Digitale Kontaktnachverfolgung

Streit um Luca-App: Konkurrenz sieht Bruch des Vergaberechts

11.6.2021, 05:55 Uhr
An vielen Türen von Restaurants und Bars sind bereits die QR-Codes für das Einscannen in die Luca-App angebracht. 

© Christoph Soeder/dpa, NN An vielen Türen von Restaurants und Bars sind bereits die QR-Codes für das Einscannen in die Luca-App angebracht. 

Als erste Stadt in Bayern hatte Nürnberg Ende März die Luca-App eingeführt - ein Modellversuch, mit dem viele Hoffnungen verknüpft waren: Mit der App sollte die Zettelwirtschaft in Restaurants und bei Events endlich der digitalen Gästeregistrierung weichen und den Gesundheitsämtern die Nachverfolgung bei Covid-Fällen erleichtern.

Offenbar ein überzeugendes Argument: Von den Bundesländern griff Mecklenburg-Vorpommern zuerst zu, inzwischen hat die Mehrheit Lizenzen zur Nutzung der App gekauft, darunter auch Bayern. Kostenfaktor für den Freistaat: rund 5,5 Millionen Euro. Damit sei die Nutzung für Gesundheitsämter und Betreiber - Gastronomen, Behörden, Einzelhändler, Einrichtungen mit Publikumsverkehr - sowie für die Bürger selbst kostenlos", erläuterte ein Sprecher des Bayerischen Staatsministerium für Digitales (StmD) auf Anfrage.

"Wir fühlen uns klar benachteiligt"

Doch am Kauf der Lizenzen gibt es Kritik: Konkurrenten der Luca-App bemängeln, dass der Freistaat das Vergaberecht gebrochen habe, da es keine öffentliche Ausschreibung für eine solche App gab. "Wir fühlen uns in dieser Sache klar benachteiligt, weil wir nie die Möglichkeit hatten, unser Produkt vorzustellen", sagt Patrick Walowski, Geschäftsführer des Nürnberger Unternehmens "Vorreiter Technologie GmbH".

Seit vier Jahren gibt es das Unternehmen, das unter anderem die Entwicklung von Apps anbietet. Tatsächliche wandte sich Walowski laut eigener Aussage bereits im vergangenen Jahr mit Vorschlägen zu einer ähnlichen App an das Ministerium, erhielt allerdings eine Absage. "Wie passt das zusammen, wenn man jetzt einen solchen Millionenauftrag vergibt, ohne wenigstens eine Ausschreibung zu machen?", ärgert sich Walowski.

Das Ministerium selbst sieht sich im Recht. Auf Anfrage schreibt der Sprecher: "Vor dem Hintergrund der Pandemie-Bekämpfung wurden die auf dem Markt verfügbaren Systeme geprüft und die zwei Anbieter zur Abgabe eines Angebots aufgefordert, die aus fachlicher Sicht die erforderliche Leistung in der zur Verfügung stehenden Zeit erbringen konnten." Die Entscheidung sei aus rein fachlichen Gründen auf Luca aufgefallen.

Tatsächlich können öffentliche Ausschreibungen bei der Vergabe eines solchen Auftrages ausnahmsweise vermieden werden, erklärt Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht bei der Nürnberger Kanzlei Rödl und Partner. "Man greift dann auf ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit einem oder mehreren Unternehmen zurück. Das hat natürlich den entscheidenden Vorteil, dass die Beschaffung schneller geht." Ein solches Vorgehen sei aber nur dann zu rechtfertigen, wenn nur diese Unternehmen wegen der zwingenden Dringlichkeit leistungsbereit seien. Zudem müsse die Markterkundung ordentlich dokumentiert werden, betont Schröder.

Beschwerden auch in anderem Bundesland

Dass es eine - im juristischem Fachjargon genannte - "Eilbedürftigkeit der Beschaffung" gegeben hat, das hat bereits die Vergabekammer in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Dort hatte ein Unternehmen Beschwerde gegen den Lizenzkauf eingereicht. Die Kammer wies die Klage jedoch zurück.

Patrick Walowski ist dennoch vom Vorgehen des bayerischen Staatsministeriums enttäuscht: "Wenn, wie angegeben, eine Marktanalyse stattgefunden hat, so haben wir davon nichts erfahren. Damit bleiben die Vergabe und deren Kriterien für mich intransparent."


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Leena Simon, Datenschutzaktivistin beim Verein Digitalcourage, bemängelt zudem einen weiteren Punkt: "Der Bund hatte ja schon eine App, die Corona-Warn-App." Anstatt diese, ebenfalls mit Steuermitteln finanzierte App aber einfach weiterzuentwickeln, habe man viel Geld für ein neues System ausgegeben. Kritik an der Luca-App kam auch bereits vom Chaos Computer Club. Die Hackervereinigung hatte im April mit Verweis auf mehrere Sicherheitsprobleme gefordert, keine Steuermittel mehr für das Programm auszugeben.

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