Mission "Bezahlbare Wohnungen braucht das Land"

20.7.2017, 06:00 Uhr
In Deutschland wird gebaut - allerdings nicht genug: Vor allem günstiger Wohnraum fehlt.

© Arno Burgi/dpa In Deutschland wird gebaut - allerdings nicht genug: Vor allem günstiger Wohnraum fehlt.

Zum Gespräch ins Nürnberger Pressehaus kommt Hannes Zapf pünktlich wie die Maurer und legt auch gleich los. „Uns fehlen in Deutschland inzwischen eine Million Wohnungen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Behringersdorfer Kalksandsteinherstellers Zapf und zitiert eine aktuelle Prognos-Studie. Der zufolge ist der Mangel nicht mehr nur ein Phänomen der Ballungsräume und der Top-7-Großstädte – München, Berlin, Hamburg, Frankfurt/Main, Düsseldorf, Köln und Stuttgart: Auch ländliche Regionen sind zunehmend betroffen.

Wie lassen sich zusätzliche, insbesondere günstige Wohnungen schaffen?  Die Frage beschäftigt Politiker aller Couleur. Kein Wunder: Der Mangel birgt jede Menge sozialen Sprengstoff. Und die Bundestagswahl steht vor der Tür.

Hannes Zapf liegt das Thema Wohnungsbau schon lange am Herzen – und das nicht nur deshalb, weil der Unternehmer sein Geld mit dem Verkauf von Steinen verdient. Der 56-Jährige engagiert sich seit vielen Jahren bei „Impulse für den Wohnungsbau“, dessen Sprecher er in Bayern ist. Das Bündnis wurde 2004 auf Initiative des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, des Bundesverbandes Baustoffe, Steine und Erden, des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes und der deutschen Mauerwerksindustrie ins Leben gerufen. Auch der Deutsche Mieterbund gehört dem Netzwerk mit inzwischen 30 Verbände und Organisationen an.

Glatt halbiert

Die Baustelle „Wohnraummangel“ ist seit Jahren bekannt, konkrete Vorschläge und Forderungen, wie das Problem angegangen werden kann, sind es ebenfalls – geschehen ist nach Einschätzung vieler Kritiker trotzdem viel zu wenig. Auch Zapf gehört zu diesem Kreis. Was er als Erstes anpacken würde, wenn er an der Regierung wäre? „Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau aufstocken und gleichzeitig die Abschreibungsmöglichkeiten, die AfA, erhöhen und damit den Anreiz für private Anleger und Investoren, in den Mietwohnungsbau einzusteigen“, zählt Zapf auf. 

Mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und dessen Finanzierung dauerhaft als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern verankern: Das fordern viele Fachleute, darunter Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Denn die Zahl dieser Wohnungen mit Mietpreis- oder Belegungsbindung ist in den vergangenen Jahren massiv gesunken. Laut GdW hat sie sich zwischen 2002 und 2016 bundesweit glatt halbiert auf rund 1,3 Millionen.

Zu wenig Sozialwohnungen

Nach Angaben des Deutschen Mieterbundes (DMB) entstanden in den vergangenen beiden Jahren zusammen 40.000 neue Sozialwohnungen – der Schwund per anno liege bei rund 50.000. „Benötigt werden mindestens 80.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr“, unterstreicht DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. Auch er fordert: Der Bund müsse die Finanzmittel weiter aufzustocken, die Länder müssten das Geld zweckgerichtet verwenden und eigene Haushaltsmittel in gleicher Höhe für den Sozialwohnungsbau aufbringen.

Mission

© Roland Fengler

Dass hierzulande in den gefragten Städten und Kommunen zu wenig für Einkommensschwächere, aber auch Otto Normalverdiener gebaut wird, liegt – auch da sind sich Experten auf breiter Front einig – an den hohen Erstellungskosten. Grundstücke dort sind knapp und teuer, die in der Republik geltenden technischen Regelungen und Standards anspruchsvoll. Ulrike Kirchhoff, Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes Bayerischer Grund-, Haus- und Wohnungsbesitzer, konstatierte vor kurzem lakonisch: Preisgünstig zu bauen, sei angesichts der ganzen Vorgaben gar nicht möglich.

Die lieben Nachbarn...

Dass in den Städten nicht genug gebaut wird, liegt Zapf zufolge auch an den Menschen, die dort bereits wohnen: Beim Thema Nachverdichtung gebe es immer häufiger ein „Akzeptanzproblem bei den Nachbarn“. GdW-Präsident Gedaschko spricht von zunehmenden Streitigkeiten im Planungsprozess, die den Neubau verzögern.

„Bauherren haben es hier immer häufiger mit dem sogenannten Nimby-Trend zu tun“, berichtet er. Nach dem Motto „Not in my backyard“ („Nicht in meinem Garten“) würden Anrainer immer öfter versuchen, Bauprojekte zu verhindern. Gedaschkos Fazit: „Wir brauchen eine echte Willkommenskultur für Bagger und Neubau – bei den Menschen in den Quartieren und bei der Politik.“

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