Nürnbergs Händler freuen sich über U-Bahn-Eröffnung

11.6.2008, 00:00 Uhr
Nürnbergs Händler freuen sich über U-Bahn-Eröffnung

© Matejka

Ihr Unmut ist immer noch zu spüren, wenn Elisabeth Pawlitzki nach den Erfahrungen mit der Großbaustelle vor ihrem Blumengeschäft in der Von-der-Tann-Straße gefragt wird. «Vier knallharte Jahre waren das«, berichtet sie und ist froh, dass sie diese Zeit nicht nur überstanden, sondern auch ihre Mitarbeiterinnen über diese Durststrecke gebracht hat.

Auch den Geschäftsleuten in der Nachbarschaft haben Lärm, Dreck, unpassierbare Gehwege und Zugänge sowie vor allem fehlende Parkplätze lange schwer zu schaffen gemacht. Metzger Thomas Wunder beziffert seine Umsatzeinbußen auf zeitweise bis zu 40 Prozent. Der U-Bahn-Bau sei die größte wirtschaftliche Belastungsprobe gewesen, die das von ihm schon in dritter Generation geführte Familienunternehmen je zu bestehen hatte. Seine Existenz sichern konnte er nur deshalb, weil er auch eine Reihe von gastronomischen Betrieben zu seinen Kunden zählt, die er mit Fleisch- und Wurstwaren beliefert.

Hausbesuche und Mailings

Wie viele ihrer Kollegen haben Renate und Friedrich Rehn - das in Großreuth aufgewachsene Unternehmer-Ehepaar betreibt in der Von-der-Tann-Straße ein Hörgeräte-Fachgeschäft - nicht nur mit Klagen reagiert. «Wir«, so Renate Rehn, «haben die schwierige Situation als Herausforderung gesehen, die Qualität unserer Leistungen weiter zu verbessern«. Hausbesuche, Hörtest-Aktionen und diverse Mailings trugen dazu bei, dass die Nähe zum angestammten Kundenkreis trotz der Beeinträchtigungen durch den Bau nicht verloren ging.

Ein weiteres Pfund, das die betroffenen Geschäftsleute in die Waagschale werfen konnten, war der Zusammenhalt, mit dem sie der Situation begegneten. In einer gemeinsamen Aktion belohnten sie vor drei Jahren ihre Kunden mit einem Dankeschön-Gewinnspiel für die Treue.

Mit von der Partie waren - außer den erwähnten Firmen - der Obst- und Gemüseladen Elsbergen, der benachbarte Tabak- und Zeitschriftenladen, die HypoVereinsbank, die Wallenstein-Apotheke sowie die Bäckerei Nachtrab. Sie ist heute nicht mehr vor Ort, die Räumlichkeiten wurden von einer Filiale der «Back.Bude«- Kette übernommen.

Über 50 Jahre Mode

Zu den alt eingesessenen Läden im Umkreis der neuen U-Bahn-Endhaltestelle auf Zeit (ein Weiterbau ist bekanntlich geplant) gehört auch «Textil Schmidt«. Sylvia Raab führt heute das Fachgeschäft, das vor mehr als fünfzig Jahren von ihrer Mutter in dem Wohn- und Geschäftshaus in der Wallensteinstraße 35 gegründet wurde. Auch sie hatte massiv unter den Auswirkungen des U-Bahnbaus zu leiden. «Leider haben einige den nicht überlebt«, sagt sie. Ihr dagegen ist das mit Kreativität und Extra-Angeboten gelungen: Wenn die (vorwiegend weiblichen) Kunden schon nicht zu ihr kommen konnten oder wollten, fuhr sie eben zu diesen nach Hause und bot ihnen einen erweiterten Liefer- und Probier-Service.

Verstärkte Werbung und Direkt-Mailings an die Stammkunden waren auch für sie weitere Mittel, die Stammkund(inn)en bei der (Kleider-)Stange zu halten. Heute sieht sie mit Spannung möglichen neuen Kunden entgegen, liegt ihr Geschäft doch unmittelbar an einem der U-Bahn-Zugänge.

Neue Partner

Insgesamt sehen die Besitzer der Einzelhandelsgeschäfte im Umfeld der neuen Station, die zugleich zur Drehscheibe für den gesamten Busbetrieb im Südwesten und in den Landkreis Fürth wird, die Zukunft des Standorts mit Optimismus. Das gilt besonders auch für Gernot Schindler, der mit seiner ehemaligen «Wallenstein-Apotheke« - gestärkt durch neue Kooperationspartner - unter dem Namen «Medicon-Apotheke« ins Ladenlokal des vormaligen Spar-Markts an der Wallensteinstraße gezogen ist und damit seine Verkaufsfläche und sein Angebot deutlich erweitert hat. In den frei gewordenen Räumen in der Von-der-Tann-Straße eröffnet pünktlich zur U-Bahn-Eröffnung Ulrike Müller ihr neues Brillenstudio.

Die agile Geschäftsfrau ist so überzeugt von der Qualität des neuen Standortes, dass sie die Inhaber der umliegenden Läden für den 14. Juni wiederum zu gemeinsamen Gewinnspiel angeregt hat. Anstecken ließ sie sich nicht zuletzt durch die Begeisterung ihres neunjährigen Sohnes, der jede Gelegenheit für eine Fahrt mit der neuen fahrerlosen U-Bahn wahrnimmt. «Ich bin«, so erklärt sie, «fasziniert von dieser neuen Technik und überzeugt von der Strahlkraft und Attraktivität dieses neuen Vorzeigeprojekts«. Und, fast wie bei Hase und Igel - auch «Der Beck« ist pünktlich zum U3-Start schon da.

Echtes Versorgungszentrum

Tatsächlich ist die Umsteigestation Gustav-Adolf-Straße auf gutem Weg, sich zu einem echten Nahversorgungszentrum zu entwickeln. Hier können Anwohner und Umsteiger beinahe alles bekommen, was sie zum täglichen Leben brauchen. Was fehlt, ist allein ein Lebensmittelmarkt. Mehr Parkplätze dagegen wird es auch auf längere Sicht an dieser Stelle kaum geben - dafür fehlt an der belebten Kreuzung einfach der Platz. Und als Park-and-Ride-Bahnhof kommt nur eine Station in Frage, die eines Tages vielleicht in Gebersdorf oder möglichst im Landkreis Fürth entsteht.