Per Helikopter zur Bohrinsel

9.7.2017, 19:07 Uhr
Per Helikopter zur Bohrinsel

© Foto: Thomas Tjiang

Wer sich auf der Straße nach der Firma Hemmersbach umhört, erntet meist ein Achselzucken. Manchmal erinnert man sich an die Ursprünge als Radio- und TV- Fachhändler. Tatsächlich hat die Nürnberger Hemmersbach GmbH & Co. KG zuletzt einen Umsatz von rund 200 Mio. Ã erzielt und erbringt als weltweiter Zulieferer der IT-Industrie Dienstleistungen in 190 Ländern.

Darunter gehören auch spektakuläre Services. Wenn auf einer Bohrinsel die Computertechnik Schwierigkeiten macht, rückt ein Hemmersbach-Serviceexperte per Helikopter an, um die Probleme zu beheben. "IT-Services everywhere" lautet der aktuelle Firmen-Slogan, der auch den Support in einer Forschungsstation im ewigen Eis, für eine Messstation auf einem Berggipfel oder in der staubigen Savanne mit einschließt.

"Wir haben etwas ganz Triviales erfunden", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Ralph Koczwara stolz. Das Unternehmen bietet einen weltweiten IT-Service, entweder über die mittlerweile 34 Landesniederlassungen rund um den Globus oder über speziell autorisierte Partner in über 190 Ländern. Hemmersbach hat sich den globalen Trend bei den großen Herstellern von PCs, Notebooks und Druckern sowie Outsourcern, die IT-Arbeitsplätze ausstatten, zunutze gemacht. Sie wollen länder- und sogar kontinentübergreifend auf immer weniger Dienstleister zurückzugreifen. "Wir haben kein Endkundengeschäft", gearbeitet wird als reiner Zulieferer für Branchenriesen wie IBM, HP, Lenovo oder auch Accenture.

In zwei Stunden vor Ort

Für die Kunden der Auftraggeber wird in den jeweiligen Ländern rund um den Globus ein "Workplace Service" erbracht, bei Bedarf mit einer Vor-Ort-Reaktion innerhalb von zwei Stunden. Zweites Standbein des Geschäfts sind "Data Center & Network Services", der weltweite Betreuung zentraler Serversysteme und Netzwerkinfrastruktur. Dritter Geschäftsbereich ist im polnischen Breslau eine eigene Reparaturzentrale für elektronische Endgeräte mit europaweitem Pickup- und Return-Service.

Lange wollte Koczwara gar nicht über den eigenen Erfolg sprechen, auch um potenzielle Mitbewerber nicht zusätzlich anzulocken. Schließlich wurde das Unternehmen bereits zweimal, zuletzt 2016, mit dem Mittelstandspreis "Bayerns Best 50" vom Freistaat Bayern für besonderes Umsatz- und Beschäftigungswachstum ausgezeichnet. Das Umsatzplus lag im letzten Jahr bei rund 40 Prozent. In diesem Frühjahr folgte im europaweiten Vergleich "Europe’s Fastest Growing Companies" der Financial Times eine Top-50-Platzierung in der Kategorie "Mehr als 100 Mio. Ã Umsatz".

Sein Erfolgsrezept begründet Koczwara mit "Fokussierung und Stetigkeit". Dahinter verbergen sich drei Aspekte: Erstens geht Hemmersbach nie in den Wettbewerb mit seinen Kunden, die Endkunden erhalten kein alternatives Angebot, um jegliche Interessenskonflikte mit dem Auftraggeber zu vermeiden. Zweitens rechnet Hemmersbach keinen Aufwand nach Arbeitsstunden ab, sondern lässt sich etwa pro Geschäftsvorfall bezahlen. Damit liegt das Leistungs- und Produktivitätsrisiko direkt beim Nürnberger Unternehmen. Dieses Effizienzrisiko geht Hemmersbach ein, weil drittens das sogenannte "Autonomic Computing" für effizienten Service sorgt, mit dem pro Monat rund 150 000 Aktivitäten abgearbeitet werden.

Eine Besonderheit aus diesem Geschäftsmodell ist der interne Sprachstandard: Man spricht Englisch. Das erleichtere schon mal die Rekrutierung neuer Mitarbeiter, weil die deutsche Sprache keine Einstellungsvoraussetzung ist. Trotzdem sind neue Mitarbeiter nicht ganz leicht zu finden. Weltweit werden aktuell über 100 Experten gesucht. Zuletzt wurden 2400 Mitarbeiter weltweit beschäftigt, davon sind in Nürnberg rund 700 fest angestellt. Im polnischen Breslau, dem größten Auslandsstandort und zugleich die Reparatur-Niederlassung sind es ebenfalls 700 Beschäftigte.

Abschluss gar nicht so wichtig

Um passenden Nachwuchs zu bekommen, setzt Koczwara unter anderem auf Hochschulmarketing, Abschlussarbeiten im Unternehmen und Traineeprogramme, "Menschen sind unser wichtigster Rohstoff". Und: Wichtiger als ein Hochschulabschluss ist für ihn "die Bereitschaft, sich zu entwickeln".

Koczwara selbst verweist gern bei neuen Mitarbeitern auf "meine beiden Abschlüsse: Abitur und Führerschein". Für ihn ist der wirtschaftliche Erfolg eine "Folge von etwas gut machen", Erfahrungswissen sei häufig wichtiger, als manches Modell, das an der Hochschule gelehrt wird. Er selbst hat bereits mit 15 Jahren neben der Schule im väterlichen Computergeschäft Erfahrung in Verkauf und Dienstleistung gesammelt. Im Jahr 2000, Koczwara war 23 Jahre alt, kaufte er die defizitäre Nürnberger Firma Hemmersbach, damals ein technischer Dienstleister für die Metro-Gruppe mit knapp 20 Mitarbeitern – die Geburtsstunde der heutigen "Globalen IT-Services".

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