Tag der Unternehmer: Warum sich Haltung lohnt

21.10.2019, 11:34 Uhr
Prangerte die Polizeigewalt gegen Farbige in den USA an und geriet so ins sportliche Abseits: der American-Football-Spieler Colin Kaepernick. Der Sportartikelhersteller Nike riskierte dennoch eine Werbekampagne mit ihm und zeigte ihn zum Beispiel auf dieser Werbetafel in New York. Dieses Wagnis zahlte sich auch in barer Münze aus.

© ANGELA WEISS, NN Prangerte die Polizeigewalt gegen Farbige in den USA an und geriet so ins sportliche Abseits: der American-Football-Spieler Colin Kaepernick. Der Sportartikelhersteller Nike riskierte dennoch eine Werbekampagne mit ihm und zeigte ihn zum Beispiel auf dieser Werbetafel in New York. Dieses Wagnis zahlte sich auch in barer Münze aus.

Dass ihnen Werte wichtig sind, haben Unternehmen zwar schon immer behauptet. Doch zum ersten Mal könnte es sich rächen, wenn sie diesen Worten nicht tatsächlich Taten folgen lassen, prophezeit Marken-Experte Karsten Kilian. Seine Analyse: Wir Kunden sind erwacht und stellen Ansprüche an die Haltung eines Unternehmens.

Herr Kilian, angenommen, ein großer deutscher Autobauer sucht ein neues Werbegesicht und bittet Sie um Hilfe: Welchen Promi würden Sie anrufen?

Sehen Sie, das ist genau der falsche Ansatz. Früher war das tatsächlich so, dass das Werbegesicht häufig nach den Vorlieben des Chefs ausgesucht wurde – und wenn der schon immer mal George Clooney treffen wollte, wurde es eben George Clooney. Egal, ob dessen Image zur eigenen Marke passte oder nicht.

Diese Zeiten sind vorbei?

Ab und zu gibt es das schon noch. Idealerweise klärt ein Unternehmen heute aber zuerst, welche Werte ihm eigentlich wichtig sind und welches höhere gesellschaftliche Ziel es verfolgt. Erst dann kann solide die Frage beantwortet werden, mit welcher prominenten Person ich diese Werte glaubhaft nach außen tragen und die Kunden dazu bringen kann, deshalb bei mir zu kaufen – und nicht beim Wettbewerb.

Was meinen Sie konkret, wenn Sie von "Werten" sprechen?

Bei den Werten unterscheiden wir zwei Ebenen. Zum einen natürlich die klassischen Eigenschaften eines Produkts wie Robustheit oder Langlebigkeit. Zum anderen die moralischen Werte, die wir heute vielfach mit unternehmerischer Verantwortung oder Haltung umschreiben. Dazu zählt der faire Umgang mit den eigenen Mitarbeitern genauso wie der effiziente Einsatz von Ressourcen.

Aber haben die meisten Unternehmen nicht schon immer behauptet, dass ihnen solche Fragen ganz, ganz wichtig sind – und im Zweifel hatte sich dann doch wieder alles den Gewinnzielen unterzuordnen, egal, ob das beispielsweise Tausende Arbeitsplätze kostete?

Ja, viele Firmen sind in der Vergangenheit daran gescheitert, ihre Versprechen zu halten. Aber es gibt auch positive Beispiele wie etwa Hipp (Hersteller von Babynahrung, Anm.d. Red.): Claus Hipp, ein gläubiger Christ, hat schon 1963 auf biologischen Landbau umgestellt, auch wenn das für den Gewinn des Unternehmens zunächst alles andere als förderlich war. Damals haben ihn viele dafür ausgelacht, heute wird er mit loyalen Kunden belohnt. Ich bin fest davon überzeugt, dass beide Werteebenen für Unternehmen künftig noch viel stärker über Erfolg oder Misserfolg entscheiden werden als heute. Was wir herstellen, ist nicht mehr entscheidend. Sondern vielmehr, wie und warum wir etwas herstellen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Karsten Kilian ist Leiter des Masterstudiengangs Marken- und Medienmanagement an der Hochschule Würzburg- Schweinfurt. Vor 15 Jahren gründete er zudem Markenlexikon.com, das nach eigenen Angaben größte Online-Markenportal im deutschsprachigen Raum.

Der Wirtschaftswissenschaftler Karsten Kilian ist Leiter des Masterstudiengangs Marken- und Medienmanagement an der Hochschule Würzburg- Schweinfurt. Vor 15 Jahren gründete er zudem Markenlexikon.com, das nach eigenen Angaben größte Online-Markenportal im deutschsprachigen Raum. © privat

Woher diese Zuversicht?

Weil der Kunde das heute fordert! Klar, auch hier gilt: Gesagt ist leichter als getan. Aber eine Haltung, die nichts kostet, ist auch keine. Eine Haltung kostet immer Opfer. Ich sehe zum ersten Mal, dass wir Kunden tatsächlich anfangen, unser Verhalten zu ändern und für eine bessere Welt bereit sind, Einbußen bei Komfort oder Geld hinzunehmen – und Unternehmen meiden, von denen wir das Gefühl haben, dass sie keine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Zumindest ein wachsender Teil von uns Kunden, gerade unter den Jüngeren.

Das heißt, Werte werden tatsächlich relevant für den Unternehmenserfolg und das Marketing?

Ja. Zumal nicht nur die Kunden ihr Verhalten ändern, sondern auch die Politik verstärkt handelt und entsprechende Vorgaben macht. Und schließlich als dritte Gruppe die eigenen Mitarbeiter, die auf die Einhaltung von Werten pochen. Wer top qualifizierte und motivierte Mitarbeiter haben möchte, muss dafür heute mehr bieten als ein gutes Gehalt. Etwas Gehaltvolles ist notwendig. Noch sind viele Unternehmen nicht so weit – insbesondere wenn sie börsennotierte Unternehmen sind –, dass ein Konzern argumentiert, man habe zwar eine Milliarde weniger Gewinn gemacht, dafür aber diesen und jenen Beitrag für die Gesellschaft geleistet – und alle Aktionäre klatschen. Aber wir sind auf dem Weg!

Fällt Ihnen zum Abschluss eine Werbekampagne ein, in der ein Unternehmen ein werteorientiertes Marketing schon glaubwürdig umgesetzt hat?

Da denke ich gleich an Nike und die Kampagne mit dem afroamerikanischen American-Football-Spieler Colin Kaepernick. Der hatte sich aus Protest gegen die Polizeigewalt gegenüber Schwarzen in den USA beim Abspielen der Nationalhymne wiederholt hingekniet – und hat deshalb letztlich seinen Job verloren. Der Fall hat in den USA sehr polarisiert. Es war daher ein echtes Risiko für Nike, ausgerechnet mit Kaepernick eine Werbekampagne zu starten. Nike konnte sich damit als Unternehmen präsentieren, das ganz im Geiste seines Claims "Just do it" lebt. Schaut man sich die Zahlen von Nike an, hat sich das gelohnt. Aber ein Wagnis war es schon. Das macht Haltung aus.

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