Nürnberger Möbelhandwerk wie im Museum

21.7.2009, 00:00 Uhr
Nürnberger Möbelhandwerk wie im Museum

© Stefan Hippel

Es ist ein wenig wie im Museum: Schränke und Truhen aus dunklem Holz durch massive Schlüssel vor unerlaubten Zugriff geschützt, mit Schellack polierte Tische und edle Stühle, auf die man sich nicht zu setzen wagt. Doch Robert Reichel lädt den Besucher ein, Platz zu nehmen. Die Antiquitäten seien durchaus zum Gebrauch geeignet; bei richtiger Pflege reiche im Durchschnitt eine professionelle Überholung alle 100 Jahre, sagt der Restaurator.

Wertstabile Anlage

Wenn trotzdem Schübe blockierten oder Schlösser nicht mehr sperrten, läge dies daran, dass die Antiquitäten nicht fachgerecht restauriert seien, meint der Schreinermeister. «Dann schimpfen die Leute auf die Antiquitäten.« Dabei hätten sich diese Möbel in den vergangenen Jahren als wertstabile Anlage erwiesen, so der Experte, der überzeugt ist, dass ein einziges altes Stück zum «Pfiff der ganzen Wohnung« avancieren könne.

Stolz präsentiert der 62-Jährige einige Beispiele - angefangen von der mainfränkischen Kommode aus verschiedenen Hölzern mit Barockaufsatz über das schlichte, norddeutsche Buffet bis hin zu einem reich verzierten Nürnberger Abendmahlschrank, der Anfang des 20. Jahrhunderts nachgebaut worden ist. Doch der Verkauf von Mobiliar sei nur ein Nebeneinkommen.

«90 bis 95 Prozent sind Privataufträge«, betont Reichel. So wie der massive Schrank, den einmal eine Dame zum Restaurieren gab. «Wir wunderten uns bei der Abholung, warum der so schwer war.« Bei den Arbeiten sei dann ein komplettes Silberbesteck in einem Geheimfach zum Vorschein gekommen, erinnert sich der Familienvater aus Lauf und schmunzelt: «Die Leute haben sich damals noch was einfallen lassen.« Neben der Präsentation des Ideenreichtums früherer Epochen diene die Ausstellung vor allem dazu, Kunden eine Vorstellung zu vermitteln, was technisch möglich sei, sagt der Unternehmer.

«Wir machen alles, was früher ein Schreiner halt gemacht hat«, resümiert der Senior, und das gelte für alte wie für neue Möbel. Zum Angebot des Familienbetriebes zählt beispielsweise das Abbeizen, der Nachbau von Teilstücken, das Handpolieren sowie das Entwurmen von Antiquitäten mit ätherischen Ölen in einer Wärmekammer. Auch Schlösser werden repariert, Flecken beseitigt und Kleinteile blattvergoldet. Bei kunstvollen Beschlägen oder Polsterarbeiten etwa kooperiert man dagegen bayernweit mit verschiedenen Spezialisten.

Nachfolge gesichert

Reichels Augen glänzen, als er mit feinen Einlegearbeiten gestaltete Schatullen hervorholt. «Damit hat mein Vater nach dem Krieg wieder angefangen«, berichtet der 62-Jährige, der in der Antiquitäten-Werkstatt aufgewachsen ist und schon als Bub Intarsien gefertigt hat.

Bestätigung, dass er von Firmengründer Gustav Reichel viel gelernt habe, erfuhr der Junior nicht zuletzt 1965 durch den Gewinn der Gold-Medaille im Schreinerhandwerk bei einem internationalen Berufswettkampf in England. «Das ist praktisch wie die Olympiade«, erklärt Robert Reichel. Seit 1973 leitet der passionierte Akkordeonspieler das Geschäft und freut sich, dass auch er es einmal an einen Profi übergeben kann: Schreiner und Schwiegersohn Ralf Schmidt ist mit dem Meisterpreis der bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet.