zugleich erhöhte sich aber auch die Zahl der Menschen in atypischer Beschäftigung um 121.000 auf 7,7 Millionen. "Bereits seit einigen Jahren ist der Anstieg der atypischen Beschäftigung nicht mehr mit dem Abbau von regulären Arbeitsplätzen verbunden, wie es noch in den Nullerjahren der Fall war", sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP), Thomas Hetz. "Die noch immer gängige Vorstellung, dass Unternehmen Normalarbeitsplätze abbauen und durch Teilzeitstellen, Minijobs oder Leiharbeit ersetzen, trifft die Realität auf dem Arbeitsmarkt seit mindestens 2010 nicht mehr."

Frauen haben deutlich häufiger als Männer keinen regulären Job. 5,3 Millionen waren es im vergangenen Jahr. Als Grund gelten fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Laut einer Prognos-Studie für das Familienministerium haben gut vier von zehn Grundschulkindern (44 Prozent) derzeit kein Betreuungsangebot nach dem Unterricht, obwohl viele Eltern dringenden Bedarf anmelden.

"Fast 100.000 Mütter mit Kindern zwischen 6 und 10 Jahren arbeiten wegen fehlender oder zu teurer Betreuungsplätze lediglich in Teilzeit. Ein Viertel von ihnen ist alleinerziehend", sagt Familienministerin Katarina Barley (SPD). "Das sind auch Fachkräfte, die uns auf dem Arbeitsmarkt fehlen". Barley will die Ganztagsbetreuung von Grundschülern ausbauen.

Aus Sicht des VdK und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) muss aber mehr getan werden. Der VdK fordert eine Anhebung des Mindestlohns von derzeit 8,84 Euro auf mindestens 12 Euro in der Stunde. "Das ist ein wichtiger Schritt, damit Erwerbstätige eine armutsfeste Rente erwirtschaften können", argumentiert Mascher. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte jüngst, "den Niedriglohnbereich auszutrocknen, Minijobs in abgesicherte Beschäftigung umzuwandeln und die sachgrundlose Befristung abzuschaffen".

Typische Problembereiche

Besonders junge Menschen bekämen immer öfter nur befristet Arbeit. Verbreitet ist atypische Beschäftigung vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen, im Handel und in Kfz-Werkstätten. Dort arbeiten vergleichsweise viele Menschen in Minijobs, Teilzeit, befristet oder als Leiharbeiter. Sie sind nicht unbedingt schlecht ausgebildet.

4,4 Millionen der atypisch Beschäftigten hatten 2016 nach Daten der Wiesbadener Behörde eine anerkannte Berufsausbildung, knapp 1,6 Millionen sogar einen Meister, Fachhochschulabschluss oder ein Universitätsstudium. 1,6 Millionen hatten keine anerkannte Ausbildung. Beim Rest gab es keine Angaben.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte jüngst mit einer Bemerkung über Minijobber bei Twitter Empörung ausgelöst. Auf die Nachfrage eines Twitter-Nutzers hatte er geantwortet "Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.» Später bedauerte Tauber seine Äußerung. Es tue ihm leid, dass er sein Argument «so blöd formuliert und damit manche verletzt habe".

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