Vor 75 Jahren starb "Glasdoktor" Otto Schott

24.8.2010, 19:00 Uhr
Vor 75 Jahren starb

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Er sorgte dafür, dass Thermometer die Temperatur zuverlässiger anzeigen, gläserne Lampenzylinder nicht mehr wegen Hitze bersten und Mikroskope bessere Bilder liefern: Der Chemiker Otto Schott (1851-1935) gilt als Wegbereiter der modernen Glaswissenschaft. Der Sohn eines Fensterglasmachers und Glasfabrikanten erkannte nach zahlreichen Versuchen, dass man Gläser mit genau definierten Eigenschaften schaffen und reproduzieren kann - wenn die Zusammensetzung stimmt.

1884 gründete er mit Partnern in Jena ein Glaslabor, aus dem der Technologiekonzern Schott (Mainz) hervorging. Am 27. August jährt sich der Tod des Mannes, den Schott-Vorstandschef Udo Ungeheuer zu den "bedeutendsten Wissenschaftlern und Unternehmern seiner Zeit" zählt, zum 75. Mal.
 

Kanidat beißt auf Granit

Die Bewunderung fliegt dem aus Witten an der Ruhr stammenden Schott nicht von Anfang an zu. Als er an der Universität Leipzig den Doktor machen will, beißt er auf Granit. "Dem Candidaten fehlt entschieden (...) die allgemeine Bildung, die zur Erlangung der Doktorwürde nöthig ist", urteilt die Hochschule über Schott, der kein humanistisches Gymnasium, sondern eine Gewerbeschule besucht hat. In Jena ist man entspannter.

An der dortigen Universität promoviert er 1875 ohne Probleme, wie es in einem Buch über den Konzern heißt. Ab 1879 erforscht Schott im Keller seines Elternhauses, wie sich verschiedene chemische Verbindungen beim Schmelzen und bei der Glasbildung verhalten. Das verfügbare Glas genügt vielen Ansprüchen nicht. So hat etwa der Jenaer Physiker Ernst Abbe 1876 festgestellt, dass das Mikroskop nur begrenzt weiterentwickelt werden kann, wenn es nicht gelingt, Gläser mit wesentlich besseren optischen Eigenschaften zu produzieren.


Schwachpunkt Linsenglas

Schott, der seine Mischungen auf dem Koksofen erhitzt und mit feuerfesten Stielen holländischer Tonpfeifen umrührt, wendet sich an Abbe, damit der interessant scheinende Proben begutachtet. Abbe ist Teilhaber der Optischen Werkstätte von Carl Zeiss, die Mikroskope nach seinen Berechnungen produziert. Schwachpunkt ist das Glas der Linsen. Die verfügbaren Glassorten weisen oft Schlieren, Blasen oder Ungleichmäßigkeiten auf, was zu Fehlern bei der Abbildung führt.

Auch Schotts erste Materialprobe hat zu viele Schlieren, doch zwei Jahre später hat er Erfolg. Indem er bei der Herstellung auf Kieselsäure verzichtet und 30 Prozent mehr Borsäure verwendet, kann er die Bildfehler vermeiden. Er zieht nach Jena, wo er 1884 mit Abbe, Carl Zeiss und dessen Sohn Roderich die Firma "Glastechnisches Laboratorium Schott & Gen." gründet und eine Reihe von Gläsern mit neuartigen optischen Eigenschaften entwickelt. Das Ergebnis sind bessere Objektive für Mikroskope, Fernrohre und Fotoapparate.
 


Neuland betreten

Schott und Abbe betreten auch auf anderem Gebiet Neuland. Abbe, der als Sohn eines Spinnmeisters früh die Härten des Arbeiterlebens kennengelernt hat, will die soziale Stellung der Mitarbeiter verbessern und unabhängig vom Firmeneigentümer sichern. Nach dem Tod von Carl Zeiss 1888 überträgt er seine Anteile an Zeiss und dem Glaslabor auf die eigens gegründete Carl-Zeiss-Stiftung und bewegt Zeiss' Sohn zum gleichen Schritt. Auch Schott willigt ein, dass dies nach seinem Tod mit seinen Anteilen passiert, tatsächlich ist es bereits 1919 soweit. Das Stiftungsstatut gehört den Buchautoren zufolge "zu den herausragenden Dokumenten der deutschen Sozialgeschichte".

Die Mitarbeiter erhalten für damals außergewöhnliche Rechte, etwa erhöhten Kündigungsschutz, bezahlten Urlaub und Mindesteinkommen. Schott selbst wird vom Mitbesitzer zum angestellten Vorstand. Als er sich 1926 zurückzieht, hat er mit der fabrikmäßigen Produktion von Spezialgläsern einen neuen Industriezweig geschaffen. Sein Sohn Erich (1891-1989), der 1927 sein Nachfolger wird, leitet nach der deutschen Teilung auch den Aufbau des neuen Werks in Mainz. Nach dem Mauerfall übernimmt Schott die Anteile am Jenaer Stammhaus und integriert es.